Es war 1254, als Göcklingen erstmals urkundlich erwähnt wurde. Wie oft Göcklingen seitdem medial in Erscheinung trat, ist nicht überliefert, aber eines steht fest: kaum ein Hahn krähte in den letzten 763 Jahren um das wildromantische südpfälzische Weindörfen mit seinen 907 Einwohnern – bis der Bio-Winzer Gerhard Hoffmann eine außergewöhnliche Idee in die Tat umsetzte…
Das Weindorf Göcklingen ist so klein, dass sich die Rathausverwaltung das Gebäude mit der Raiffeisenbank teilt. Groß ist dagegen die Zahl der Autowanderer auf der berühmten südlichen Weinstraße, die direkt durch den Ortskern führt, wo wie überall in der Pfalz im Sommer Weinkerwen gefeiert werden – kulturelle Höhepunkte im Jahr.
Doch während es in den Nachbardörfern an Weinfestwochenenden eher beschaulich zugeht, wenn Einwohner und Touristen bei Bratwurst und Saumagen mit einem Schoppen Wein oder Weinschorle im Dubbeglas anstoßen, ist in Göcklingen an einem Wochenende im Juni die Hölle los. Bis weit hinaus auf die Wingerte am Ortseingang stehen dann die Autos – mit Kennzeichen aus ganz Europa.
„Do geht’s long, an der Kärsch vorbei, hinne uf de Laurentiuswies steht die Feschtbühn.“ Der Göcklinger an sich ist ein freundlicher Mensch und weist Schaulustigen gerne den Weg zum Epizentrum des Geschehens. Der kleine Platz zwischen Rathaus und Katholischer Kirche ist proppevoll mit Menschen. Kinder spielen auf dem Kopfsteinpflaster, die Eltern widmen sich Flammkuchen und Wein, die Stimmung ist ausgelassen. Urplötzlich erschallt der Schlag einer Glocke. Aber nein, nicht aus dem Kirchturm. In Dolby-Surround knarzt es aus den Boxentürmen, die rings um den Dorfkern aufgestellt sind: „KIIIKERIKIIIII!“ – so laut, dass das Dubbeglas in der Hand vibriert. Was ist denn hier los? Werden zu Ehren des Bacchus Hühner geopfert?
Auf der großen Festbühne ein herrlicher Anblick: im hautengen, orangegelben Strampelanzug hat sich ein stattlicher Pfälzer aufgebaut und – kräht! Ein an der Kapuze des Kostüms befestigter, weit aufgerissener Schnabel verdeckt nur spärlich das vor Leidenschaft knallrot angelaufene Gesicht. „KIIIKERIKIIIII!“ kräht es wieder ins Mikrophon, und der Gockelschrei schallt bis weit über die Dächer der Göcklinger Fachwerkhäuser hinaus. Die Faust ist siegessicher in den Himmel gereckt, die Kehllappen am Hals baumeln wie wild – denn „Krähen und Stolzieren“ heißt die Disziplin, in der dieser prächtige Gockel heute den Sieg erringen will.