Einmal als Kriegerin finstere Trolle bekämpfen, als Elf verschlossene Türen öffnen oder als Magier Licht ins Dunkel bringen – und das nicht am Wohnzimmertisch oder auf der Spielkonsole, sondern ganz real. Im Nibelungenhort in Bürstadt ist das möglich. In der einzigen Fantasy-Rollenspielanlage im Südwesten Deutschlands lösen Kinder gemeinsam Rätsel aus der Welt der Sagen.
Leo will heute aufsteigen. Monster werden, ein Troll vielleicht oder ein Dunkelelf. Sein Freund Linus ist längst auf die dunkle Seite gewechselt und treibt im Wald sein Unwesen. Wie auch heute, bei Leos 9. Geburtstag. Er feiert im Nibelungenhort – wie viele seiner Freund:innen vor ihm. Die Kinder kennen ihre Rolle und wissen genau, welche Ausstattung sie brauchen. Eine Taschenlampe, ein Schwert, einen Magierstab, dazu Umhänge für die Monster – Spielführerin Bärbel Jakob stattet die Kinder entsprechend ihrer Rolle aus. Und überreicht den Held:innen der Gruppe schließlich eine Rätselkarte, auf der die Frage steht: „Was leuchtet im Wald?“ Wenig später ist die Truppe im Labyrinth auf der linken Seite verschwunden, auf der Suche nach der Antwort. Von außen ist nur noch das Gebrüll der Monster zu hören.
Auf ins Labyrinth – wo die Abenteuer warten!
Früher wurde hier, am Rande des Industriegebiets im Norden von Bürstadt, gekegelt. Bis Bärbel Jakob aus der Halle den Nibelungenhort, eine Fantasy-Rollenspielanlage machte. „Die einzige im Südwesten Deutschlands“, wie sie betont. Die anderen seien in Hamburg, München und Nürnberg. Wo früher Kegelkugeln rollten, ist ein Labyrinth aus Gängen, Räumen, Türen und Plätzen entstanden. Es gibt eine Stadt mit Laboratorium und Sternwarte, Taverne, dazu Kriemhilds Rosengarten. Und den Wald, in dem die Monster hausen und in dessen hinterster Ecke ein Drachen lauert. Die Kinder spielen hier zwar nicht direkt die Geschichte der Nibelungen nach – aber sie bewegen sich in der Welt der Sage, in der sie gemeinsam Rätsel lösen.
Bärbel Jakob erklärt, welche Figur welche Fähigkeiten besitzt.
Für Kinder, die noch nie hier waren, beginnt das Spiel mit einer Einführung. „Jede Gruppe braucht eine Magierin oder einen Magier“, erklärt Jakob. Sie tragen das Licht. Denn im Labyrinth ist es dunkel und viele Hinweise sind nur im flackernden Schein der elektrischen Teelichter zu sehen. Auch die Elfen sind wichtig. „Sie hüten die Schlüssel und öffnen Türen.“ Vorausgesetzt, sie haben den richtigen Schlüssel für die richtige Tür – auch das ist ein Rätsel, das es zu knacken gilt. Krieger:innen bekämpfen die Monster und wenn sie dabei verletzt werden, helfen die Heiler:innen. Ihre Aufgaben können die Kinder also nur im Team lösen. „Das macht Rollenspiele so großartig“, sagt Jakob. „Dass man nicht gegeneinander spielt, sondern miteinander.“
Im Norden von Bürstadt liegt der Nibelungenhort...
...in dem sich am Wochenende Elfen und Heilerinnen tummeln.
Bärbel Jakob überreicht der Elfin im Team den Schlüssel...
...dann geht es rein ins Labyrinth.
Wo viele Rätsel auf die Kinder warten.
Ausgerüstet werden sie dabei auch mit Rollenspiel-Waffen...
denn im Wald müssen auch Monster bekämpft werden.
Zur Belohnung gibt es Kontorscheine.
Dass sie selbst mal eine Rollenspielanlage eröffnen würde – und das mit über 50 Jahren – „das war wirklich nicht geplant“. Bärbel Jakob lacht. Eine Reise habe den ungeplanten Neuanfang angestoßen: 2016 war sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer jüngsten Tochter nach Hamburg gefahren. „Wir waren schon lange fasziniert von Fantasy-Rollenspielen“, erzählt Jakob. Sie spielten Pen-&-Paper-Spiele wie „Das schwarze Auge“, bei denen die Spieler:innen fiktive Rollen einnehmen und sich gemeinsam in eine Abenteuergeschichte versetzen. Festgehalten werden die Spielcharaktere und der Verlauf des Spiels dabei mit einem Stift auf Papier – daher der Name.
Nicht nur die Kinder müssen bei uns zusammenarbeiten, sondern auch die Eltern.
Bärbel Jakob
„Wir haben in Hamburg erfahren, dass es dort eine Anlage gibt, in der man solche Rollenspiele live spielen kann und wir wussten: da müssen wir hin.“ So besuchten sie das Drachenlabyrinth in Hamburg. Eigentlich eine Anlage für Kinder – aber das Ehepaar war begeistert. „Seitdem erzählten wir allen Eltern, die auf der Suche nach einer Geburtstagslocation für ihre Kinder waren, immer: Tja, in Hamburg wüssten wir was.“
Auf der Suche nach der Lösung hilft der Magier als Lichtträger.
Bärbel Jakob ist eigentlich gelernte Bankkauffrau und arbeitete nach der Geburt ihrer vier Kinder viele Jahre als freie Mitarbeiterin für den Südhessen Morgen, schrieb über das Spargelfest in Lampertheim und die Freiwillige Feuerwehr. „Ich habe das wirklich gerne gemacht, aber es wurde immer schwerer, von dem Honorar zu leben.“ Sie brauchte ein zweites Standbein. Den Traum, dass das eine Rollenspiel-Anlage sein könnte, brachte sie bereits aus Hamburg mit. „Aber bis ich den Mut hatte, das tatsächlich umzusetzen, hat es noch etwas gedauert.“
Bärbel Jakob war schon immer fasziniert von Fantasy-Rollenspielen – und gibt ihre Begeisterung gerne weiter.
Ende 2016 wagte sie es – überzeugt davon, dass eine Rollenspiel-Anlage im südhessischen Ried ebenso gut ankommen würde wie in Hamburg oder München. Ihr Mann und ihre Kinder unterstützen sie dabei. „Hätte ich damals gewusst, was da alles auf mich zukommt – ich weiß nicht, ob ich es tatsächlich gewagt hätte“, sagt sie heute. Die erste Hürde kam gleich zu Beginn: Die Suche nach einem Ort, der groß genug ist für ein Labyrinth und viele Tische, um gleich mehrere Kindergruppen zu beherbergen. „Als ich beim Kreisbauamt anrief und erklärt habe, dass ich ein Labyrinth eröffnen will, kam erstmal die Gegenfrage: ein Maislabyrinth?“ Als sie dann erklärte, dass es eines mit Helden und Monstern wird, herrschte erstmal Stille in der Leitung. Aber sie schaffte es: das Bauamt zu überzeugen, mit der ehemaligen Kegelhalle einen geeigneten Ort zu finden und eine Bank, die ihr einen Kredit gab, um ein Areal für Helden und Monster zu errichten.
Die ehemaligen Kegelhalle bietet Platz für mehrere Kindergruppen. Links geht es dann in das Laybyrinth.
Den Großteil der Kulissen fertigten die Betreiber des Drachenlabyrinths in Hamburg an, mit denen Jakob seit ihrem Besuch 2016 befreundet ist. Und die sie mit Rat und Tat und vielen Ideen unterstützen. Ein Teil der Requisiten kommt auch aus dem Fundus der Nibelungenfestspiele in Worms: ein großes Füllhorn, ein riesiger Stuhl und mehrere Speere, die nun als Vorhangstangen dienen. Die Waffen, mit denen die Kinder kämpfen, sind LARP-Waffen (von Live Action Role Playing) und größtenteils aus Schaumstoff. Ungefährlich also, aber dennoch gibt es Regeln, an die sich alle halten müssen: auf den Kopf zielen, hart zuschlagen und gegen die Kulissen hämmern, ist verboten. „Ich hatte anfangs überlegt, ganz auf die Monster zu verzichten – aber die Kollegen aus Hamburg meinten, dass macht den Kindern mit am meisten Spaß.“ Das laute Gebrüll im Hintergrund gibt ihnen Recht.
Monster gegen Heldin – wer verkleidet kommt, spielt übrigens umsonst.
Leo und seine Geburtstagsgäste haben die Monster mittlerweile besiegt und kommen mit der Antwort auf die Frage, was im Wald leuchtet, aus dem Labyrinth. „Grüne Pilze!“ Bärbel Jakob nickt und händigt den Kindern ihre Belohnung aus: jeweils fünf Kontorscheine. Das ist die Währung im Nibelungenhort. Auf den Scheinen sind Gegenstände abgebildet, die im Mittelalter besonders wertvoll waren: Salz, Eisenerz oder Getreide. Hat ein Kind zehn Scheine von einem Gegenstand gesammelt, kann es ein Level aufsteigen. Dann bekommt der Magier eine richtige Taschenlampe, der Elf kann mehr als einen Schlüssel tragen und die Kriegerin erhält ein Schwert. Später können sich die Kinder auch für die dunkle Seite entscheiden und Monster werden. Während die Kinder mit der nächsten Rätselkarte gleich wieder im Labyrinth verschwinden, sortieren Leos Eltern die Kontorscheine – und tauschen sie mit anderen Eltern. Diese Interaktion freut Jakob immer ganz besonders. „Nicht nur die Kinder müssen bei uns zusammenarbeiten, sondern auch die Eltern.“
Und natürlich lauert im Nibelungenhort auch ein Drache…
Neben Kindergeburtstagen sind es vor allem Schulklassen und Feriengruppen, die in den Nibelungenhort kommen. Die Gäste reisen dabei auch mal aus Aschaffenburg oder Frankfurt an. „Es kommen auch Großeltern spontan mit ihren Enkeln vorbei oder Geschwister. Und demnächst“, ergänzt Jakob, „feiert hier jemand seinen 45. Geburtstag.“ Einzige Bedingung: „Es müssen Kinder dabei sein.“ Und wer einmal hier war, der kommt in der Regel immer wieder. Um weitere Rätsel zu lösen, mehr Kontorscheine zu sammeln, ins nächste Level aufzusteigen.
Der Nibelungenhort hat freitags von 14 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Reservierungen sind erforderlich und unter 0160-1577333 oder per Mail unter willkommen@nibelungenhort.org möglich.
Das Spiel kostet für jede:e Spieler:in pro Stunde sieben Euro – für Gruppen gelten Sonderkonditionen. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht; um die Rätsel zu lösen, sollte aber mindestens eine Person aus der Gruppe lesen können. Es gibt auch die Möglichkeit, für die Kleinen einen „Butler“ zu buchen.
Der Nibelungenhort liegt nur wenige Meter vom Bürstädter Bahnhof entfernt.
Konzerte im Dunkeln, eine neue Ausstellung im Carl-Bosch-Museum oder über Essen und Trinken in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen – hier kommt ein Blick ins Kulturmagazin der Metropolregion.
Was haben die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen mit der Region Rhein-Neckar zu tun? Eine Kajaktour auf der Elsenz zeigt, wie sie uns alle betreffen.
Ausflugstipps und interessante Geschichten über die Rhein-Neckar-Region gibt es regelmäßig in unserem Newsletter.
Und so geht’s: Geben Sie Ihre E-Mail Adresse in das Feld ein und klicken Sie auf abonnieren. Sie erhalten daraufhin eine automatisch generierte Nachricht an die von Ihnen genannte E-Mail Adresse, die Sie nur noch bestätigen müssen. Fertig!