Von der Burg zum Schloss zur Ruine: Die Hardenburg bei Bad Dürkheim hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Doch sie erzählt nicht nur von Grafen und Königen, sondern auch von viel kleineren Wesen. Denn wo im Mittelalter Ritter hausten, sind heute seltene Fledermäuse heimisch.
Sie verstecken sich, sind kaum sichtbar. Nur wer genau hinschaut, entdeckt ihre Spuren. Wie in der alten Backstube der Hardenburg. Der Raum ist groß, fast fünf Meter hoch – und stockdunkel. Mit einer Taschenlampe leuchtet Thomas Hofmann auf eine Stelle in der Mitte des Raums. Das Licht fällt auf schwarze, längliche Krümel. „Fledermauskot“, erklärt der Kulturpädagoge, der für die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) Gäste durch die Hardenburg führt. Dann leuchtet er an die Steindecke. Rechts neben dem Lichtkegel ist ein Loch zu erahnen. „Ein alter Luftschacht“, sagt Hofmann. Direkt hinein will er nicht leuchten. „Wir wollen ja niemanden aufwecken.“
Mauernischen, verwinkelte Gänge, alte Luftschächte – hier fühlen sich Fledermäuse wohl.
Hier verschlafen sie gerne die Tage, die neuen Bewohner der über 800 Jahre alten Hardenburg: in alten Luftschächten, in Mauernischen, zwischen Holzbalken fühlen sich die Fledermäuse besonders wohl. Und wenn die kalte Jahreszeit naht, sammeln sie sich im Kellergewölbe. „In guten Jahren halten über 100 Tiere ihren Winterschlaf auf der Burg“, erzählt der Biologe Guido Pfalzer vom Arbeitskreis Fledermausschutz Rheinland-Pfalz. Darunter sind das Große Mausohr, die größte heimische Fledermaus, aber auch seltene Arten wie die Zweifarbfledermaus, das Graue Langohr oder die Mopsfledermaus, die in der Pfalz schon als ausgestorben galt. „Bis wir 1995 auf der Hardenburg wieder ein Exemplar beobachten konnten.“ 2021 hat der Naturschutzbund (Nabu) Rheinland-Pfalz die Hardenburg deshalb „als pfalzweit einzigartiges Objekt mit einer herausragenden Bedeutung für den Fledermausschutz“ ausgezeichnet. „Fledermäuse willkommen!“, kündigt seitdem eine Plakette bereits im Eingangsbereich der Burg an.
Gefährdeter und sehr seltener Wintergast auf der Hardenburg: Eine Mopsfledermaus. Foto: Guido Pfalzer
Welcher Fledermausart Batty angehört – da ist sich Thomas Hofmann nicht so sicher. Er streichelt das Plüschtier und zieht es über seine Hand. „Sie ist ziemlich groß, also vermutlich ein Großes Mausohr.“ Batty begleitet Hofmann immer, wenn er Kindergruppen und Schulklassen durch die Burg führt. „Sie ist 800 Jahre alt – kennt die Geschichte der Burg also von Anfang an.“
Die Hardenburg liegt auf einer Bergnase über dem Isenachtal. Foto: GDKE Rheinland-Pfalz / Elisa Fischer
Ein Wanderweg führt hinauf auf die Burg...
...und viele weitere um sie herum.
Einer führt auch zur nahen Limburg.
Zu deren Schutzvögte die Leininger ernannt wurden.
Von der Burg zum Schloss zur Ruine:
Thomas Hofmann kennt alle Winkel der Burg.
Auch die, in denen gerne Fledermäuse schlafen.
Diese beginnt mit der Ernennung der Grafen von Leiningen (die auch im Codex Manesse Erwähnung finden) zu Schutzvögten des Klosters Limburg Anfang des 13. Jahrhunderts. Als Stützpunkt für ihre Ritter baute die Familie die Burg auf eine Bergnase über dem Isenachtal – in Sichtweite des Klosters und auf seinem Gelände. „Allerdings ohne die Mönche zuvor zu fragen“, erzählt Hofmann. Kein guter Start für die Beziehung zwischen den Grafen und den Bewohnern des nahegelegenen Klosters, die im Laufe der Geschichte immer wieder in Streit gerieten. Hofmann erzählt von Karpfen, die aus dem Fischteich geklaut wurden, von einer Steinfigur, die ihre Zunge Richtung Kloster ausstreckt.
Direkt vor Ort kann ich Geschichte viel anschaulicher und lebendiger schildern als im Klassenzimmer vor der Tafel.
Thomas Hofmann über seinen Schritt aus der Schule in die Hardenburg
Ende des 15. Jahrhunderts begannen die Leininger, die Burg zum Schloss auszubauen. Heute lässt sich nur noch erahnen, wie prachtvoll der Bau einst war. Die Familie legte nach dem Vorbild des Heidelberger Schlosses einen Lustgarten an, baute großzügige Wohntrakte und prachtvolle Saalbauten. „Bis zu 150 Menschen lebten Schätzungen zufolge während der Renaissance dauerhaft in der Hardenburg“, erzählt Hofmann. Geschützt vom Westbollwerk mit seinen sieben Meter dicken Mauern, die selbst der Sprengstoff der französischen Revolutionstruppen 1794 nicht komplett zerstören konnte. Die Grafen von Leiningen waren vor den heranrückenden Franzosen über den Rhein geflohen und erhielten ihre Burg niemals zurück, die dann zur Ruine verfiel.
An einem Modell macht Thomas Hofmann deutlich, wie die Hardenburg zu ihrer Hochzeit aussah.
In den folgenden Jahrhunderten eroberte sich die Natur das Bauwerk Stück für Stück zurück. Auf den Steinen wachsen seltene Moose sowie Flechten und bereits 1862 stellte ein Forscher fest, dass die verfallene Burg ein wertvolles Fledermausquartier ist. Heute gehört die Burg dem Land Rheinland-Pfalz, das die Hardenburg wieder für Besucher:innen zugänglich machte und die Ruine bis 2012 aufwendig sanierte – immer mit Rücksicht auf die Fledermäuse. „Im Mauerwerk wurden nicht alle Fugen zugeschmiert und bestimmte Bereiche, wie das Kellergewölbe, bleiben als Rückzugsräume für die Besucher geschlossen“, erklärt Pfalzer.
Auf den Spuren der Fledermäuse können Kinder ein Quiz über die Ruine lösen.
Die Burg hat über die Jahrhunderte viele Geheimnisse bewahrt – die deutlich spürbar sind in den dunklen Schächten und verzweigten Gängen der Ruine. Wohin etwa sollte die Treppe führen, die im Westbollwerk nach unten führt, aber dann abrupt aufhört? Und wer schmorte im Kerker des Gefängnisturms? Zugänglich ist dieser nur für die Teilnehmer:innen einer Führung, die sich dafür durch einen engen, dunklen Gang schleichen müssen. „Für Kinder immer ein Highlight“, sagt Hofmann.
Dunkle Gänge, geheimnisvolle Treppen: Für Kinder hat die Burg viel zu bieten.
Seit 2020 ist der Lehrer als Kulturpädagoge für die Hardenburg zuständig. Davor unterrichtete er Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium in Speyer. Für Geschichte und historische Orte interessierte sich Hofmann bereits seit seiner Kindheit. „Als die Stelle 2020 ausgeschrieben wurde, habe ich mich sofort beworben“, erzählt er – und den Schritt aus der Schule in die Ruine noch keinen Tag bereut. „Ich habe hier ganz andere Möglichkeiten, Wissen zu vermitteln. Direkt vor Ort kann ich Geschichte viel anschaulicher und lebendiger schildern als im Klassenzimmer vor der Tafel“, sagt er. Und das Gelernte bleibe viel nachhaltiger im Gedächtnis. „Ich erlebe hier oft Kinder, die mit ihrer Klasse hier waren und dann später ihren Eltern erklären, was hier früher so los war.“
Thomas Hofmann liebt es, der Ruine Geschichten zu entlocken – und sie an Kinder weiterzugeben.
Hofmann ist ständig auf der Suche nach neuen Ideen, um Geschichte lebendig werden zu lassen und neue Gäste auf die Hardenburg zu locken. So können Kinder bei Führungen auch im Rittergewand ins Mittelalter eintauchen und in Workshops eine Urkunde mit Gänsefeder und Tinte schreiben oder einen Geldbeutel aus Leder herstellen. Für Erwachsene bietet Anja Kleinhans aus Freinsheim Schauspielführungen an, bei denen sie als Gräfin Maria Elisabeth von Leiningen durch die Zeit der Spätrenaissance führt. Mit ihrem „Theater der Liebe“ bringt sie zudem jeden Sommer eine kleine Freilichtfestivalreihe auf die Hardenburg. 2023 bekamen Hofman und das Team der GDKE zudem den Preis für kulturelle Bildung des Vereins Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten für das inklusive Entdeckungsspiel „Hidden Places – Dem Geheimnis der Ruine auf der Spur“, bei dem gehörlöse und hörende Menschen gemeinsam die Ruine erforschen und Rätsel lösen können.
Ein Tastmodell der Ruine macht ihre Dimensionen auch für blinde Menschen deutlich.
Auch Guido Pfalzer bietet gemeinsam mit seiner Frau Claudia Weber im Sommer immer wieder Veranstaltungen an, bei denen Gäste den fliegenden Bewohnern der Ruine näherkommen können. Spezielle Geräte machen dabei die Ultraschalltöne der Tiere hörbar – dann füllt sich der Burghof mit ihrem Piepsen und Pfeifen. Doch auch in der kalten Jahreszeit können Besucher:innen den Fledermäusen näherkommen – und zwar digital. Über die App „Actionbound“ lädt Pips, die Zwergfledermaus, kleine und große Menschen auf einen Rundgang durch die Hardenburg ein, bei dem sie per Smartphone viel über die Tiere erfahren.
Wie klingen Fledermausrufe? Via App können Besucher das herausfinden.
Darunter auch, dass die Tiere unter strengem Naturschutz stehen und einige Arten bereits ausgestorben sind. „Denn es gibt immer weniger geeignete Lebensräume für die Tiere.“ Umso wichtiger sind Quartiere wie die Hardenburg – und Menschen wie Guido Pfalzer und Thomas Hofmann, die Biologie und Geschichte sowie Natur- und Denkmalschutz auf einen Nenner bringen. Und dabei allerlei spannende Geschichten erzählen: von Fledermäusen und Rittern.
Von Februar bis 14. März: Samstag, Sonntag und Feiertage von 10 bis 17 Uhr (letzter Einlass 16 Uhr) // 15. März bis 31. Oktober: Donnerstag bis Sonntag und Feiertage von 10 bis 18 Uhr (letzter Einlass 17 Uhr) // November: Samstag, Sonntag und Feiertage von 10 bis 17 Uhr (letzter Einlass 16 Uhr)
Im Dezember und Januar ist die Hardenburg geschlossen
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