Simbabwe – Steine, Geister, Kunst

Auf den Grundmauern eines ehemaligen Wasserschlosses hat Freddy von Bettendorff eine einzigartige Galerie geschaffen: Einen Ort für die Skulpturen Simbabwes, für eindrucksvolle, zeitgenössische Kunst.

Kurz hinter Gauangelloch geht es in eine völlig andere Welt. 15 Kilometer sind es von Heidelberg über Leimen bis zum ehemaligen Wasserschlösschen der Familie von Bettendorff. Dann, kaum hat man die Ortschaft hinter sich gelassen, führt ein kleiner Feldweg rechts direkt hinein – in die Mythen und zu den Geistern Simbabwes.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Afrikanische Kunst in einem Schlosspark bei Gauangelloch: Unser Video zeigt die ungewöhnliche Galerie von Freddy von Bettendorff.

Schon am Eingang grüßt eine riesige Skulptur. Ein Turm, neun Köpfe aus Stein aufeinander gesetzt. Neun verschiedene Steine, neun verschiedene Farben, neun verschiedene Gesichter. Eine Hommage an die Vorfahren, die in Afrika eine große Rolle spielen. Aber eben auch an diesem Ort! Er ist seit vielen Generationen, seit 600 Jahren, im Besitz der Familie von Bettendorff. Hier hat Freddy von Bettendorf vor 30 Jahren, auf den Grundmauern eines ehemaligen Schlosses, eine einzigartige Galerie geschaffen.

Neun Gesichter, neun Vorfahren, neun Geschichten.

Der Schlossgarten ist ein verwunschener, kleiner Park mit alten Bäumen. Auf dem Rasen darunter stehen die großen Steinskulpturen aus Simbabwe. Manche tonnenschwer. Uraltes Vulkangestein, Serpentin, 2,6 Millionen Jahre alt. Dazu passt, dass Simbabwe selbst übersetzt „Haus“ oder „Heimat der Steine“ heißt. Wie ein Märchengarten wirkt der Park. Jeder Stein erzählt eine andere Geschichte. Eine Mutter mit Kind, sehr naturalistisch, daneben groteske Mischwesen oder abstrakte Figuren, da wird aus Punkt, Punkt, Komma, Strich – ein Gesicht. Dann ein platter Fisch aus einem Stein mit blaugrünen Adern, ganz wie ein Schuppenkleid. So viele Figuren, so viele Steine, weiß, beige, rosa, braun, grün, rot und sehr schwarz. Sie alle hat Freddy von Bettendorff hierher geholt. Er selbst wohnt im nahen Nußloch, wo ihn alle nur „den Baron“ nennen und er ein Hotel und Restaurant führt. Aber die Galerie hier in Gauangelloch ist sein Herzensprojekt. Es entstand durch Liebe – auf den ersten Blick. Zum ersten Mal hatte Freddy von Bettendorff die ungewöhnlichen Kunstwerke aus Afrika auf der Expo 1992 in Sevilla gesehen. „Diese Skulpturen aus Stein haben mich fasziniert, meine damalige Freundin kannte den Eigentümer.“ Kurze Zeit später fuhr er gleich nochmal hin.

Die von Bettendorffs leben seit dem 14. Jahrhundert in der Kurpfalz. Sie waren die Begleiter des Kurfürsten, Schatzmeister und Schultheiße, also Bürgermeister. Ihnen gehörten Ländereien in Gauangelloch und Mauer oder auch Villen in Heidelberg, wie das Haus des heutigen Kurpfälzischen Museums. Zurück von der Expo, beschloss Freddy von Bettendorff, aus dem Gelände seiner Familie eine Galerie zu machen. Draußen, aber auch drinnen, im ehemaligen Gebetshaus im Park.

Diese Skulpturen aus Stein haben mich fasziniert.

Freddy von Bettendorff

Nun ist Freddy von Bettendorf kein Galerist oder Kunsthistoriker. Aber ein offener Mensch, offen für Kunst. Er begann, sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen und den Simbabwe Skulpturen eine Galerie für zeitgenössische afrikanische Kunst einzurichten, die keine Folklore zeigt, keine Tribal-Art, sondern zeitgenössische Kunst. Obwohl der Standort abgelegen ist, einige Kilometer von Heidelberg entfernt und verkehrstechnisch schlecht angebunden, wagte er es – ein unerwarteter, riesiger Erfolg. Presse, Funk und Fernsehen berichteten kurz nach der Eröffnung 1993, aus Frankreich, aus den Benelux-Ländern… darunter etliche Kunstsachverständige, die ihm bescheinigten, dass man so eine Galerie eben doch nicht leicht in Deutschland und Europa findet. Denn hier wird Weltkunst gezeigt, von Künstler:innen, die im Museum of Modern Art in New York und anderen großen Museen der Welt schon zu sehen waren und sind.

Im ehemaligen Gebetshaus im Park werden auch Fotografien ausgestellt.

Große Unterstützung und Hilfe kommt bis heute von einem Simbabwer, Roy Guthrie. Er ist mittlerweile von Bettendorffs Partner und Freund. Zusammen haben sie die größte Sammlung von Skulpturen aus Simbabwe weltweit. Guthrie fördert die sogenannte Shona-Art seit den 70er Jahren, die zu Beginn durch einfache Arbeiter aus dem Volk der Shona entstand – heute sind Künstler:innen aus verschiedenen Völkern Simbabwes dabei.

Gemeinsam mit seinem Partner Roy Guthrie hat von Bettendorff die größte Sammlung von Skulpturen aus Simbabwe weltweit

Guthrie macht große Ausstellungen, weltweit. 1994 dann das erste mal auch in der Bettendorffschen Galerie, weil er ohnehin eine Schau im Frankfurter Palmengarten zeigte und Gauangelloch terminlich davor setzen konnte. Der teure Mammut-Transport über 8000 Kilometer war also schon finanziert. Nach dieser ersten, Aufsehen erregenden Ausstellung wurde aus dem Baron und Hotelier und Geschäftsmann ein Galerist aus Leidenschaft. Die Kunsthistorikerin Beatrix Altmann-Schmitt unterstützt ihn dabei und ist immer vor Ort, wenn die Galerie geöffnet ist, Künstler:innen aus Simbabwe Workshops geben oder von Bettendorff auch anderswo Ausstellungen organisiert, 2022 etwa im Schwetzinger Schlosspark.

Kunstinteressierte aus der ganzen Welt besuchen die ungewöhnliche Galerie bei Heidelberg.

Freddy von Bettendorffs erstes Werk, das er kaufte, war eine Figur von Bernhard Matemera. Ein Mischwesen, mit Affenhänden, Vogelkopf und Nashornnase, das seinen Schlossgarten beschützt. Matemera war selbst auch schon in Gauangelloch und habe ihm erzählt, dass er den rohen Stein immer erst einmal mit ins Bett nehme, bevor er an die Arbeit geht. Dann träume er – denn in jedem Stein wohne ein Geist, der ihm sage, was er werden möchte. Die Skulpturen erzählen vom Glauben und der Kultur der Simbabwer. Aber auch von der Seuche Aids, die das Land so besonders hart getroffen hat. Eine Figur mit einem großen Loch, verdreht und geschunden, heißt „Living with the virus“ und stammt von Joseph Muzondo. Diese etwa ein Meter hohe Figur aus Springstone sei sogar Teil der Werbepräsentation für die Expo 2000 in Hannover gewesen, erinnert sich von Bettendorff.

Alle Skulpturen sind handgefertigt, ohne Maschinen. Das ist zum Teil sehr harte Arbeit. Den Serpentinstein gibt es in verschiedenen Farben und Härten. Springstone ist der härteste Brocken, ein falscher Schlag und die Figur ist dahin. Interessant ist eine Neuerwerbung der Galerie: Eine grün-gold glänzende Skulptur, die „My first born“ heißt und von Benjamin Katiyo stammt. Das besondere ist auch der Stein selbst: Er ist für die Kunst faktisch nicht mehr zu bekommen, denn darin sind seltenen Erden so stark vorhanden, dass die Steinbrüche allesamt aufgekauft werden. Sie landen dann in unseren Chips, in Handys und anderen elektronischen Geräten.

Die Galerie in Gauangelloch ist das Herzensprojekt von Bettendorff.

„Ein weiteres Problem sind die vielen Fälschungen“, bedauert der Galerist. Es gebe einfach viele Bildhauer, die abkupfern, nachmachen und verkaufen. Die Werke von Henry Munyaradzi gehörten dazu oder die oft lebensgroßen dicken „Mamas“ von Colleen Madamombe. „Ich war in Kapstadt an der Waterfront. Dort gibt es diese Mamas zuhauf. Alles Fake, aber gut gemacht, kaum zu unterscheiden.“ Der Unterschied liegt im Preis. Eine Fälschung ist für 500 bis 1000 Euro zu haben, das Original ab 10.000 Euro aufwärts. Und apropos Finanzen, wie rechnet sich diese Galerie? Der Baron lacht. „Ich achte darauf, dass es zumindest Null auf Null aufgeht. Wäre es nur ein Hobby oder Liebhaberei, dann würde auch das Finanzamt Probleme machen.“

Roy Guthrie hat mittlerweile all seine Lager in Europa und den USA aufgelöst und hierher verlegt, in diese kleine, afrikanische Enklave. In diese Welt der Geister und Mythen. Mitten im alten Schlossgarten in Gauangelloch.


http://bettendorff.de

Newsletter

Ausflugstipps und interessante Geschichten über die Rhein-Neckar-Region gibt es regelmäßig in unserem Newsletter.

Und so geht’s: Geben Sie Ihre E-Mail Adresse in das Feld ein und klicken Sie auf abonnieren. Sie erhalten daraufhin eine automatisch generierte Nachricht an die von Ihnen genannte E-Mail Adresse, die Sie nur noch bestätigen müssen. Fertig!

Abbrechen

Suche