Vor fast 35 Jahren ist Karlheinz Bosch von seiner Heimatgemeinde Albersweiler in das Dörfchen Rinnthal gezogen. Ein kleiner Ort mit rund 600 Einwohnern, umzingelt von dichtem Wald und Bergen, auf deren Spitzen bizarre Buntsandsteinfelsen thronen. Seit vor einigen Jahrzehnten das letzte Sägewerk schloss und die benachbarte Stuhlfabrik dicht gemacht hat, ist der Wald die wichtigste Erwerbsquelle für die Gemeinde. Das war schon vor 166 Jahren so, als Rinnthal Geschichte schrieb: mit der „Schlacht von Rinnthal“, als die Revolutionstruppen von August Willich hier vergeblich versuchten, den Vormarsch preußischer Truppen auf Landau zu stoppen.
Für eine Handvoll Keschde … Der Rinnthaler Förster Karlheinz Bosch.
Karlheinz Bosch liebt den Wald. Und er lebt und arbeitet mit dem Wald. Die erfolgreiche Waldwirtschaft der Gemeinde ist seine Aufgabe und seine Passion. Die ausgedehnten Mischwälder, die das Dorf mit der großen klassizistischen Kirche heute umschließen, liefern erstklassiges Holz. Für den Möbelbau, für die Industrie, aber auch für die Wingertpfähle traditionsbewusster Südpfälzischer Winzer.
Der „bizzelnde“ Bio-Federweißer, den Karlheinz Bosch aus den Untiefen seines laubgrünen Allrad-Kombis gezaubert hat, stammt von einem Bioweingut aus Böchingen an der Südlichen Weinstraße. Der neue Wein passt perfekt zum nussigen Geschmack frisch gerösteter Maronen. Über offenem Feuer, auf einer gusseisernen Platte, schmoren die Prachtexemplare, die sein Team von der Rinnthaler Wald GmbH kurz zuvor gesammelt haben – auf einer drei Hektar großen Streuobstwiese unterhalb des Kostenfelses, wo Unmengen geplatzter Igel liegen.
In Rinnthal hat man die Welt nicht neu erfunden, sondern einfach etwas gemacht, was in Gegenden mit Weinbauklima seit Jahrhunderten üblich ist. Wie in Südtirol, aber auch wie in einigen wenigen warmen Ecken Süddeutschlands, werden auf junge Kastaniensämlinge „Edelreiser“ besonderer Sorten aufgepfropft. Nichts anderes als angespitzte Zweige italienischer oder französischer Kastaniensorten, die in den eingeschnittenen Stamm der Jungpflanze gesteckt werden.
Das Ergebnis sind Maronen, wie man sie in der Pfalz bislang nur vom Weihnachtsmarkt kannte. Fast doppelt so groß wie die klassischen pfälzischen „Keschde“ und noch aromatischer.
Viele der neuen Rinnthaler Kastanien haben bereits stattliche Größe erreicht und die Streuobstwiesen sind zu einer Touristenattraktion geworden. Die Gemeinde Rinnthal hat schnell geschaltet und ihr liebevoll angelegtes Wanderweegnetz um einen „Maronenweg“ erweitert, der direkt an der Streuobstwiese unterhalb des Kostenfelses vorbeiführt.
„Wir haben riesige Potenziale hier“, freut sich Karlheinz Bosch. „Die kreative kulinarische Verarbeitung der Kastanien ist der nächste Schritt“, sagt der Förster. Sein herbstliches Lieblingsgericht: Endiviensalat mit gerösteten Maronen. „Wir entwickeln hier ein sehr leckeres und gesundes Nahrungsmittel weiter. Gleichzeitig reanimieren wir unsere alte Kulturlandschaft und es entsteht neuer Lebensraum für zahlreiche Tiere. Kürzlich hat sich hier auch ein Imker niedergelassen und inzwischen gibt es auch feinen Kastanienhonig.“
Heute sind Einheimische und Touristen von dieser sanften und naturnahen Bewirtschaftung fasziniert. Und es macht es Spaß, hier selbst Maronen zu sammeln. Sogar nachts herrscht auf den Streuobstwiesen Hochbetrieb. Wildschweine freuen sich über die Leckerbissen und zeigen dabei ungeahnte Trüffelschweinqualitäten: „Die Sorten, die schon Ende September reif werden, lassen die Wildschweine manchmal liegen“, hat Bosch beobachtet. „Die wissen genau was gut ist. Die stehen auf die spätreifen, aromatischen Sorten.“
Diese Leidenschaft teilen die Wildschweine mit Köchen aus der Region. Anfang Oktober bis Ende November servieren Restaurants und Weinstuben entlang des 56 Kilometer langen „Keschdewegs“ von Hauenstein bis Neustadt Deftiges wie die „Pälzer Keschdebrieh“ oder den „Keschdebuckel“, oder Süßes wie „Maronenparfait“ oder „Keschdekuchen“.
Karlheinz Bosch findet es schade, wenn Köche mangels Angebot gezwungen sind, auf Importware aus dem Süden zurückzugreifen. „Genau das können wir ändern – diesen wertvollen Schatz wollen wir heben.“ Zweifellos wird der alte und der neue Kult um Pfälzer „Keschde“ und Maronen in den nächsten Jahren neue Dimensionen annehmen. Die Nachfrage nach dieser wertvollen Frucht wächst ständig, vor allem auch unter jungen, ernährungsbewussten Menschen, die in der Marone eine neue „Superfrucht“ erkennen: basisch, energiereich, fettarm, vegan, mit geringem Allergiepotenzial und natürlich – aus regionalem Anbau.
Pfälzer Keschdeweg
rinnthal.de
suedlicheweinstrasse.de