Wandern und Gesang – das gehört irgendwie zusammen. In den Weinheimer Odenwaldsortsteilen verbindet deshalb ein Liederweg Dörfer, Chöre, Natur und Musik. Ein ganz besonderes Gemeinschaftsprojekt.

Wer verstehen will, wieso es in Weinheim einen Liederweg gibt, der muss die sanften Hügel des Odenwalds kurz verlassen. Ein Stück am Rhein entlang flussabwärts reisen. In Köln dann nach Osten abbiegen, hinein ins Bergische Land. Ungefähr so, wie es der Weinheimer Pop- und Jazzchor im Mai 2022 auf einer Reise tat: Mit den Sänger:innen eines befreundeten Chors besuchten die Weinheimer Musikant:innen damals die Gemeinde Lindlar, rund 30 Kilometer östlich der Domstadt. Dort soll einst der älteste bekannte Wald der Welt gestanden haben. Was es dort aber auch gibt: einen Liederweg. Auf knapp vier Kilometern laden 12 Liedtafeln zum Lauschen ein – und zum Mitsingen. „Ich hatte direkt die Idee, dass das auch in den Odenwald sehr schön passen würde“, erinnert sich Ursula Groß.

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Der Frauenchor Salto Vocale hat für Station 6 „Der Mond ist aufgegangen“ eingespielt.

Drei Jahre später steht die Hobbysängerin am Bildstock in Oberflockenbach. Um sie herum wuseln an diesem Frühlingsvormittag unter anderem die Ortsvorsteherinnen von Oberflockenbach und Rippenweier und die Vorsitzende des Sängerbundes Oberflockenbach. Letzte Absprachen werden getroffen, Flyer und Infomaterial getauscht.

Letzte Absprachen, dann geht es auf den singenden Weg.

Der Odenwald zeigt sich von seiner besten Seite: Strahlend blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken, Wiesen und Wälder leuchten in sattem Grün, dazu weht ein frischer Wind – perfekte Bedingungen für eine Wandertour. Auch Ursulas Mann Theo Groß ist gekommen. Mit ihm hat sie den Weinheimer Liederweg angestoßen – der heute Realität wird. Ein ortsansässiges Unternehmen ist gerade dabei, die Schilder entlang des Weges aufzustellen: Mühelos gleitet der riesige Bohrer in den Boden, Erde spritzt in alle Richtungen. Noch etwas Zement, dann stehen die ersten Tafeln – und machen aus einer Idee eine weitere Wanderstrecke, einen weiteren „Weinheimer Weg“ .

Ursprünglich hatte das Ehepaar Groß „ganz bescheiden“ geplant: „Uns schwebten etwa zwei Kilometer vor – von der Kirche in Heiligkreuz bis zum Rathaus in Rippenweier“, berichtet die Initiatorin. Dass sie ihre Idee nicht privat umsetzen konnten, war ihr und ihrem Mann schnell klar. Sie brachten sie mit in den Ortschaftsrat. „Die Idee hat sofort gezündet“, erzählt Theo Groß. Es haben unglaublich viele Menschen teilgenommen Ursula Groß über den Liederweg

Es haben unglaublich viele Menschen teilgenommen

Ursula Groß über den Liederweg

Nun laden 20 Stationen auf zehn Kilometern zum Lauschen und Verweilen ein. Über einen QR-Code lassen sich die musikalischen Beiträge anhören. Der Weg verbindet nicht nur die drei Ortsteile des Weinheimer Stadtteils Rippenweier miteinander, sondern auch den benachbarten Stadtteil Oberflockenbach, der ebenfalls aus drei Ortsteilen besteht. Im Jahr 1972 wurden die ehemals selbstständigen Orte nach Weinheim eingegliedert und bilden seither ein Stück Weinheim mitten im Odenwald.

Rund um Oberflockenbach, dem „singenden Dorf“, verläuft der Wanderweg.

Und es ist offenbar ein ganz besonders musikalischer Fleck: Ob seiner zahlreichen Chöre hat sich Oberflockenbach bereits 2019 zum „singenden Dorf“ erklärt, wie eine Tafel am Ortseingang verkündet. Entsprechend positiv war die Resonanz auf die Idee von Ursula und Theo Groß auch dort. Für jede der Stationen hat ein Chor, eine Band oder Kombo ein Lied aufgenommen. Das Repertoire reicht von „Country Roads“ über das „Badener Lied“ bis zu „Am Brunnen vor dem Tore“.

An jeder Station lassen sich die Lieder über einen QR-Code anhören.

Gesungen werden sie von Kindergartenkindern und Schüler:innen, Hobbychören, musikalischen Familien, aber auch von den legendären „Odenwälder Teufelsgeigern“ oder den Alten Herren der Handballabteilung beim Turnverein Oberflockenbach. „Es haben unglaublich viele Menschen teilgenommen“, freut sich Ursula Groß. Alle, die sie, ihr Mann und Nicole Schmitt – die Vorsitzende des Sängerbunds Oberflockenbach – angefragt haben, sagten zu. Und viele von ihnen legten sich so richtig ins Zeug: Für Station 15 vertonte Chorleiter Burkhard Hildebrandt zum Beispiel eigens das Gedicht „Am Eichelberg“. Der Kindergarten Oberflockenbach bekam für den Liederweg eine eigene Hymne.

Auch ein paar Wichtel verstecken sich auf dem Liederweg.

Ursula Groß bezeichnet sich selbst als „musikalisches Schlusslicht ihrer Familie“. Ihre Tochter hat Musik studiert und spielt im Rhein-Neckar Jazz-Orchester. Ihre Enkelin studiert an der Mannheimer Popakademie und steht als Sängerin Ceycey auf der Bühne. Im Leben der Initiatorin des Liederwegs spielte das Singen dagegen lange keine große Rolle. Genauso wie ihr Mann ist sie in Mannheim geboren. Ende der 1950er Jahre zog sie mit ihren Eltern von der Mannheimer Innenstadt in den Odenwald. Da war sie gerade sechs Jahre alt. „Für mich war es hier das Paradies“, schwärmt sie. Dass ihr Mann nach der Hochzeit ebenfalls in den Odenwald ziehen würde, stand völlig außer Frage. Beide erzählen, dass sie vor allem zu ihren eigenen Schulzeiten gesungen hätten, danach aber lange nicht mehr. Erst im Ruhestand suchten sie sich Chöre – und zwar jeweils einen anderen. Ursula Groß zog es zum Jazz, den sie schon in ihrer Kindheit zusammen mit ihrem Vater hörte. Ihr Mann hingegen singt im Männergesangverein Rippenweier. „Es gefällt mir, dass wir dort fast alles singen“, sagt er.

Ursula und Theo Groß gehen den Liederweg auch selbst gerne.

Auf dem Liederweg sind Theo Groß und der Männergesangverein an der zweiten Station mit dem Volkslied „Hab‘ mein Wage voll gelade“ zu hören. Am besten gefällt ihm aber Station 6: Dort interpretiert der Frauenchor Salto Vocale „Der Mond ist aufgegangen“. Seine Frau entscheidet sich für Station 7: Dort ist ihr eigener Chor – der Weinheimer Jazz- und Popchor – mit der „Weinheim-Hymne“ zu hören. Die hat Manfred Maser (vom Odenwalder Shanty Chor auch bekannt als Prof. Dr. Alfons Netwohr) eigens für die Heimattage 2025 in Weinheim gedichtet, Norbert Thiemel und Michelle Walker haben sie vertont. Das Stück ist der einzige Beitrag, der nicht von einer Gruppe aus den Odenwaldortsteilen, sondern von einem Chor aus dem Hauptort aufgenommen wurde. Für Ursula Groß zeigt das ganz klar: „Der Liederweg hat nicht nur die Dörfer noch einmal näher zusammengebracht, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl zu Weinheim gestärkt.“


www.weinheimerwege.de/liederweg

Der Liederweg kann in zwei Abschnitten begangen werden: Der erste führt auf vier Kilometern von der Kirche in Heiligkreuz bis zum Bildstock in Oberflockenbach, der zweite auf sechs Kilometern vom Bildstock bis zum Sportplatz des TV Wünschmichelbach. An den Start- und Endpunkten der Abschnitte liegt jeweils eine Bushaltestelle.

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