Zwei Ponys, drei Schafe, vier Mini-Schweine, sechs Ziegen, ein paar Hühner, Enten und Kaninchen – das alles und dazu jede Menge Freiraum, das ist der Jugendhof Heidelberg. Hier lernen Kinder, Tieren zu begegnen – und ganz nebenbei auch viel über sich.
Ein typischer Tag im Frühling: An den Sträuchern schimmern die ersten Blüten, aber ganz verabschiedet hat sich der Winter noch nicht. Das Thermometer zeigt irgendwas zwischen fünf und zehn Grad. Immer wieder tropft es aus den grauen Wolken. Nicht die besten Voraussetzungen, um den Nachwuchs nach einem langen Schultag noch zu einem Ausflug ins Grüne zu motivieren. Denkt man. Bis man durch ein blaues Tor den Jugendhof Heidelberg betritt.
Immer etwas los: Auf dem Jugendhof ist bei jedem Wetter Betrieb.
Ein paar Meter den Hang hinunter, an einer großen Halle vorbei – und schon ist man mitten im Geschehen: Ein paar Jungs ziehen mit Mistgabeln und Schubkarren los, um bei den Schafen auszumisten. Drei Mädchen haben sich in die Halle verzogen und bauen einen Parcours aus Matten, Brettern und Pylonen. Im „Saloon“, einer Hütte mit ein paar Bänken und einem Kicker, redet eine Schul-AG aus dem Emmertsgrund über Kaninchen. Dazwischen wuseln die eigentlichen Stars des Jugendhofs, die es auch bei mittelmäßigem Wetter geschafft haben, all diese Kinder nach draußen zu locken: sechs Ziegen, drei Schafe, eine Handvoll Hühner, ein paar Enten – und sogar die Mini-Schweine strecken ihre Schnauzen aus dem Stall.
He, wo bleibt mein Futter? Die Tiere auf dem Hof werden von den Kindern versorgt.
Ganz im Süden von Heidelberg bietet der Jugendhof Kindern ein Erlebnis, das in der Stadt schwer zu finden ist: Hier wird gewerkelt, gepflanzt, geerntet, gekocht, gebaut und getobt, aber auch – und das macht den Jugendhof aus – gemistet, gefüttert, gestriegelt und versorgt. Mit heilpädagogischem Reiten fing 1994 alles an. Die ersten Kinder- und Jugendfarmen in Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt rund 30 Jahre alt. Die Idee stammt aus Dänemark. 1943 eröffnete dort der erste „Krempelspielplatz“, eine wilde Fläche, auf der die Kinder – anders als auf „vorgefertigten“ Spielplätzen – ihre eigene Welt erschaffen konnten. In Deutschland verbreitete sich das Konzept in den 1960er Jahren und erlebte nach der Wende neuen Auftrieb. Der Jugendhof Heidelberg, der von einem gemeinnützigen Verein getragen wird, ist bei Weitem nicht die einzige Jugendfarm in der Metropolregion Rhein-Neckar.
Der Jugendhof liegt ganz im Süden von Heidelberg.
Seit 1994 gibt es hier tierische Angebote für Kinder.
Einer der Stars des Jugendhofs,...
...die hier regelmäßig von Kindergruppen versorgt werden.
Hier lernen sie den Umgang mit den Tieren.
Aber auch gemeinsam kochen steht auf dem Programm ...
...und natürlich toben.
Alana Gerber arbeitet seit einigen Jahren hier. „Die Arbeit mit den Tieren und den Kindern ist genau das, was ich machen will“, schwärmt sie. Sie hat Bildungswissenschaften studiert und ihre Abschlussarbeit zu tiergestützter Pädagogik geschrieben. Sie ist eine von drei Pädagoginnen auf dem Jugendhof. „Die Kinder können hier richtig viel lernen“ – von Motorik über Verantwortung bis Empathie. Und natürlich auch so einiges über die Tiere.
Wenn die Kinder selbst aussuchen, was sie machen, haben sie meistens mehr Spaß – sogar beim Ausmisten
Pädagogin Alana Gerber
Ohne die finanzielle Unterstützung der Stadt, Spenden und Tierpatenschaften wäre das Angebot kaum möglich. Genauso wichtig ist die Unterstützung der Ehrenamtlichen, die sich um die Tiere kümmern, wenn gerade keine Kinder da sind. Am Nachmittag dürfen alle Kinder ab sechs Jahren kommen, am Samstag auch jüngere – dann mit Eltern. Außerdem finden unter der Woche Schul-AGs statt. Am Vormittag sind oft Schulklassen und Kindergärten zu Besuch.
Erstmal grasen! Auch Geduld lernen die Kinder im Umgang mit den Tieren.
Emma und ihre Freundinnen machen sich gerade auf den Weg, um die Ponys zu holen. Fröhlich hüpfend geht es zu der Streuobstwiese, auf der die Tiere gerade grasen. Ohne zu zögern öffnen die Mädchen den Zaun, haken die Ponys ein und stapfen los. Falina, das größere der beiden Pferde mit schwarzem Fell, lebte früher auf dem Reiterhof nebenan. Sissi, eine Mini-Shetland-Stute, hat der Jugendhof vom Veterinäramt gekauft. Das hatte das Pony wegen schlechter Haltung beschlagnahmt. Einige der Enten kommen von einem Archehof. Die Ziegen sind aus einem Tierpark umgezogen. Die Hühner waren früher Legehennen und kamen völlig zerrupft und ausgelaugt an. Sie aufzupäppeln sei eine Menge Arbeit gewesen, erzählt Gerber. Aber auch ein Anlass, darüber zu reden, wie Legehennen leben.
Völlig zerrupft kamen diese Legehennen ursprünglich auf den Hof.
Emma kommt seit ungefähr drei Jahren her. Besonders gern verbringt sie Zeit mit den Ponys, ob beim Ausmisten, Striegeln oder Spazierengehen. „Zu Hause habe ich nur einen Fisch“, erzählt sie. „Der ist halt einfach da. Aber die Ponys haben ihren eigenen Willen. Das finde ich gut.“ Sissi sei zum Beispiel ziemlich verfressen, Falina dagegen eher ruhig. „Wenn sie sich ärgert, wedelt sie höchstens mit dem Schwanz und legt die Ohren an.“ Von Berührungsängsten keine Spur. Als die Mädchen mit den Ponys den Jugendhof erreichen, haben Mercedes und Porsche sich gerade im „Saloon“ breitgemacht. Die Freundinnen setzen sich zu den Ziegen und streicheln sie. „Wenn sie etwas nicht wollen, zucken sie mit dem Kopf“, weiß Emma. Doch heute scheint Porsche die Streicheleinheit zu gefallen.
Ein Porsche, der gerne gestreichelt wird.
Es sind genau diese Begegnungen zwischen Kindern und Tieren, die den Jugendhof für Alana Gerber ausmachen. „Die Bedürfnisse der Tiere stehen an erster Stelle“, betont sie. „Der Jugendhof ist kein Streichelzoo.“ Die meisten Tiere streunen frei über das Gelände – wenn sie keine Lust mehr auf Streicheln haben, gehen sie weg. „Aber wenn man geduldig ist und ganz ruhig wird, kommen sie vielleicht zurück und lassen sich füttern. So lernen die Kinder Sozialkompetenz.“ Ganz wichtig: Auf dem Jugendhof wird niemand zum Mitmachen gezwungen – weder Mensch, noch Tier. Wer einfach da sein will, darf das auch. „Wenn die Kinder selbst aussuchen, was sie machen, haben sie meistens mehr Spaß – sogar beim Ausmisten“, hat Gerber beobachtet.
Bereit zum Ausmisten? Auch das gehört auf dem Jugendhof dazu.
Heute zieht es viele der Kinder in den grünen Küchenbauwagen. Der Duft von frisch gebackenen Waffeln zieht über das verwinkelte Gelände. Die Weide fängt gerade an auszutreiben. An den Ästen baumeln selbstgebastelte Futterstationen, Kunstwerke aus Wolle und ein Mobile an einer alten Fahrradfelge. Aus dem Gehege der Schweine quietscht es aufgeregt. Die Tiere wissen genau: Auch für sie gibt es gleich Futter. Die Jungs, die eben noch bei den Schafen zugange waren, stellen vier Schalen mit Gurkenstücken, Bananen, Kartoffeln, Brot und Paprika ins Gehege. Fasziniert schauen sie den Schweinen beim Fressen zu – und freuen sich jedes Mal tierisch, wenn sie einen Blick auf die putzigen Schweinezungen erhaschen. Gut möglich, dass Alana Gerber einige von ihnen in ein paar Jahren wiedersieht – wenn sie als Ehrenamtliche helfen, diesen besonderen Ort zu erhalten.
Neben dem offenen Betrieb gibt es im Jugendhof auch besondere Angebote – zum Beispiel eine Ponygruppe oder Garten-AG. Außerdem kann man im Jugendhof Geburtstag feiern, am Vormittag mit der Schule oder dem Kindergarten vorbeischauen oder in den Ferien zum Ferienprogramm.
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