Im Mannheimer Schloss spielt die Musik! Der Erlebnisraum für Hofmusik macht die Glanzzeit der Hofkapelle unter Kurfürst Carl Theodor lebendig und erzählt Geschichte(n) über die Musik. Konservatorin Dr. Uta Coburger hat den Raum konzipiert – und dafür sogar Musikstücke durch ganz Europa verfolgt.

Prunkvoll ist der Trabantensaal des Mannheimer Schlosses schon im ruhigen Zustand. Mit dem Oval aus eleganten weißen Holzstühlen und der pastellfarbenen Stuckdecke. Den zwei großen Standuhren und dem Kronleuchter, der in der Mitte schwebt und sein Licht großzügig im Raum verteilt. Uta Coburger geht zu einem der Stühle und steckt einen Lautsprecher in die Station. Wenige Sekunden später erfüllt Musik den Raum. Die Sinfonie in g-Moll von Anton Fils. Ein Stück der „Mannheimer Schule“, die vielleicht schon vor 300 Jahren hier zu hören war. Mit einem großen Orchester, vielen Streichern, einem vollen Klang.

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Akustisch und optisch ein Erlebnis: Mit Konservatorin Dr. Uta Coburger im „Erlebnisraum Hofmusik“

Die Musik verändert den Raum, sie macht ihn noch einmal größer, prunkvoller, strahlender. Dann wird das Orchester leiser, zarter – nur um im nächsten Moment wieder zu voller Lautstärke anzuschwellen. „Die berühmte ‚Mannheimer Walze‘“, erklärt Uta Coburger. „Das war ein typisches Stilmittel der Mannheimer Schule. Dieses ausgedehnte Crescendo. Beeindruckend, oder?“

Prunkvoll ist der Trabantensaal auch ohne Musik. Aber mit ein Erlebnis.

Seit März 2021 hat die Musik im Mannheimer Schloss einen eigenen Raum. Bisher war die berühmte Hofkapelle in der Dauerausstellung wenig präsent. Wie überhaupt die glanzvolle Zeit der pfälzischen Kurfürsten. „Dabei war das die Zeit, in der das Mannheimer Schloss wirklich eine herausragende Stellung in Europa hatte“, erzählt Uta Coburger. Seit 2017 ist sie Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und zuständig für die Schlösser in Mannheim und Heidelberg – und längst heimisch in der Geschichte der großen Bauwerke. 1720 legte Kurfürst Carl Philipp den Grundstein für das Barockschloss, das eines der größten Schlösser Europas werden sollte. Sein Nachfolger Carl Theodor baute es weiter aus. Der große Musikfan förderte zudem die Kunst, gründete die Mannheimer Akademie der Wissenschaften und machte das Schloss und die Sommerresidenz in Schwetzingen zu einem kulturellen Zentrum in Europa, das zahlreiche Künstler, Philosophen und Musiker anlockte.

„Diese Zeit ist leider kaum noch erlebbar“, sagt Uta Coburger. „Es ist so gut wie nichts aus dem 18. Jahrhundert erhalten.“ Spätere Epochen ließen sich viel leichter rekonstruieren – auch deshalb sind die Räume in der Beletage des Schlosses derzeit eingerichtet wie im 19. Jahrhundert. „Als ich 2017 hier anfing, war das dann eine meiner großen Aufgaben: Die Blütezeit des Mannheimer Schlosses für Besucher wieder lebendig zu machen.“ Für sie eine schöne Herausforderung – und ein idealer Übergang von ihrer früheren Stelle.

Ich wollte einen Raum zum Entspannen – und zum Musikhören.

Uta Coburger

Uta Coburger ist Kunsthistorikerin, ihr Fachgebiet: das Barock. Die Epoche fasziniert sie, weil sie so widersprüchlich ist – zwischen Prunk und Pomp und bahnbrechenden Erfindungen. „Es war eben nicht alles nur ‚schöner Schein‘“, sagt sie. „Nur schöner Schein?“ lautete auch der Titel der Ausstellung, die sie für die Reiss-Engelhorn-Museen 2016 kuratierte. Neun Jahre arbeitet sie bei den rem, mit der Barockausstellung endete ihr letzter Projektvertrag. „Genau zu dieser Zeit wurde die Stelle als Konservatorin frei und da ich in der Region bleiben wollte, hab‘ ich mich sofort beworben und mich sehr gefreut, als es geklappt hat.“ Und sie so auch weiter beruflich in die Barockzeit eintauchen konnte.

Uta Coburger taucht gerne tief in die Geschichte ein.

Doch wie macht man eine Zeit erlebbar, ohne auf einen Fundus an Ausstellungsstücken zurückgreifen zu können? „Ich habe zum Glück Matthias Kohl kennengelernt, ein Geigenbaumeister aus Heidelberg. Er erzählte mir, dass er Originalinstrumente aus der Zeit habe.“ Coburger war begeistert – für sie war schnell klar, dass es das zentrale Puzzlestück ihrer Ausstellung wird. „Ich habe mir das Konzept dann um die Musikinstrumente herum überlegt.“ Unterstützt hat sie dabei Dr. Bärbel Pelker, die an der Heidelberger Akademie lange zur kurpfälzischen Hofmusik geforscht hatte.

Eine Geige mit Löwenkopf – ein typisches Merkmal im 18. Jahrhundert.

Coburger wollte keinen klassischen Museumsraum. „Ich wollte vor allem einen Ort, an dem man sich auch mal in Ruhe hinsetzen und entspannen kann“, sagt sie. Space4 aus Stuttgart hat ihr Konzept dann in den Raum umgesetzt. Jeder Stuhl ist nun eine eigene Musikstation. „Wer wenig Zeit hat, kann einfach nur durchgehen und den Text auf den Notenblättern lesen“, erklärt Coburger. „Wer mehr Zeit hat, kann sich einen Kopfhörer nehmen und auf jedem Stuhl mehr über das Thema oder die jeweilige Person und ihre Lieblingsmusik erfahren.“ Musikexpertin Bärbel Pelker suchte für jede Station die passende Musik aus – und Uta Coburger machte sich dann auf die Suche nach Aufnahmen. „Das war teilweise wie eine Schnitzeljagd. Eine Aufnahme haben wir zum Beispiel in einem Musikladen in Toulon entdeckt – die gab es wirklich nur da und ging dann erstmal prompt in der Post verloren.“ Es dauerte lange, bis alle Musikstücke beisammen und alle Rechte geklärt waren. „Aber der Aufwand hat sich wirklich gelohnt.“

Wer will, kann auch durch den Raum tanzen…die Anleitung dazu gibt es auf dem Teppich.

Auf dem Teppich führen Tanznotationen durch die Ausstellung. Zuerst zu den großen Förderern wie den Kurfürsten, aber auch zu Anna Maria Luisa de’ Medici. Sie war die Ehefrau von Kurfürst Johann Wilhelm, dem älteren Bruder von Carl Philipp, und verfügte in ihrem Testament, dass eine jährliche Stiftung an die Kurpfälzer Hofmusik ging. Sie legte damit den Grundstein zu einer großen Erfolgsgeschichte. Denn mit dem Geld baute Kurfürst Carl Theodor ein einzigartiges System auf, das sich bald als „Mannheimer Schule“ europaweit einen Namen machen sollte. Uta Coburger führt zum Stuhl der Hofkapelle. Auf dem Tisch daneben erklären aufeinandergestapelte Gulden das Besoldungssystem. „Die Musiker, Sänger und Sängerinnen wurden wirklich gut bezahlt“, sagt die Kunsthistorikern. Wer besonders fleißig war, unterrichtete oder viel komponierte konnte sich noch etwas dazuverdienen. Begabte Schüler und Schülerinnen bekamen großzügige Stipendien. Innerhalb weniger Jahre wurden die Kurpfälzer so zu einer der größten, besten und innovativsten Hofkapellen Europas. Die Anstellungen waren begehrt – so begehrt, dass selbst für einen Wolfgang Amadeus Mozart keine frei war.

Wäre gerne in Mannheim geblieben – aber es war keine Stelle frei für Wolfgang Amadeus Mozart.

„Hier, das war eine meiner überraschendsten Entdeckungen“, sagt Coburger und geht zu einem Bildschirm. „Heute ist es selbstverständlich, dass ein Orchester einen einheitlichen Bogenstrich hat – aber eingeführt hat das zuerst Kapellmeister Christian Cannabich in Mannheim.“ Sie spielt ein Video ab, auf dem das Kurpfälzische Kammerorchester sich durch ein Stück holpert. „Wir brauchten mehrere Anläufe für das Video. Sie mussten sich wirklich große Mühe geben, so falsch zu spielen.“ Uta Coburger lacht und spielt ein weiteres Video ab. Jetzt sieht der Bogenstrich nicht nur einheitlich aus – das gesamte Orchester klingt voller und brillanter. „Faszinierend, oder?“

Das Kurpfälzische Kammerorchester demonstriert den einheitlichen Bogenstrich.

Sie liebt es, andere Menschen für die Themen zu begeistern, die ihr am Herzen liegen. Auch bei der zweiten großen Neuerung im Mannheimer Schloss, einer virtuellen Konstruktion. Per Video und Virtual-Reality-Brillen können Besucher:innen hier das verlorene Paradeschlafzimmer von Kurfürst Carl Philipp erkunden. „Alles was wir haben aus dieser Zeit sind Inventarlisten“, sagt Coburger. Aus Bruchstücken von Informationen rekonstruierte sie mit ihrem Team dann das Schlafzimmer. Auch das liebt sie an ihrer Arbeit, die Recherche, das Wühlen in der Geschichte. Weil auch in der Vergangenheit immer Neues und Überraschendes wartet.


www.schloss-mannheim.de

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