Wenn man tief in ihm drin ist, sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht – es sei denn, man hat den Geopark-Ranger Michael Kauer dabei. Er und 30 weitere Ranger führen durch den faszinierenden Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald, der 2015 als „UNESCO Global Geopark“ ausgezeichnet wurde.

Die Hessische Bergstraße, wo sie am steilsten ist. Oberhalb von Zwingenberg klettern Wingerte so spektakulär steil die Hänge hoch, bis sie den Wald erreichen, den Odenwald. Und im Odenwald geht es dann auf Schritt und Tritt quer durch die Erdgeschichte. Warum das so ist, das erklärt Geopark-Ranger Michael Kauer bei seinen Führungen mit dem Temperament einer südhessischen Magmakammer. Die Wissbegierigen, die ihm gerne folgen, sind wild entschlossene, wagemutige Trupps, nicht selten auf Schul- oder Betriebsausflug, die sich im Zwingenberger Altstädtchen zusammenfinden.

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Schon hier drunten, im lieblichen Tal, findet Michael Kauer überall Hinweise auf erdgeschichtliche Besonderheiten und kulturhistorische Verwerfungen. Die Sockel der Altstadt-Häuser bestehen aus Stein, die Kirchen und Mauern sowieso. Sämtliche Machthaber ließen Steine aus ihrem eigenen Herrschaftsgebiet anschleppen, ob es nun die Lorscher Mönche waren oder die Grafen von Katzenelnbogen im Taunus. Michael Kauer sieht so was. Er zieht seine Schlüsse. Und lässt alle daran teilhaben.

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Geopark-Ranger Michael Kauer im Einsatz

Hauptamtlich arbeitet der gebürtige Lautertaler für die Zoologische Gesellschaft Frankurt in der direkten Nachfolge Bernhard Grzimeks: Aus der berühmtesten aller Öko-Initiativen, „Serengeti darf nicht sterben“, wurden inzwischen rund 30 Projekte in 18 Ländern mit 300 Beschäftigten. Da ist man versucht, Michael Kauer viel Erfolg bei abenteuerlichen Dienstreisen in exotische Erdteile zu wünschen, aber damit spricht man etwas an: Kontinente und ihre Verschiebungen, das gehört zu den Spezialgebieten des leidenschaftlichen Geopark-Rangers. Wer auch immer ihn bei einer Führung den Rheingrabenbruch aufwärts begleitet und behauptet: „Ich weiß was!“, wird sich bald bescheiden in den Hintergrund stellen. Denn simpel ist hier gar nix!

Aus diesem Grund vermitteln heute über 30 ehrenamtliche Ranger die vielfältigen Geheimnisse des Naturparks Bergstraße-Odenwald, der 1960 als einer der ersten Naturparke in Deutschland gegründet wurde. Zwischen Rhein, Main und Neckar erstreckt sich heute auf über 3500 Quadratkilometern diese einzigartige Landschaft mit ihrer entdeckens- und schützenswerten Natur und Geologie.

„Das erste, was die Kinder merken ist: wie gut Afrika und Südamerika zusammenpassen.“

Schon 2004, als der Naturpark als globaler Geopark mit einer Mitgliedschaft im „Weltnetz der Geoparke“ ausgezeichnet wurde, ließ sich Michael Kauer zum Ranger ausbilden. Seitdem erklärt er allen, die es wissen wollen, was es mit dem Kontinentaldrift auf sich hat und was die letzten rund 340 Millionen Jahre bei uns in der Metropolregion Rhein-Neckar so los war. Und dann erfährt man, dass „bei uns“ eigentlich gar nicht „bei uns“ war: der südhessische Teil der Region schipperte damals noch irgendwo südlich des Äquators herum – handfeste Beweise gibt es dafür in Form von Fossilien und Mineralien.

Vor allem für Schulklassen macht Michael Kauer diese Phänomene ganz einfach verständlich. Da hat er ein genialisches Kontinenten-Puzzle aus Sperrholz parat, dazu dienlich, aus der aktuellen Situation den Ur-Kontinent Pangäa zurück zu basteln. „Das erste, was die Kinder merken ist: wie gut Afrika und Südamerika zusammenpassen.“ Flugs haben sie Indien aus Südasien herausgezupft und schieben es wie ein Matchbox-Auto um die Ecke – passt! „Am besten funktioniert es, wenn ich zwei Dinosaurier auf zwei durch Meere getrennte Kontinente stelle und frage: Wie kann das sein, dass es die gleichen hier und auch da drüben gibt?“ Plastisch, durch Handauflegen und Zusammenschieben der Haut, veranschaulicht der Ranger die Auffaltungsprozesse des Rheinischen Schiefergebirges, das übrigens ein Rest alter Ozeanböden ist. Verstanden? Jedenfalls, an den Rand des Odenwalds schwappten einst Meere, die im Laufe der Jahrmillionen abhandenkamen. Das eine wurde verschluckt, das andere nach oben gedrückt.

All das kann man heute bei Führungen durch den Geopark lernen, oder auf Geo-Pfaden, oder an Geopunkten entlang von Radrouten und Mountainbike-Strecken.

An Orten mit herausragender geologischer, geschichtlicher oder naturräumlicher Ausstattung gibt es heute zudem Geopark-Eingangstore, Infozentren und umweltpädagogische Stationen mit Ausstellungen zu Themen vor Ort.

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Bei Michael Kauers Führung kommt am Ende auch noch der Wein ins Spiel. Der Ranger kooperiert mit mehreren Winzern aus der Region und der Bergsträßer Winzer eG. Die haben mal einen Versuch gestartet, der für Fachleute wie Laien gleichermaßen faszinierend ausfiel. Man nehme eine Rebe, Riesling natürlich, behandle sie in Rheingau und Bergstraße exakt gleich, auch im Ausbau – und verkoste anschließend: Welch‘ ein Unterschied! Dass Riesling und Spätburgunder besonders geeignet sind, die Böden, auf denen sie wachsen, geschmacklich abzubilden, hat man ja schon gelesen. Der Praxistest ist ungleich spannender. Mit Wilfried Bürkle, einem Zwingenberger   Qualitätswein-Pionier, hat Michael Kauer frühzeitig zusammengearbeitet. Noch heute lieben die Kunden des Weinguts Simon-Bürkle vor allem den „Granit“, einen faszinierenden Riesling, dessen mineralische Prägung man deutlich herausschmeckt.

Zurück zu uns. Zu den Lernwilligen, denen drei Möglichkeiten offenstehen. Entweder eine zweistündige Tour rund um Zwingenberg. Da lernt man schon eine ganze Menge. Oder die vierstündige, samt Aufstieg zum Auerbacher Schloss. Dazu gehören dann schon nahezu alpine Fähigkeiten. Oder aber, man verdrückt sich rechtzeitig … und taucht unauffällig pfeifend bei der Weinprobe wieder auf. Eine solche nämlich beendet traditionell die Wanderung mit dem 2009 gekürten „Weinerlebnisführer.“

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Was dieser Geopark-Ranger nicht alles drauf hat! Allerdings, wer die Wanderung schwänzt, geht abends beim Nachgespräch in einer der Bergsträßer Weinstuben den Kollegen auf die Nerven, die tatsächlich raufgekraxelt sind: „Wie war das noch mit dem variszitischen Gebirgslauf?“

Dazu, man erstaune, gehörten einst Oden- und Böhmerwald, die Ardennen, aber auch Schottland, Teile Spaniens, der Atlas … „seinerzeit so hoch wie die Anden.“ Ein Glück für uns, möchte man meinen, dass die stolzen Höhen inzwischen zu unserem Mittelgebirge Odenwald heruntergekommen sind, sonst wären die Touren, bei denen „sich der Geologe in einen Tatortkommissar verwandelt“, vermutlich noch anspruchsvoller.

Dass wir bei Leimen auf Kalkstein stoßen, das hat natürlich auch wieder ganz spezielle Gründe. Und wer über das und noch viel mehr aufgeklärt werden möchte, kann sich auf der Internetseite des Geoparks seine eigene Wunschtour mit einer Rangerin oder einem Ranger aussuchen. Und dann darf man ruhig auch mal nachfragen, wie das so ist mit all den erstaunlichen Dingen, über die man sonst selten nachdenkt: zum Beispiel warum geologisch betrachtet Mannheim der tiefste Punkt der Metropolregion ist …


www.geo-naturpark.net

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