Das Schwetzinger Schloss und der Schlossgarten können viele Geschichten erzählen. Von englischer und französischer Gartenkunst, oder vom Leben am Hofe einer kurfürstlichen Sommerresidenz. Aber auch unbekanntere Geschichten von den Menschen, die hier dafür sorgen, dass die Lust auf den Schlossgarten niemals verblüht.
Lange haben sich die weißen Hirsche und die anderen Brunnenfiguren unter weißen Holzabdeckungen vor der winterlichen Kälte versteckt. Doch wenn erste, zaghafte Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch den Garten bahnen und an den Bäumen die ersten Knospen aufplatzen, sind morgens manchmal mehr Mitarbeiter als Besucher unterwegs. Hier wird ein Beet gerichtet, dort eine Brunnenleitung neu verlegt – denn mit steigenden Temperaturen ist hier bald wieder die Hölle los. An Ostern und natürlich den ganzen Sommer über wird der Schlossgarten zu einer Arena der Gartenlust. 725.000 Menschen lustwandelten 2016 durch Schloss und Garten, mal wieder mehr als in den Jahren zuvor.
Sandra Moritz, die Leiterin der Schlossverwaltung in Schwetzingen, sie mag beides: die Ruhe der Nebensaison und den Trubel im Frühling und im Sommer. „Der Wechsel ist perfekt“, sagt sie. Ihre liebste Jahreszeit allerdings ist der Herbst. Es ist die einzige Zeit, in der sie selbst mal Zeit findet, durch den Garten zu wandeln, und dann führt sie ihr Weg fast immer zum Minerva-Tempel, mit seinen weißen, korinthischen Säulen. „Wenn frühmorgens noch die Nebelschwaden um den Tempel ziehen – das hat etwas Verwunschenes“, schwärmt Sandra Moritz. Sie hat wenig mit dem Bild zu tun, das man von einer Verwalterin haben könnte. Statt einem biederen Business-Outfit trägt sie weite Hosen, coole Stiefel, die Haare sind kurz geschnitten. Ihre Schritte sind fest, der Händedruck auch. Sie lacht viel und gern – und bei jedem Wort, bei jeder Geste merkt man: Diese Frau ist hier mit viel Energie und noch mehr Herzblut dabei. „Wie jeder hier“, sagt sie und gerät ins Schwärmen über ihre 35 „absolut außergewöhnlichen“ Mitarbeiter, ohne die es hier im Garten alles andere als lustig zuginge.
Außergewöhnlich zu sein – das passt auch zu Wolfgang Schröck-Schmidt. Seit über 25 Jahren ist er Teil des Schlossgarten-Teams. Als Student der Kunstgeschichte fing er hier als Schlossführer an und wollte dann nie wieder weg. „Die kriegen mich auch nicht mehr los“, sagt er trocken. Mit ihm durch Schloss und Garten zu gehen, hat etwas von einer Zeitreise. Und am liebsten reist er ins 18. Jahrhundert, als Carl Theodor (1724 – 1799) hier residierte und die gesamte Kurpfalz eine Blütezeit erlebte.
Diese Blütezeit, so sieht es Schröck-Schmidt, hat ihren Ausgangspunkt im Kabinett des Kurfürsten, einem vergleichsweise kleinen Raum mit schimmernden Tapeten mit barockem Blumenmuster. „Das war einer der ersten privaten Räume dieser Zeit. Privatsphäre war für die Menschen damals etwas ganz Neues.“ Bei Pflichtterminen, lernen wir, empfing der Kurfürst seine Gäste im Schlafzimmer. „Hier, im Kabinett, hat er die Leute empfangen, die er mochte.“
Wolfgang Schröck-Schmidt lässt die Personen lebendig werden, lässt sich die Besucher im Kopfkino ausmalen, wie Carl Theodor hier auf dem Kanapee sitzt, angeregt mit Voltaire diskutiert und revolutionäre Ideen entwickelt.
„Die Abschaffung der Folter, die Landwirtschafts-Reform, die Gründung der Akademie der Wissenschaften – das alles fällt in seine Regentschaft.“ Keine Frage: Kulturell erlebte die Kurpfalz damals eine Hochzeit. Der Kurfürst förderte neue Kunst- und Musikformen. Zahlreiche Künstler, Musiker, Dichter und Philosophen besuchten das Schwetzinger Schloss, darunter Wolfgang Amadeus Mozart und Friedrich Schiller.