Das Team von Torpedo Ladenburg gehört zu den besten in der Geschichte des Powerchair Hockey, einer Variante des Hallenhockeys, die Menschen mit körperlichen Behinderungen in Elektro-Rollstühlen spielen. Der Sport ermöglicht den Athlet:innen, was für die meisten selbstverständlich ist: Sich auf Augenhöhe mit anderen messen zu können – und stolz zu sein auf den eigenen Erfolg.

Trainer Deniz Genc liegt auf dem Boden. Auf einer weißen Tafel schiebt er bunte Magnete hin und her. „Das sind Fehler, die dürfen nicht passieren“, schärft er seiner Mannschaft ein und wirft einen eindringlichen Blick in die Runde. In der Sporthalle der Manfred-Sauer-Stiftung in Lobbach trainiert gerade das Hockeyteam von Torpedo Ladenburg: Zehn Spieler:innen, die in ihren Elektro-Rollstühlen einem weißen Ball hinterherjagen. Konzentriert folgen sie Gencs Ausführungen – nicht abdrängen lassen, Lücken schließen, das Tor nicht freigeben! Dann pfeift der Trainer in seine Trillerpfeife. Mit quietschenden Reifen schießen die Spieler:innen los. Unter ihren Rädern dröhnt der Boden. Sie bremsen abrupt ab, drehen sich um die eigene Achse, fahren in Windeseile nach vorne und zurück, rempeln sich an – und schließlich landet der Ball im Tor. „Klasse, Jessi!“, lobt Genc. Die Spieler:innen klatschen sich mit ihren Schlägern ab.

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Rasant und erfolgreich: Trainingsbesuch beim Hockeyteam von Torpedo Ladenburg.

„Es ist schon eher ein härterer Sport“, sagt Jörg Diehl, als das Team kurze Zeit später eine Pause einlegt. Seit 1999 spielt er für Torpedo Ladenburg, einen der erfolgreichsten Vereine in der Geschichte des Powerchair Hockey, der Ende der 1980er aus einer AG an der Ladenburger Martinsschule hervorging. „Wir sind in Deutschland Rekordmeister in der Bundesliga“, erklärt Diehl und zählt auf: Achtmal Deutscher Meister seien sie geworden, sechsmal Sieger des Euro Cup, dazu haben sie etliche weitere Male bei nationalen und internationalen Turnieren gewonnen. Gerade trainieren sie für den nächsten Spieltag in der Zweiten Bundesliga – Saisonziel: Wieder in die Erste aufzusteigen, in der die Torpedos vor Corona spielten. Weil unklar war, ob der Spielbetrieb in Deutschland in der Pandemie weitergehen würde, wechselten sie 2021 in die Schweizerische Nationalliga. Nun wollen sie zurückkehren und kämpfen sich nach oben. Nach dem ersten von drei Spieltagen führen sie die Tabelle an.

Jörg Diehl in Aktion. Seine Beziehung zum Sport beschreibt er als „Liebe auf den ersten Blick“.

„Ich mag es nicht, zu verlieren. Selbst beim Kartenspielen“, räumt Diehl ein. 2010 holte er mit der deutschen Nationalmannschaft den Weltmeistertitel – neun Mal wurde er Deutscher Meister. „Der Sport hat mir alles gegeben“, betont er. Seit den 1980ern wird Powerchair Hockey in Deutschland gespielt. Es ähnelt dem Floorball, einer Hallenhockeyvariante. Je nach Stärke des Rumpfes und Kraft in den Armen erhalten die Spieler:innen eine Punktzahl zwischen 0,5 (sehr eingeschränkt) und 4,5 (kaum eingeschränkt). Für jedes Team sind fünf Personen auf dem Feld – gemeinsam dürfen sie maximal zwölf Punkte erreichen.

Jörg Diehl hat eine Klassifizierung von 0,5. Weil er den Hockeyschläger nicht selbst halten kann, spielt er mit einem sogenannten T-Stick – einem Anbau, der vorne am Rollstuhl befestigt ist. Wie ein Spieler zweiter Klasse fühlt Diehl sich trotz der niedrigen Klassifizierung nicht: Unter den Spielern mit T-Stick gehört er zu den besten. „Ich halte alle Rekorde auf meiner Position. Obwohl ich körperlich schwach bin, bin ich für die Mannschaft sehr wichtig.“

Der Sport hat mir alles gegeben

Jörg Diehl über Powerchair Hockey

Diehl ist in Mainz geboren, wohnt heute in Mannheim und arbeitet in der Buchhaltung beim ZDF. Mit E-Hockey – wie der Sport damals noch hieß – kam er schon in der Schule in Berührung. Mit zwei Mitschülern spielte er in den Pausen im Dreieck. Weil er gerade erst einen neuen E-Rollstuhl bekommen hatte, wollten seine Eltern (beide Volleyballer) aber nicht, dass er ins Training geht – aus Angst, der Rollstuhl könnte Schaden nehmen. Als er ans Wirtschaftsgymnasium der SRH nach Neckargemünd wechselte, ging er dann doch heimlich hin. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert er sich. Das erste Tor und das erste Turnier sind ihm noch genauso präsent wie das berauschende Gefühl, endlich selbst auf dem Platz zu sein, statt nur zuzuschauen. Bei den Torpedos lernte er außerdem seine Frau kennen. Olga Diehl spielt im Tor. Mittlerweile vergehe kein Tag, an dem die beiden nicht irgendetwas für den Verein zu tun hätten, erzählt ihr Mann.

Mit bis zu 15 Stundenkilometern flitzen die Spieler:innen über das Feld.

Zum Beispiel auf die Suche nach Sponsoren zu gehen – und die ist leider zäh. Für bundesweite Unternehmen seien die Zuschauerzahlen zu unattraktiv, erklärt Diehl. Lokale Unternehmen zögerten hingegen, weil das Team maximal einmal pro Saison in der Region spielt. Denn anders als in der Fußballbundesliga trifft sich die Powerchair-Hockey-Liga an jedem Spieltag an einem Ort, um ein Mini-Turnier auszutragen. Weil die Torpedos zurzeit keinen Sponsor haben, zahlen die Spieler:innen Fahrt und Übernachtung häufig selbst. Diehl schätzt, dass er in den vergangenen 25 Jahren einen mittleren fünfstelligen Betrag in sein Hobby investiert hat – einen großen Teil davon in den Rollstuhl. Die Powerchairs kosten um die 20.000 Euro. Sie sind speziell für diesen Sport konstruiert, haben zum Beispiel Protektoren im Fußbereich und insgesamt sechs Räder. Die beiden großen stehen schräg, damit der Rollstuhl nicht umkippt – immerhin dürfen die Spieler:innen mit bis zu 15 Kilometern pro Stunde über das Spielfeld flitzen.

Die Elektro-Rollstühle sind speziell für den Sport konstruiert.

Die Krankenkassen bezahlen ein solches Sportgerät in der Regel nicht. Einige Rollstühle konnte der Verein über Spenden, mit Förderungen und durch ein Crowdfunding finanzieren. Auch eine feste Halle haben die Torpedos seit ihrer Gründung im Jahr 1988 nicht gefunden. „Wir sind Nomaden“, bedauert Jörg Diehl. Einmal im Monat trainiert die Hockeymannschaft in der Halle in Lobbach, dazwischen meist beim TSV Mannheim. Die Hallensituation sei schon für Nicht-Behinderte schwierig, Hallen mit barrierefreiem Zugang kaum zu finden. Rund 60 Mitglieder zählt der Verein zurzeit. Knapp die Hälfte von ihnen spielt aktiv, die meisten von ihnen Hockey. Seit 2022 haben die Torpedos außerdem eine Abteilung für Powerchair Football. Das sei etwas weniger anspruchsvoll als das sehr schnelle und komplexe Hockey, erklärt Diehl. „Und außerdem ist Deutschland ein Fußballland.“

Mit der Football-Mannschaft wäre Diehl gerne noch einmal erfolgreich. Aus dem Hockey hingegen will er sich nach und nach zurückziehen und sich noch mehr um die Jugend kümmern. Erst kürzlich konnten die Torpedos sechs Nachwuchsspieler:innen gewinnen. Wenn Diehl beobachtet, was es für sie bedeutet, dass sie sich auf dem Platz beweisen können, freut ihn das mittlerweile mindestens genauso sehr wie ein Sieg in der Bundesliga. Dass alle – und nicht nur die besonders Talentierten – mitmachen können, ist ihm wichtig. Geschenkt bekommt man bei den Torpedos trotzdem nichts: „In der Liga muss es laufen“, unterstreicht der Nachwuchstrainer. „Wenn man gewinnt, weiß man dann aber auch: Das habe ich mir selbst erarbeitet. Und das finde ich ein wichtiges Gefühl.“


www.torpedo-ladenburg.de

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