Stacheln zum Verlieben

Da reist man quer durch die Welt, immer auf der Suche nach etwas Unerschmecktem, und plötzlich hat man ausgerechnet im südpfälzischen Steinfeld ein Kaktus-Feigen-Sorbet auf dem Teller, einen Wrap mit eingelegten Kaktusstreifen, Kaktussuppe oder gar Kaktus-Flammkuchen.

Am äußersten südlichen Rand der Metropolregion, nur fünf Kilometer von der französischen Grenze entfernt, ist die „Grüne Kaktus-Küche“ das europaweit erste Restaurant, das Kakteen in den Mittelpunkt seiner Speisekarte stellt. Die Karte bietet viel Vegetarisches und Veganes, fast alles ist Bio, selbst der Mexico-Hochlandkaffee. Die kulinarische Poesie der Kaktus-Gerichte setzt sich nebenan im rund 7.000 Quadratmeter großen gläsernen Gewächshaus mit mehreren tausend Kakteen und Sukkulenten in den Namen der Pflanzen fort. Dort wachsen Korkenzieher-Kakteen vom Babyalter bis zum Jahrzehnte alten Spektakel; Erdbeerkakteen, gepfropft, blühen in den poppigsten Farben; zart und filigran ringelt sich „Greisenhaar“; und es gibt sogar einen riesenhaft gerundeten „Schwiegermuttersitz“.

Wer möchte, kann hier nicht nur gucken und staunen, sondern auch Kakteen kaufen. Aber um die Unterschiede zwischen Agaven, Opuntien und Kakteen zu verstehen, bedarf es passionierter Auseinandersetzung mit der Thematik. Nach einem Besuch des „Kakteenlands“ weiß man, dass Kakteen zur Familie der Sukkulenten gehören. Sukkulent bedeutet saftspeichernd und ist ein Sammelbegriff für Pflanzen, die sich an trockenes Klima angepasst haben. In freier Natur gedeihen Kakteen in scheinbar unfreundlichen Lebensbedingungen und sind mit wundervollen Blüten dennoch bestechend schön. Aber wer zählt all die Stacheln, kennt ihre Namen? Eine kennt sie alle, auch die wissenschaftlichen lateinischen Bezeichnungen: Dr. Kim Beisel. Die promovierte Botanikerin ist auf dem Aussiedlerhof bei Steinfeld aufgewachsen und hat den Wandel vom Großhandelsbetrieb zum „Kakteenland“ hier aktiv mitgestaltet.

1978 hatte ihr Vater Karl-Werner den Betrieb gegründet und schaffte damit die Basis für die Entwicklung zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Region. Doch schließlich kamen die Eltern ins Rentenalter. Kim Beisel hätte ihre wissenschaftliche Karriere im Ausland verfolgen können, doch dann hat sie sich entschieden, in zweiter Generation einen florierenden Betrieb mit drei Standbeinen aufzubauen: außer dem eigentlichen „Kakteenland“ und der „Kaktus Küche“ auch das Deutsche Aloe-Vera-Zentrum – unter anderem mit Produkten aus der eigenen Natur-Kosmetik-Linie.

Die pfälzische Familie Beisel agiert heute global, versendet die tropischen Pflanzen in alle Welt. „Gestern waren Kakteenfreunde aus Schottland da“, berichtet Kim Beisel. Ganze Ladungen Mini-Kakteen werden hier versandfertig gemacht, für Märkte von Griechenland bis China. Dort hat man den pfälzischen Spezialbetrieb längst entdeckt – denn im Reich der Mitte gilt der Kaktus als Glückssymbol.

Gibt es einmal Frost, ist der Laden futsch.

Kim Beisel

In den gläsernen Hallen kann man Karl-Werner Beisel heute immer noch beim Umsorgen der Pflanzen antreffen. Prachtvolle Laune hat der ruhelose „Kakteenland-Gründer“ – das scheint sich auf die blühende Pracht der Pflanzen zu übertragen, die immer mehr Besucher anziehen. „So zwei Mal pro Jahr kommt auch das Fernsehen vorbei“, freut sich die Junior-Chefin. Überregionale Garten- und Landschaftsprojekte, auch bei renommierten Messen, gewissermaßen das Standbein Nummer Vier, machen das Unternehmen „Kakteenland“ zusätzlich bekannt. Mindestens 15 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen schon, denn immer mehr Projekte wollen realisiert sein. Ergänzend zum Kakteenland haben die Beisels in Steinfeld passend zum Ortsnamen auch eine umfangreiche Abteilung mit Halbedelsteinen und Mineralien aufgebaut, außerhalb von Idar-Oberstein eine der umfangreichsten Sammlungen. Und im Schatten des gigantischen Himalaya-Findlings, im Biergarten für 100 Personen, wird demnächst eine Edelsteinschürfstelle für Kinder eingerichtet.

Dr. Kim Beisel mit einer Aloe Vera.

Ein bisschen erschrickt man ja schon, wenn man das Arbeitspensum der umtriebigen Südpfälzerin Kim Beisel betrachtet. „Feiertage? Wird volle Kanne durchgearbeitet.“  Und im Winter muss sie manchmal im Feldbett zwischen den Stachelgewächsen übernachten, denn „gibt es einmal Frost, ist der Laden futsch“, fasst sie den größten anzunehmenden Unfall zusammen. Aber dann gibt es ja noch einen Traum: eine Reise ins Botaniker-Traumland Madagaskar. Vielleicht sollten alle „Kakteenland“-Fans gemeinsam eine Stiftung gründen: „Kim nach Madagaskar!“ Wer so viel aufbaut, um anderen eine Freude zu machen, sollte auch mal ein bisschen ausspannen dürfen.


www.kakteenland.de

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