Eine Geschichte, die kaum ein Tourist kennt, ist im Norden Heidelbergs zu entdecken, weitab aller Souvenirbuden: ein Botanischer Garten, dessen Wurzeln ins Jahr 1593 zurückreichen, als ein gewisser Henricus Smetius, Professor für Medizin, sich entschied, in der Nähe des Schlosses einen Medizinalgarten anzulegen …
… 424 Jahre später. Rush-Hour in Heidelberg. Überquert man den Neckar auf der vierspurigen Ernst-Walz-Brücke Richtung Norden, lernt man eine andere Facette der Stadt kennen: den Campus Neuenheimer Feld. Ein Ort, an dem sich Nobelpreisträger im Vorbeifahren vom Fahrrad aus grüßen, ein Zentrum der Naturwissenschaften. Überall Kliniken, Labore, Zweckarchitektur – und mittendrin der Botanische Garten.
„Viele glauben ja, wir seien so eine Mischung aus Zoo und Gartencenter. Genau genommen sind wir aber eine universitäre Forschungseinrichtung mit lebenden Objekten“ sagt Dr. Andreas Franzke und beobachtet mit kritisch-verschmitztem Blick seine Gäste. Der Wissenschaftliche Leiter des Gartens spricht aus, was die meisten Besucher sofort denken: „Dieser Arbeitsplatz ist schon ein echtes Privileg.“
Seinen Traumjob hat der leidenschaftliche Botaniker schon vor einem Jahrzehnt gefunden. Für sein neues Leben auf der etwa drei Hektar großen Gartenfläche zwischen Studentenwohnheimen und Forschungseinrichtungen ist er damals von Osnabrück nach Heidelberg gezogen.
„Vielen geht es hier sicher nicht um seltene Orchideenarten, exotische Ananaspflanzen oder ursprüngliche Kohlgewächse. Unsere Besucher genießen hier die auf kleinstem Raum konzentrierte Pracht und die Ruhe spendende Kraft der Natur.“
Der heutige, im Jahr 1915 angelegte Garten, ist die inzwischen siebte Anlage in der wechselvollen Geschichte des Heidelberger Botanischen Gartens. Die Heidelberger lieben ihn und unterschiedlichste Menschen machen hier jeden Besuch zum Ritual. Zu den Kennern und Genießern gesellen sich Patienten aus den umliegenden Kliniken oder Heidelberger Schüler, die auf den letzten Drücker ein Ginkgoblatt in ihr Herbarium kleben. Studierende aus der Nachbarschaft schwänzen bei einem Becher Milchkaffee die Vorlesung, während Laborangestellte sich auf der Parkbank zur Mittagspause treffen.