Übernachten mitten im Wald. Zwischen Kiefern und Buchen, unter einem Dach von tausend Blättern. In Deutschland eigentlich nicht erlaubt. Doch 2009 entstanden im Pfälzerwald die ersten Trekkingplätze, die Wanderern ein einmaliges Naturerlebnis ermöglichen. Dank Uta Holz von der Südlichen Weinstraße und engagierten Bürgern wie Sigfried Tiator.

Uta Holz kann sich noch genau an ihre erste Nacht im Pfälzerwald erinnern. „Es war hier, in Eußerthal“, erzählt die Geschäftsführerin des Vereins Südliche Weinstraße. „Das war 2009, kurz nach Eröffnung der Plätze.“ Ihre Kinder, damals drei und fünf Jahre alt, waren von der Wanderung zum Platz schon ziemlich müde und krochen früh ins Zelt. „Und dann kam ein Gewitter.“ Abbrechen kam nicht mehr in Frage, die Kinder schliefen bereits – also blieb die Familie. „Ich fand das schon etwas unheimlich – aber meine Kinder haben völlig unbeeindruckt durchgeschlafen und am nächsten Morgen fit und ausgeruht den Wald erkundet.“ Es war die erste von vielen Pfälzerwaldnächten für die Familie.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mit gemafreier Musik von www.frametraxx.de

Auch heute haben auf dem Platz bei Eußerthal zwei Familien ihre Zelte aufgeschlagen. Sie kommen aus Mannheim und Kaiserslautern. Die Geschwister Noah und Tammi, elf und sechs Jahre alt, rennen aufgeregt zwischen der Feuerstelle und den Felsen am Rande des Platzes hin und her, während ihre Eltern mit Zeltstangen jonglieren. Mika und Selma, fünf und drei Jahre alt, stehen am Lagerfeuer und halten konzentriert Stöcke in das Feuer. Ein kleines Abenteuer für die Familien. Gefühlt weit weg von jeder Zivilisation, aber dennoch nah genug dran, um sich jederzeit sicher zu fühlen.

Uta Holz im Gespräch mit Sigfried Tiator – der sich um den Platz bei Eußerthal kümmert.

2007 kamen die Landesforsten Rheinland-Pfalz auf Uta Holz zu. Mit der Idee, im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen Trekkingplätze aufzubauen. „Da haben sie auf jeden Fall die richtige angesprochen“, sagt die Touristikerin und lacht. Sie ist gern in der Natur, liebt es zu Wandern und hat immer ein bisschen neidisch Richtung Skandinavien geschaut, wo eine Übernachtung in der Wildnis für Jedermann möglich ist – zumindest für eine Nacht. Im dicht besiedelten und durchregulierten Deutschland war das bisher nicht erlaubt. „Ich fand die Idee super und wollte sie unbedingt umsetzen.“ Doch es sollte zwei Jahre dauern bis zur ersten Übernachtung im Wald. „Es waren viele Gespräche, viel Überzeugungsarbeit nötig.“ Gemeinderäte befürchteten, dass im Wald bald Partys gefeiert werden, Jäger befürchteten, dass die Wanderer das Wild vertreiben. 

Uta Holz gelang es, die Bedenken beiseite zu räumen und dem Projekt zumindest eine Probezeit zu ermöglichen. Sieben Plätze im Landkreis Südliche Weinstraße machten den Anfang. „Nach einem Jahr bekam ich einen Anruf vom Jagdverband. Sie gaben zu, dass ihre Befürchtungen unbegründet waren und die Trekker sich sehr vorbildlich und rücksichtsvoll verhielten.“ Mit den Jahren kamen Plätze im Donnersbergkreis, im Kreis Kaiserslautern, in Lambrecht und in der Südwestpfalz hinzu. Mittlerweile sind es 15. Alle sind nacheinander innerhalb eines Tagesmarsches erreichbar. Wer will, kann also zwei Wochen quer durch den Pfälzerwald wandern – darf aber immer nur eine Nacht an einem Ort verbringen.

„Es ist einfach. Aber das bewusst. Wer hierher kommt, will die Natur erleben“

Uta Holz

Für die zwei Familien, die heute im Wald übernachten, ist es ein einmaliges Abenteuer. Mittlerweile haben sich alle um das Lagerfeuer versammelt. Zum Abendessen gibt es Würstchen und Ravioli aus der Dose, zum Nachtisch gegrillte Marshmallows. Sie haben Glück, dass 2021 so regenreich begonnen hat. „Oft ist es bereits im Mai so trocken, dass wir das Feuermachen wegen Waldbrandgefahr verbieten müssen“, erzählt Siegfried – Siggi – Tiator. Er ist der „Kümmerer“ des Platzes in Eußerthal.

Kümmerer Siggi Tiator holt etwas Wasser an der rustikalen Toilettenhütte.

Um jeden Trekkingplatz kümmert sich ein ehrenamtlicher Helfer. Diese zu finden war für Uta Holz die nächste Hürde. Es war der Bürgermeister der Ortsgemeinde Eußerthal, der Siggi Tiator schließlich ansprach. „Ich war damals im Ortsgemeinderat und er wusste, dass ich gerne und viel im Wald unterwegs bin und mich hier gut auskenne.“ Tiator sagte zu. Nun sitzt er mit Uta Holz am Lagerfeuer, beide mit einer Rieslingschorle in der Hand. Man ist ja schließlich in der Pfalz. Bald schon dreht sich ihr Gespräch um den Fernwanderweg E5. Sie tauschen sich aus, welche Route sie über die Alpen genommen, welche Hütten sie besucht haben. Zwei Gleichgesinnte. Sie lachen viel. „Es ist natürlich Gold wert, wenn man Menschen wie Siggi findet, die so ein Projekt unterstützen“, sagt Uta Holz. „Es sind auch auf allen Plätzen immer noch die gleichen Kümmerer wie am Anfang.“

Fachsimpeln am Lagerfeuer: Uta Holz und Siggi Tiator.

Etwas ab vom Schuss, nicht an einem Hauptwanderweg, aber dennoch gut von einer Ortschaft oder einem Bahnhof erreichbar – das ist das Kriterium für einen guten Trekkingplatz. Die genauen Koordinaten bekommt nur, wer sich über das Buchungsportal anmeldet, inklusive Routenvorschläge. „Hier haben wir noch dieses schöne Plateau und eine Ausrichtung nach Südosten“, erklärt Siggi Tiator und deutet auf die Sonne, die gerade ihre letzten Abendstrahlen durch das Blätterdach schickt. Dazu gibt es eine feste Feuerstelle und eine Komposttoilette etwas den Hang hinab. „Und eine Quelle – etwa 800 Meter von hier entfernt.“ Mehr nicht. Alles was sie brauchen, müssen die Trekker selbst mitbringen. Und ihren Müll wieder mitnehmen.

Immer ein Highlight: Das Lagerfeuer.

„Es gibt aber immer wieder Anfragen, ob wir auch Touren anbieten, wo das Zelt bereits aufgebaut und am besten auch das Abendessen bereitgestellt wird“, erzählt Uta Holz. Doch „Glamping“ – die luxuriöse Campingform, gibt es hier nicht im Angebot. „Es ist einfach. Aber das bewusst. Wer hierher kommt, will die Natur erleben – und sie nicht nur als Kulisse betrachten.“ 15 Euro kostet eine Übernachtung pro Zelt. Pro Platz sind höchstens vier Zelte für bis zu drei Personen erlaubt. Geöffnet sind die Plätze von April bis Oktober – vor allem, um der Natur im Winter Ruhe zu gönnen.

Das Konzept geht auf. Jahr für Jahr steigen die Übernachtungszahlen, die Corona-Pandemie trieb die Nachfrage zusätzlich in die Höhe. Die Plätze sind, vor allem am Wochenende, über Wochen hinweg ausgebucht. Dass sich all die Gespräche, all die Überzeugungsarbeit ausgezahlt hat, darauf ist Uta Holz sichtlich stolz. Genauso wie auf den 3. Preis beim Deutschen Tourismuspreis 2010. Die Jury lobte die nachhaltige Umsetzung des Trends Natururlaub und die große ehrenamtliche Leistung. Ganz offiziell ist das Pfälzer Konzept „zur Nachahmung empfohlen“. Und es dauerte nicht lange, bis andere Bundesländer das Erfolgskonzept aufgriffen. Fast zeitgleich entstanden Trekkingplätze am Soonwaldsteig bei Bingen, mittlerweile gibt es sie auch im Schwarzwald oder im Harz und seit Sommer 2021 auch im Odenwald

Siggi Tiator hilft, wo er kann – auch unerfahreneren Campern mal beim Feuermachen.

„Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die hierher kommen“, erzählt Siggi Tiator – der oft auch abends noch auf „seinem“ Platz vorbeischaut und gerne auch mal mit am Lagerfeuer sitzt. „Viele Familien, gerade aus der Stadt. Oder auch mal nur Vater und Sohn.“ Da sind die Naturfans, die schon in Kanada mehrere Wochen auf Tour waren und begeistert sind, dass sie das endlich auch in ihrem Heimatland machen können. „Und es gibt die, die sich kurz vor der Tour noch im Sportkaufhaus Engelhorn eingedeckt haben und dann vollgepackt und mit Blasen an den Füßen hier ankommen.“ Siggi Tiator schmunzelt und verweist auf die Tipps auf der Homepage der Trekkingplätze. „Die sollte man sich vielleicht mal durchlesen, wenn man das noch nie gemacht hat.“

Ein Waldkauz läutet auf dem Trekkingplatz in Eußerthal die Nacht ein. Erst erlischt das Lagerfeuer, dann gehen nach und nach auch die Taschenlampen in den Zelten aus. Bis nur noch das leise Rauschen der Bäume zu hören ist – und immer wieder ein Rascheln im Laub. Bis am Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, die Vögel des Waldes den neuen Tag begrüßen.


www.trekking-pfalz.de

www.naturpark-neckartal-odenwald.de

Newsletter

Ausflugstipps und interessante Geschichten über die Rhein-Neckar-Region gibt es regelmäßig in unserem Newsletter.

Und so geht’s: Geben Sie Ihre E-Mail Adresse in das Feld ein und klicken Sie auf abonnieren. Sie erhalten daraufhin eine automatisch generierte Nachricht an die von Ihnen genannte E-Mail Adresse, die Sie nur noch bestätigen müssen. Fertig!

Abbrechen

Suche