Auf über 5.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird im Deutschen Straßenmuseum in Germersheim die Geschichte vom Trampelpfad bis zur Autobahn erzählt.
Alle Wege führen nach Rom. Warum das so ist und wann aus einem Weg eine Straße wurde, lernt man im historischen Zeughaus in Germersheim. Der Wirkungsort von Jürgen Menge ist auf den ersten Blick so beeindruckend, dass er gar nicht in seiner Gänze zu erfassen ist. Als Teil der im 19. Jahrhundert errichteten Festung Germersheim befindet sich das Zeughaus an einer ebenso benannten Straße. Allein die Front des Baus misst nicht weniger als 73 Meter – an die sich zwei Flügel von jeweils gut 20 Metern Länge anschließen. Hier, in diesem ursprünglichen Lager für Waffen, Kriegsgeräte und Ausrüstungen, warten hinter bis zu vier Meter dicken Mauern Kostbarkeiten der ganz besonderen Art: Das Zeughaus beherbergt das Deutsche Straßenmuseum.
Während sich im Land der Konstrukteur:innen und Ingenieur:innen zahlreiche Museen Straßenbahnen, der Schifffahrt oder natürlich dem Automobil widmen, fehlte lange Zeit das Fundament. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in Germersheim befindet sich das einzige Museum für Straßenbau und alles, was dazugehört. Es ist nicht nur deutschlandweit einzigartig – möchte man in Europa etwas Ähnliches erkunden, muss man etwa bis nach Lillehammer fahren; dort steht das norwegische Straßenmuseum.
Den Grundstein für das Straßenbaumuseum in Germersheim legten 1989 Straßenbau- und Verkehrsingenieur:innen, die den Trägerverein „Straßenmuseum Rheinland-Pfalz“ gründeten und damit den Weg für die Sammlung ebneten. Im Oktober 1990 wurde das Museum eröffnet. Seit 2021 ist Jürgen Menge der erste Vorsitzende. Und will das Deutsche Straßenmuseum auf die Spur in Richtung Zukunft bringen.
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...in historischem Gemäuer.
Jürgen Menge hatte sein gesamtes Berufsleben mit Straßen zu tun.
Im Museum wird die Geschichte des Straßenbaus erzählt - vom Kopfsteinpflaster...
bis zur Autobahn.
Beim Gang durch die Ausstellung treten die Füße mal auf abgewetzte Steine, mal knarzt eine Holzdiele. Der Hausherr kennt diese Gegebenheiten in- und auswendig. Seit 30 Jahren sei er Mitglied des Museums, erzählt er, seit etwa 20 Jahren im Vorstand. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand war er im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau als Referent tätig. „Die Straße hat mein ganzes Berufsleben geprägt“, sagt er mit einem Schmunzeln. Vom Ingenieur zum Museumsleiter war da ein nahe liegender Schritt.
Die Straße hat mein ganzes Berufsleben geprägt
Jürgen Menge
„Wir zeigen hier Zusammenhänge auf“, erklärt Menge beim Durchstreifen der Räume. Etwa, dass bereits die Römer ihr weitverzweigtes Straßennetz mit einer Art Kopfsteinpflaster anlegten – mit Rom als Ausgangspunkt. Dass Staub in Monte Carlo zur Entdeckung der Teerstraße führte. Oder dass Recycling beim Bau einer Autobahn eine große Rolle spielt. Doch die Exponate gehen noch deutlich weiter zurück auf dem Zeitstrahl der Menschheit. Ein altgermanischer Bohlenweg beispielsweise hat bereits 2.800 Jahre überdauert. Gut konserviert in einem Osnabrücker Moor. Einst führten die ersten Fernhandelsstraßen Europas über solche Holzwege.
Heute führen Ehrenamtliche an ihnen vorbei durch die Räumlichkeiten. Für ihre Museumstouren bekommen sie lediglich eine Aufwandsentschädigung. So wie viele in diesem besonderen Museum, das von einem hohen Engagement und viel Kreativität seiner Mitglieder lebt. Etwa Berthold Best. Der Professor für Verkehrswegebau in Nürnberg unterstützt die Sammlung als wissenschaftlicher Leiter. Und auch Jürgen Menge macht seinen Job komplett ehrenamtlich.
Straßen sind ein verbindendes Element. Hier im Museum können die Besuchenden nicht nur untersuchen, wie sie aufgebaut sind. Neben Ausstellungsschwerpunkten zur Geschichte des Straßenbaus und der Ingenieurwissenschaft, beschäftigen sich die Schenkungen, Leihgaben und andere Sammlerstücke auch mit dem technologischen Wandel. „Die Digitalisierung findet aber nicht nur im Museum statt“, erzählt Jürgen Menge. Auch der Vereinsvorstand tagt inzwischen virtuell. Seit der Corona-Zeit ist der Eingangsbereich komplett kontaktlos. In Zukunft möchte der Museumsleiter neue Bereiche erschließen und sich neben der E-Mobilität auch mehr dem Fahrrad oder dem Thema Verkehrssicherheit widmen. Fragt man ihn als Verkehrsexperten nach seiner Perspektive auf die Zukunft des Automobils, so fällt das Stichwort Automatisierung. Gerade hat er sich das teuerste Auto seines Lebens gekauft, erzählt er. Ein elektrisches.
„Es steckt so viel in dem Thema Straße, was sich nicht sofort erschließt“, sagt Menge. Beim Schlendern durch die sandsteinfarbenen Räume lässt sich auch etwas über Landschaftspflege lernen; Umweltschutz und Sicherheit sind ein Thema. Schaubilder an der Wand befassen sich mit auf den ersten Blick überraschenden Themen wie Religion. Autobahnkirchen sind eine kleine Wunderwelt für sich.
Als Ingenieur fasziniert Jürgen Menge vor allem das Thema Brücken und Tunnel. Imposante Gerüste und Nachbauten führen die Besucher:innen direkt in die Tiefen eines Berges. Im angrenzenden Raum werden verschiedene Brückenkonstruktionen erklärt. Als Anekdote kann man lernen, warum die Ambachtalbrücke berühmt wurde (sie diente als Versteck für eine Entführung) oder dass auf der Moseltalbrücke mit grandiosem Ausblick auch ein Glas Wein getrunken werden kann. Mit viel Elan zückt Jürgen Menge bei der Führung seinen Füller und zeichnet das Prinzip des Spannbetons auf ein Stück Papier. Konstruktionen zum Anfassen und Nachvollziehen.
Fragt man ihn nach seinem Lieblingsstück im Museum, fällt ihm die Wahl allerdings schwer. Auf der Außenfläche gibt es Schallschutzwände und allerlei fahrbare Geräte zu erkunden. Und dann doch noch ein Highlight des Museumsleiters: Eine Dampfwalze, konstruiert 1942, immer noch betriebsbereit. Zumindest in vier Stunden. So lange braucht der Koloss zum Anheizen.
In Zukunft möchte Menge das Museumsgelände noch interaktiver gestalten. Etwa mit einer Baustelle für Kinder zum Buddeln und Entdecken. Oder einem Parkours für Rutschautos. Ideen hat er viele und gemeinsam mit einem Fachbüro wurde ein völlig neues Konzept erarbeitet. „Alles muss noch weiter professionalisiert werden“, meint der Leiter. Ob er sich schon Gedanken gemacht hat, wann er sein Amt niederlegen möchte? „Wenn die Arbeit vollbracht ist“, antwortet er. Vielleicht könnte Jürgen Menge ja dann mal nach Lillehammer fahren, in seinem E-Auto. Dort war er noch nicht. Später, wenn er irgendwann wirklich im Ruhestand ist.
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