Auf steilen sieben Hektar Grundfläche leben Bewohner aus fünf Kontinenten. Manche seit fast 60 Jahren, die meisten von ihnen auf vier Beinen und alle ganz schön glücklich. Willkommen im Bergtierpark Fürth-Erlenbach.

2.715 Meter durch den längsten einröhrigen Straßentunnel in Mitteleuropa außerhalb der Alpen – und man ist in einer anderen Welt. Wer von der oberrheinischen Tiefebene aus durch den „Saukopftunnel“ den Westkamm des Odenwalds unterquert, landet in der „Odenwaldhölle“ – wie die FAZ die Gegend vor einigen Jahren in einem Essay titulierte. Das Echo der Entrüstung und der Heimatliebe hallt bis heute nach – und die Identitätsstiftende Wirkung der höllisch schönen Odenwälder Mittelgebirgs-Topographie lässt sich auch im Bergtierpark Fürth-Erlenbach eindrucksvoll erfahren.

„Hier gibt’s nur Tiere, die in ihrer Heimat auch im Gebirge leben. Sie brauchen abschüssiges Gelände, damit es ihnen gut geht. Deshalb fühlen sie sich im Odenwald besonders wohl. Der viele Nachwuchs im Tierpark ist der Beweis dafür.“ Volker Bitsch trägt den Schlapphut tief ins Gesicht gezogen, er ist sein Markenzeichen. Auch die Weste mit den vielen Taschen signalisiert: Hier spricht ein richtiger Wildpark-Ranger. Seit fast zehn Jahren kommt er so oft es geht aus dem Fürther Rathaus herübergefahren, um hier nach dem Rechten zu sehen. Als Leiter des Verkehrsamtes fallen viele Aufgaben in seine Verantwortung, aber diese liegt ihm ganz besonders am Herzen.

Gleich hinter dem Eingang leben die Berberaffen, die bei Besuchern besonders hoch im Kurs stehen. Mit Erdnüssen vom Kiosk dürfen die flinken Primaten sogar gefüttert werden. „Das ist die einzige freilebende Affenart in Europa. Die bevölkern zu Hunderten den Felsen von Gibraltar. Der Legende nach bleibt der Landzipfel solange in britischer Hand, wie er von ihnen bevölkert wird. Man erzählt sich, dass die Engländer kräftig für Nachschub sorgen, damit das auch so bleibt.“ Vom Aussterben bedroht ist die Odenwälder Population absolut nicht, das Affengehege ist jedoch schon ein wenig in die Jahre gekommen. Ein Problem, dessen sich Volker Bitsch und sein Team längst angenommen haben. Nur wenige Meter bergaufwärts entsteht gerade ein mit EU-Mitteln teilfinanziertes weitläufiges, modernes Gehege, in dem die Tiere schon bald ein neues Zuhause finden werden. „Das wird ein spannendes Experiment, wir bringen die Berberaffen gemeinsam mit den Mähnenspringern unter. Beide Tiere stammen ursprünglich aus Nordafrika und sollten sich bestens miteinander verstehen.“ Die ziegenähnlichen Paarhufer mit dem imposanten Brusthaar grasen friedlich nebenan und ahnen noch nichts von ihrem bevorstehenden WG-Leben. In anderen Tierparks soll es bei ähnlichen Versuchen schon zu rasanten Rodeo-Szenen zwischen den beiden Arten gekommen sein.

Tiere aus allen Kontinenten der Welt leben hier im Odenwald friedlich zusammen. Manchmal trägt die animalische Koexistenz in der Gebirgsidylle allerdings überraschende Früchte. Internationale Aufmerksamkeit erlangte der Bergtierpark im Jahr 1980. Eine Zebrastute gebar ein Fohlen, wie es Zoologen nur ganz selten zu sehen bekommen. Zur Überraschung der Tierpfleger war das Jungtier dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Der war allerdings kein afrikanischer Zebrahengst, sondern ein Odenwälder Esel aus dem Nachbargehege. „So ein Ebra ist eine ganz seltene Kreuzung. Zebrastuten sind sehr wählerisch bei der Partnerwahl. Die beiden Tiere müssen sich über die Jahre aneinander gewöhnt haben. Das war keine spontane Leidenschaft, sondern langjährige Sehnsucht. Eines Nachts war das Gatter nicht richtig verriegelt und die beiden haben zueinander gefunden.“ Tierpfleger Josef Unger schmunzelt, wenn er von dem Zebroid berichtet, der das stolze Alter von 29 Jahren erreichte. Mittlerweile ist das präparierte Tier eine Hauptattraktion im Naturhistorischen Museum Mainz.

Josef Unger und sein Kollege Robert Hechler achten inzwischen penibel darauf, dass sich derartige Seitensprünge nicht wiederholen. Keiner ihrer Schützlinge darf ausbüxen, sonst droht dem Bergtierpark eine Menge Ärger. „Viele Arten sind in den letzten Jahren als invasiv klassifiziert worden. Die würden sich auch bei uns in freier Wildbahn prächtig zurechtfinden. Wenn die sich ungebremst vermehren, würden sie zu einem gewaltigen Problem für die heimische Fauna. Bestes Beispiel ist der nordamerikanische Waschbär, der auch hier bei uns lebt. Die sind beispielsweise im Großraum Kassel zu einer richtigen Plage geworden.“

Die Täler und Berge des Odenwaldes scheinen eine beruhigende Wirkung auf die Exoten zu haben. Känguru-Mütter kümmern sich hier voller Hingabe um ihren Nachwuchs, Emus mustern neugierig die Besucher, Yaks faulenzen auf der Weide und patagonische Maras, die aussehen wie langbeinige Meerschweinchen, flitzen den Hang in ihrem Gehege hinab.

Ein Lama-Hengst baut sich mit geschwollener Brust und voller Anspannung am Zaun seines Reviers auf. Während sich die Besucher noch über das Machogehabe wundern, stolpert mit tollpatschigen Schritten ein weißes Wollknäuel aus Papas Schatten hervor. Knapp 60 Zentimeter groß und etwa fünf Kilo schwer ist das kleine Fohlen, einer der ganz jungen Fürth-Erlenbacher. Schon jetzt ist der Kleine die große Attraktion und entzückt mit seinen putzigen Blicken die Besucher. Kein Wunder, dass das Lama auf dem Logo des Bergtierparks zu sehen ist. Mit einem seiner Vorfahren hat die Geschichte des Bergtierparks 1960 begonnen und heute leben in diesem Stück Germany schon gut 200 verschiedene Tiere. Denn, es ist einfach tierisch schön hier – im Odenwald.


www.bergtierpark-erlenbach.de

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