Ein erfolgreicher Balanceakt zwischen Tradition und Moderne: wie die Freiherren von Gemmingen-Guttenberg die Burg Guttenberg im Neckartal in die Zukunft navigieren.

Der Seeadler hebt ab. Die Zuschauer halten den Atem an, als das mächtige Tier nur knapp über die Köpfe streicht und der Flügelschlag für Sekundenbruchteile hautnah zu spüren ist. Elegant dreht der Greifvogel jetzt seine Runden über Burg Guttenberg, um schließlich nach spektakulärem Sturzflug direkt auf dem Arm des Falkners zu landen. Applaus. Das Publikum ist beindruckt – wie jeden Tag.

Täglich, von Anfang März bis Ende Oktober und bei fast jedem Wetter, trainiert das „Bodenpersonal“ der Deutschen Greifenwarte auf Burg Guttenberg mit Adlern, Geiern und Uhus und bietet Flugvorführungen an.

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Uhu Tobi ist einer von 70 Greifvögeln, die auf der Burg leben.

Hier oben, hoch über den Dächern der Gemeinde Haßmersheim, lässt sich aber nicht nur der Flug majestätischer Greifvögel erleben. Die mittelalterliche Burg Guttenberg liegt exponiert auf einem Bergsporn zwischen dem Neckar- und Mühlbachtal – und steht für einen gelungenen Wandel zwischen Tradition und Moderne. Hier müssen keine Angreifer abgewehrt werden. Vielmehr geht es darum, offen zu sein und die Burg für kommende Generationen zu erhalten. „Die nachhaltige Entwicklung spielt bei uns eine wichtige Rolle. Wir wollen Angebote schaffen, die zu uns passen“, erklärt Burgherrin Silke von Gemmingen-Guttenberg.

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Die Freiherren leben in der 15., 16. und 17. Generation auf der Stauferburg. In der Gegenwart navigieren Silke und Bernolph von Gemmingen-Guttenberg ihr Anwesen mit modernen Mitteln in die Zukunft. Tatsächlich wirken die Burgbewohner ganz „normal“, kommunizieren digital und berichten gern darüber, wie es sich so anfühlt, mit einer sechsköpfigen Familie auf einer Burg zu leben, die bereits im Jahr 1449 von den Urahnen erworben wurde.

Gabriele Freifrau von Gemmingen-Guttenberg, die Mutter des heutigen Burgherren, hat schon früh erkannt, dass die Zukunft der Stauferburg von Besuchern geprägt sein würde. Das zeigt sich unter anderem daran, dass schon 1949 ein Burgmuseum eröffnet wurde. Ein ausgefeiltes pädagogisches Konzept bietet heute Einblicke in das „Leben auf der Ritterburg“. Jeder Raum ist einer Epoche und einem Burgbewohner aus dieser Zeit gewidmet – um zwischen der mächtigen Schildmauer und dem Bergfried anschaulich zu zeigen, wie sich das Leben hier früher abspielte. Dass das Museumskonzept aufgeht, beweisen rund 30.000 Besucher pro Jahr.

Vielleicht liegt es auch daran, dass eine Familie, die seit Generationen einen „alten Kasten“ bewohnt – wie Silke von Gemmingen-Guttenberg augenzwinkernd sagt – sich den Themen Heimat und Region besonders verpflichtet fühlt. Jedenfalls lassen die Burgbewohner keine Sekunde daran zweifeln, dass für sie ein Leben anderswo unvorstellbar ist.

„Es hat einfach gepasst – von Anfang an.“

„Wir schätzen die Menschen hier und die liebliche Landschaft“, schwärmt Bernolph von Gemmingen-Guttenberg. Vor allem die Mischung aus romantischer Natur und passender Infrastruktur, aus Lebenslust und der Lebenskunst der Menschen sei besonders. „Die Leute hier sind freundlich, aber auch sehr offen– das gefällt mir gut“, sagt Silke von Gemmingen-Guttenberg, die „bürgerlich“ aufgewachsen ist und eigentlich aus Bielefeld stammt. Nein, schwer habe sie es in ihrer neuen Heimat in der Metropolregion Rhein-Neckar nicht gehabt: „Es hat einfach gepasst – von Anfang an.“

Es passte auch für einige namhafte Persönlichkeiten wie den Dichter Wilhelm Hauff, der sich hier im 19. Jahrhundert zu seiner Novelle „Das Bild des Kaisers“ inspirieren ließ. Und es passt heute für Besucher aus dem In- und Ausland, für welche die einst abgeschottete Burg zu einem öffentlichen Ort geworden ist. Haßmersheim am Neckar, das früher stark vom Schiffsverkehr geprägt und häufig von Hochwasser bedroht war, bildet mit der Burg ein Ensemble romantischer Schönheit, was Touristen ebenso zu schätzen wissen wie Schüler auf Klassenfahrt. Und zur Burgromantik passen Veranstaltungen wie ein ritterliches Silvestermahl oder die mittelalterlichen Hochzeitsfeiern im Burg-Restaurant. Und selbstverständlich: stilvoll und gediegen heiraten und feiern kann man auf Burg Guttenberg auch.

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Der Eingang zur Entdeckungsreise in die Vergangenheit: Das Burgmuseum.

Die Attraktion des Burgmuseums ist dagegen ein Fall für Liebhaber: eine Holzbibliothek – hinter UV-Schutzverglasung luftdicht verwahrt. Die berühmte Guttenberg’sche Xylothek – wie der Fachbegriff lautet – stammt von dem Botaniker und Forstwissenschaftler Carl von Hinterlang, der um 1790 hölzerne „Datenträger“ sammelte. Jedes einzelne Exemplar der 93 Bände wirkt auf den ersten Blick wie ein Buch. Tatsächlich sehen die Holzkästen auch so aus und lassen sich entsprechend öffnen; aber der Betrachter sieht statt Seiten Wurzeln, kleine Äste, Blätter oder Tannenzapfen unterschiedlicher Bäume, die Buchrücken bestehen aus Rinde. Der deutsche Wald in 93 Bänden im Bücherregal – das ist auch im Jahr 2016 noch kurios und faszinierend zugleich. Im 18. Jahrhundert hatte es einen ernsthaften wissenschaftlichen Anspruch: Zur Zeit der Aufklärung wurden, als der Naturbegriff gerade neu definiert war, Tiere und Pflanzen erstmals systematisch erforscht und dokumentarisch erfasst. Und zu dieser Zeit, als viele Wälder Rodungen zum Opfer fielen, war eine Holzbibliothek ein modernes Kommunikationsmedium, um der Zerstörung des Waldes entgegenzuwirken.

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Die berühmte Guttenberg’sche Xylothek von Botaniker und Forstwissenschaftler Carl von Hinterlang. Der deutsche Wald in 93 Bänden.

Und auch mit der Deutschen Greifenwarte zeigt sich auf Burg Guttenberg die Balance zwischen Tradition und Moderne. Seit 1970 nimmt sie wissenschaftliche Aufgaben wahr und bietet rund 60.000 Besuchern pro Jahr einen faszinierenden Einblick in das Leben von Adlern, Falken, Uhus und Geiern.

Verantwortlich für die ständige Erweiterung des Angebots ist der 53 Jahre alte Burgherr Bernolph von Gemmingen-Guttenberg. „Immer mehr Menschen interessieren sich für die Welt der Greifvögel. Dem wollen wir gerecht werden“, sagt der Mann, der die Arbeit mit den Tieren von Kindesbeinen an kennt. Inzwischen belegen auch Unternehmen und Manager die angebotenen Trainings, ein Fokus liegt auf dem Thema Nachhaltigkeit. Denn neben dem Tourismus ist auch die Holzwirtschaft ein wichtiger Geschäftsbereich des Unternehmens Burg Guttenberg. Die Burgherren bewirtschaften seit Generationen einen Forst, der eine Fläche von 400 Hektar umfasst.

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Der Steinadler darf natürlich bei keiner Flugshow fehlen.

„Hätten unsere Vorfahren nicht bestimmte Bäume gepflanzt, würde der Wald heute anders aussehen“, gibt der Burgherr zu bedenken. Dass sich nachhaltig geprägtes Wirtschaften lohnt, leuchte auch Managern ein, die sich gewöhnlich mehr für Quartalsergebnisse interessierten. „Sehr lebendige Veranstaltungen“ nennt der Freiherr die Seminare, bei denen Führungskräfte einem Bussard beim Jagen zusehen, Bäume pflanzen oder Hochsitze bauen.

Und auch für Schüler aus Städten wie Mannheim oder Heidelberg eröffnen sich bei Klassenfahrten neue Perspektiven. „Die Kinder und Jugendlichen erleben einen Greifvogel hautnah, sie können ihn halten und über das Gefieder streicheln“ sagt Bernolph von Gemmingen-Guttenberg und fügt lächelnd hinzu: „Das Leben auf einer Burg ist halt keine Spielkonsole“.

 


www.burg-guttenberg.de

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