Als Raufbold und Anführer der Bauernkriege ging Götz von Berlichingen in die Geschichtsbücher ein. Nicht nur, weil ihm Goethe ein Schauspiel widmete. Dabei fand er auf dem Hornberg am Neckar ein Zuhause – als treu sorgender Hausvater und Ehemann.
Für einen Moment ist es ganz still. Die Besucher:innen vor der Kapelle sind verstummt. Das asiatische Paar, das gerade noch über einem Reiseführer gebrütet hat, ist verschwunden. Stattdessen schimmert die Mittagssonne durch die einfachen Butzenfenster. Jemand hat einen herbstlichen Strauß auf den schlichten Altar gestellt. Und daneben eine weiße Stumpenkerze. Hat er hier gekniet? Götz von Berlichingen war ein frommer Mann und das hier war sie nun mal: seine kleine Burgkirche. Sehr wahrscheinlich also, dass er in ihr seine zweite Frau Dorothea Gailing von Illesheim heiratete, seine Kinder taufen ließ und selbst betete. Vielleicht auch zur Statue der Heiligen Odilie, die hier einst stand, der Schutzpatronin der Blinden. Denn nach und nach verlor der wohl letzte berühmte Raubritter des Mittelalters auf dem Hornberg sein Augenlicht.
Auf der Burg hoch über dem Neckar, die er 1516 kaufte und auf der er im stattlichen Alter von 82 Jahren 1562 starb, gibt es einige Orte, die von Götz erzählen. Über der Kapelle liegt „sein Wohnzimmer“, wie Dajo von Gemmingen-Hornberg den großen Raum mit seinem mächtigen Kamin lächelnd nennt, der erst kürzlich wieder ein Dach hat. Diktierte er auf der Oberen Burg dem Neckarzimmerner Patronatspfarrer Georg Gottfried seine berühmte Lebensgeschichte, die später Goethe zu einem Schauspiel verarbeitete? Unwahrscheinlich ist es nicht.
In der Unteren Burg haben die heutigen Besitzer, der Baron Dajo und seine Frau Daniela, dem Raubritter ein kleines Museum eingerichtet. Hier erinnern Stiche an ihn, Waffen oder ein früher Druck von Goethes Schauspiel von 1784. Und natürlich seine 30 Kilogramm schwere, maßgeschneiderte Rüstung. Selbst sein Siegelring hat sich an dem Ort erhalten, der Forscher:innen mit seinem Bergfried, den Toren und Wohnbauten als „Musterburg“ gilt. „Die perfekte Burg war für ihn eine uneinnehmbare“, erklärt es der Baron, der in den Handläufen des Treppenturms als Kind einst Murmeln kullern ließ – damals war die Obere Burg für ihn ein riesiger Abenteuerspielplatz. Ihre Wehrhaftigkeit erinnert aber auch daran, wie sehr Götz, der mit Anfang 20 auf dem Schlachtfeld seine Hand verlor, Zeit seines Lebens in unzählige Fehden verstrickt war. Nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen der Bauernkriege.
Erkunden kann man seine Anlage auf den steilen Kalkfelsen, die vor einigen Jahren in einem enormen Kraftakt auch mit Fördermitteln, aber nicht zuletzt durch die Familie saniert wurde, auf eigene Faust. Aber sie ist eben auch das Zuhause des Burgpaars und ihrer beiden Kinder, die das Areal nun in zwölfter Generation bewohnen. Und deren Familie selbst eine lange, eindrucksvolle Geschichte hat – derer von Gemmingen-Hornberg.