Schatzsuche mit Handy und Werkzeug

Im Bellheimer Wald hat Jürgen Mühlmann fast 50 Verstecke für Geocaching angelegt. Für ihn ist die moderne Schnitzeljagd mehr als nur ein schönes Hobby. Er will Menschen damit in die Natur locken – und das Versprechen an einen verstorbenen Freund einlösen.

Das Laub raschelt, kleine Äste knacken unter den Schuhen. Hier irgendwo muss „Rudi 3“ sein. Und tatsächlich. Vier, fünf Meter vom Waldweg entfernt verraten drei Metallbänder um einen Baum das Versteck: An ihnen ist senkrecht ein schmales braunes Rohr mit vielen Löchern befestigt. Also schnell das Logbuch rausholen, sich eintragen und weiter zur nächsten Station? So einfach ist es nicht. Jürgen Mühlmann zeigt grinsend auf das untere Ende der Stange. Die Rolle mit dem Buch steckt dort unten, mit zwei Metallstiften muss man sie Stück für Stück nach oben bugsieren. Ein bisschen Fleißarbeit muss beim Geocaching manchmal schon sein.

Immer ein Lächeln unter dem Schnurrbart: Geocacher Jürgen Mühlmann.

Jürgen Mühlmann trägt einen breiten Hut mit bunten Pins, eine prall gefüllte Umhängetasche und immer ein Lächeln unter dem Schnurrbart. Das hier ist sein Reich: der Bellheimer Wald nahe der gleichnamigen Gemeinde im südpfälzischen Kreis Germersheim. „Ich möchte die Menschen in den Wald bringen und die Natur erleben lassen.“ 48 Caches hat er hier versteckt – so heißen die kleinen Lager, Dosen oder Kisten, die es beim Geocaching zu finden gilt. Wenn Jürgen Mühlmann loszieht, dann heißt er Stumpfi 2109 – und gibt seine Begeisterung gerne an andere Menschen weiter. Der Spitzname verweist auf sein Geburtsdatum und die Stumpfstraße in Karlsruhe, in der er früher gewohnt hat.

Die Anweisungen kommen direkts aufs Smartphone.

Geocaching kommt ursprünglich aus den USA, wird inzwischen aber auf der ganzen Welt gespielt. Jeder kann mitmachen, zu jeder Jahreszeit, kostenlos. Als moderne Schnitzeljagd wird Geocaching gerne bezeichnet, was den technischen Finessen, der Liebe zum Detail, der großen Community nicht ganz gerecht wird. Eine Tour beginnt in der Regel zu Hause am Computer. Die Koordinaten für die Geocaches in einem Gebiet lassen sich auf ein GPS-Gerät oder das Smartphone laden, dann kann die Suche losgehen. Wer erfolgreich sein will, muss sich zuvor die Beschreibungen der einzelnen Caches durchlesen. Man weiß schließlich nie, was man braucht, um sie zu öffnen. Werkzeug zum Beispiel oder eine Powerbank für Strom. Im Bellheimer Wald kann beides hilfreich sein.

Stolz ist Jürgen Mühlmann zum Beispiel auf den Cache mit dem Namen „0190 Ruf an!“. Das Versteck am Forstamt Pfälzer Rheinauen sieht auf den ersten Blick aus wie ein abgedeckter Briefkasten. Doch darin verbirgt sich die Attrappe eines altmodischen Telefons. Wer eine Powerbank anschließt, bekommt eine Klingelmelodie und Jürgen Mühlmanns Stimme zu hören: „Wer schaut denn hier herein? Ist das vielleicht ein kleines Cacherlein? Willkommen im Bellheimer Wald!“

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Aufgewachsen ist der Fährtenleger in Thüringen, später zog er nach Sachsen und 2003 dann nach Karlsruhe, um im Daimler-Werk in Wörth zu arbeiten. Sein Hobby entdeckte er 2012.

„Mich hat’s sofort gepackt. Ich musste fast jeden Tag raus und suchen.“

Mühlmann hatte damals Besuch von einem Freund aus Sachsen. Der lief mit dem Handy suchend durch Karlsruhe und der Gastgeber wunderte sich: „Was machst du da?“ Als der Freund den Cache gefunden hatte, war es auch um Mühlmann geschehen. „Mich hat’s sofort gepackt. Ich musste fast jeden Tag raus und suchen.“

Ständig auf der Suche nach Schätzen – oder neuen Verstecken. Jürgen Mühlmann unterwegs im Bellheimer Wald.

Über sein Hobby schloss Mühlmann später auch Freundschaft mit dem „Dampfverteiler“, der zehn Caches im Bellheimer Wald versteckt hatte. Seine Arbeit konnte er wegen einer schweren Krankheit nicht zu Ende bringen, und Jürgen Mühlmann versprach dem Freund am Sterbebett, die Routen weiter zu pflegen. Ein Versprechen, das er ernst nimmt. Regelmäßig ist er im Bellheimer Wald unterwegs, um die Verstecke zu überprüfen: Ist noch alles da und intakt? Ist das Logbuch zu voll oder nass? Mit dem Forstamt Pfälzer Rheinauen und dem Südpfalz-Tourismus der Verbandsgemeinde Bellheim arbeitet Jürgen Mühlmann eng zusammen. „Mir gefallen die Menschen hier“, sagt er. „Wenn ich unterwegs bin, werde ich immer angesprochen. Und wer selbst kein Geocaching macht, lässt die Caches einfach liegen.“

Wo ist der Cache nur versteckt?

Mal sind die Fundstücke kleine Filmdosen, mal ganze Kisten. Es gibt die traditionellen Caches, die in erster Linie aus einem Logbuch bestehen, in das sich die Finder eintragen können. Es gibt auch die „Mystery‘s“, deren Koordinaten man nur erfährt, wenn man zuvor ein Rätsel gelöst hat. Jürgen Mühlmann hat im Bellheimer Wald zudem Verstecke speziell für Kinder eingerichtet, zum Beispiel eine Kiste mit Märchenbüchern. Wer sie findet, kann ein Buch herausnehmen – wenn er ein anderes zum Tausch mitgebracht hat und dalässt. Regeln sind wichtig beim Geocaching: Die Natur soll genauso intakt bleiben wie die gefundenen Verstecke. Wer einen Cache entdeckt, muss ihn so hinterlassen, wie er ihn vorgefunden hat. Und wer nicht weiterkommt beim Lösen eines Rätsels, dem hilft Jürgen Mühlmann gerne weiter. „Aber ich verrate nicht gleich alles. Es soll ja Spaß machen.“

Geocachen halte ihn fit – sagt Jürgen Mühlmann.

Stumpfi 2109 geht auch selbst auf Schatzsuche. „Ich habe etwas gefunden, was mich fit hält“, sagt er über seine Leidenschaft. „Man ist immer an der frischen Luft, und man muss dabei auch den Geist anspannen.“ Außerdem komme ein Geocacher an Orte, die er ohne das Hobby wohl nie entdeckt hätte. Zusammen mit Freunden hat Mühlmann schon an einem Tag 32 Kilometer zurückgelegt und dabei 72 Verstecke gefunden. Auf dem Weg in den Italienurlaub suchte und fand er einmal sechs Caches in sechs Ländern an einem Tag: in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Italien. Auf seine spektakulärste Suche ging er bei einem Urlaub in Ägypten: Als Mühlmann auf dem Weg in die Wüste war, folgte ihm plötzlich ein Mann mit einem Maschinengewehr. Doch der führte nichts Böses im Schilde, sondern passte auf den Deutschen auf, damit der in Ruhe seinen Cache finden konnte. „Es wird einem nicht langweilig.“

9160 Caches hat Jürgen Mühlmann selbst schon gefunden.

Einen Kletterkurs hat Mühlmann inzwischen auch gemacht – damit er auch die Stationen absolvieren kann, bei denen die Geocacher hoch hinaus in einen Baum müssen. Ans Aufhören denkt Stumpfi 2109 nicht. Weder als Fährtenleger noch als Suchender. Neue Caches für den Bellheimer Wald sind schon in Arbeit. Schließlich ist der gelernte Aluminiumschweißer inzwischen in der passiven Altersteilzeit, da bleibt viel Zeit für seine Leidenschaft. Rund 9160 Caches hat er selbst schon gefunden, erzählt er. „Aber das ist noch zu wenig.“


Zur Homepage von Stumpfi 2109

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