Torsten Rau leitet in Lampertheim die Geschäftsstelle des Magischen Zirkels. Von seinem Wohnzimmer aus kümmert er sich um die größte Vereinigung von Zauberkünstler:Innen in Deutschland. Und ihre Belange – auch abseits der Bühne.
An seinen ersten Zaubertrick kann Torsten Rau sich noch gut erinnern: „Die Zigarette aus der Luft fangen“, heißt er im Fachjargon. Erst präsentiert der Zauberer seine leere Hand, dann greift er in die Luft und – voilà! – eine Zigarette erscheint. Dass er sich als Sechsjähriger ausgerechnet diesen Trick aussuchte, darüber muss Rau gut 45 Jahre später laut lachen. Zusammen mit seiner Frau Andrea – ebenfalls Zauberkünstlerin – sitzt er im gemeinsamen Wohnzimmer im Lampertheimer Ortsteil Hofheim, das seit Kurzem auch als Geschäftsstelle von Deutschlands größter Zauberervereinigung dient. Hinter ihm hängt ein schwarzer Vorhang, vor dem er gleich ein paar Tricks aufführen will. Im Regal daneben reihen sich Zauberbücher aneinander. Sie tragen Titel wie „Zauberkunst“ und „Magic as a hobby“.
Anfang 2023 hat Torsten Rau die Geschäftsführung des Magischen Zirkels von Deutschland übernommen – damit zog dessen Geschäftsstelle offiziell nach Lampertheim um. Der Verein war 1912 in Hamburg gegründet worden und ist die wichtigste Vereinigung von Zauberern in Deutschland. Rund 2800 Mitglieder gehören ihm an, darunter viele Hobbyzauberer wie das Ehepaar Rau, aber auch echte Superstars. Siegfried und Roy zum Beispiel waren ebenfalls Mitglied. Der Verein ist in rund 80 Ortszirkeln organisiert, veranstaltet Wettbewerbe und Zauberbörsen, unterhält eine eigene Fachbibliothek und gibt die Zeitschrift „Magie“ heraus.
Ja, was denn nun?
Ist das nun ein langer Faden?
Oder viele kleine?
Oder gar beides gleichzeitig?
Die Zauberei bestimmt das Leben des Ehepaars – und die Wohnzimmereinrichtung.
Gemeinsam treten sie jedoch nur selten auf.
Kartentrick gehören natürlich zum Repertoire.
„Die Leidenschaft fürs Zaubern habe ich von meinem Vater geerbt“, sagt Rau. Er trägt ein rotes Hemd, eine schwarze Anzughose und ziemlich oft ein breites Grinsen im Gesicht. Hauptberuflich führt er ein Textilunternehmen in Bischofsheim, auch das hat er von seinem Vater übernommen. Der hatte als junger Mann selbst gezaubert, sein Hobby aber aufgegeben, als die Kinder kamen. Als er dem älteren Sohn zu Weihnachten einen Zauberkasten schenkte, schlug der jüngere – Torsten – zu: „Mein Bruder konnte damit nichts anfangen, aber ich habe ihn mir sofort gekrallt.“
Es geht nicht darum, zu zeigen, wie toll man ist – sondern darum, die Menschen zu verzaubern.
Andrea Rau
Es ist der Beginn einer ganz typischen Laufbahn: Anfangs lässt Rau viel Geld beim Zaubergerätehändler, kauft Trick um Trick und studiert die Nummern ein. Er wälzt Bücher, in denen weitere Zaubertricks erklärt werden. „Um gut zu werden, braucht man aber den Austausch“, sagt er. Anfangs findet er den bei seinem Vater, der sein altes Hobby wieder aufleben lässt. Als Rau senior schließlich in den Magischen Zirkel eintritt, kommt auch der Sohn in Kontakt zu anderen Künstlern. „So habe ich meinen ersten Zauberlehrer gefunden.“
Die Tricks, die er von diesem lernt, sind spektakulär: Kerzen verschwinden, Funken schießen aus Raus Händen und er spielt mit Feuerbällen. Ob er sich oft verbrannt habe? „Oh ja. Ganz oft! Aber man gewöhnt sich an die Hitze.“ Als er 1987 bei den Deutschen Meisterschaften antritt, setzt er sogar die Kiste mit seinen Requisiten in Brand. Dass er heute vor allem mit Alltagsgegenständen zaubert – Karten, Münzen, Würfel und ähnliches – schiebt er aber auf etwas anderes: „Frontal, die große Bühne, krasse Effekte – das ist gar nicht so meins.“
Denn am liebsten tritt der Hobbyzauberer in kleiner Runde auf – auf Familienfeiern oder in Kleinkunsttheatern, vor maximal 100 Zuschauern. Zauberei ist für ihn Kommunikation: „Klar: Die Kunststücke sollen verblüffen. Man sollte wirklich das Gefühl haben: Das kann nicht sein! Für mich ist aber auch elementar, dass eine Interaktion mit dem Publikum entsteht – und wir zusammen eine gute Zeit haben.“ Dafür sei es gar nicht so wichtig, wie gekonnt man mit den Requisiten umgehe. Eines seiner Vorbilder ist der schwedische Zauberer Lennart Green, dem ständig die Karten herunterfallen. „Aber was er damit macht, das ist unglaublich.“
Andrea Rau, die hauptberuflich bei einer Bank arbeitet, kann ihrem Mann nur zustimmen: „Es geht nicht darum, zu zeigen, wie toll man ist – sondern darum, die Menschen zu verzaubern.“ Sie kam in ihren Zwanzigern zur Zauberei und hat sich für ihre Auftritte ein Alter Ego aus dem Mittelalter geschaffen: Mara vom Runensteyn, mit der sie schon auf Mittelaltermärkten aufgetreten ist. Die Ursprünge der Zauberei reichen übrigens noch weiter zurück: Das Becherspiel zum Beispiel, bei dem ein Ball auf magische Weise zwischen umgedrehten Bechern hin- und herwandert, kannten schon die Ägypter.
Kennengelernt haben sich die Raus natürlich beim Zaubern: Andrea trat bei einem Wettbewerb auf und holte Torsten, den sie flüchtig kannte, auf die Bühne – es sollte eine Ausnahme bleiben, denn gemeinsam treten die beiden nur ganz selten auf. Vier Jahre später heirateten sie, die Hälfte ihrer Flitterwochen verbrachten sie auf der Weltmeisterschaft der Zauberei in Den Haag. Dass das Zaubern nach wie vor eine Männerdomäne ist, stört Andrea Rau nicht: „Ich habe schon als Kind lieber mit Autos als mit Puppen gespielt, später Karate gemacht und sogar Schwertkampf.“
Etwa zehn Prozent der Mitglieder im Magischen Zirkel seien Frauen, schätzt Torsten Rau. Nach und nach würden es aber mehr. Nachwuchssorgen sind dem Verein dennoch vertraut: „Da geht es uns wie allen Vereinen: Die jungen Leute haben oft keine Lust auf Vereinsarbeit.“ Und so würden manche Ortszirkel langsam überaltern. Weil er im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen ist, gehört Torsten Rau übrigens dem Zirkel Mainz/Wiesbaden an, seine Frau dagegen dem für Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg (Ma-Lu-Hei), dessen Mitglieder regelmäßig im Mannheimer Schatzkistl auf der Bühne stehen. Die Raus treten zurzeit eher selten auf – zu sehr halten sie der Verein, ihre Jobs und andere Hobbys in Atem.
Torsten Rau hofft, dass sich das bald wieder ändert. Den nächsten Trick, den er lernen will, hat er sich schon ausgesucht: Das chinesische Ringspiel, bei dem man zwei oder mehrere Ringe miteinander verkettet. Sobald der sitzt, will er ihn in den Fußgängerzonen in der Region zeigen. Die Straßenzauberei auszubauen, hat er sich schon länger vorgenommen: „Auf der Straße bekommt man sehr ehrliche Reaktionen“, sagt er. „Ist Geld im Hut, war es wohl gut.“
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