Ob Elefanten Schnupfen kriegen, was gelebtes Matriarchat aus jungen Männern macht und warum Gandhi früher mal ein „Terrorist“ war – es sind erstaunliche Dinge, die man im Heidelberger Zoo erfährt, wenn man sich auf Lokal-Safari begibt. Die Tierpfleger Tobias Kremer und Stefan Geretschläger betreiben eine deutschlandweit einzigartige „Jungbullen“-WG.
Nein, es gibt noch keine Doku-Soap über die Jungbullen-WG im Heidelberger Zoo. Seltsam, oder? Versäumt es doch kein Sender, regelmäßig Tier-Jugend vor die Kamera zu bitten – denn das zieht immer. „Klar“, sagt Tobias Kremer, „aber selten wird gezeigt, wie man als Tierpfleger auch mal im verstopften Gulli wühlt.“ Er und sein Kollege Stefan Geretschläger pflegen einen ausgesprochen empathisch elefantösen Erziehungsstil. Ihre 2010 eröffnete „Jungbullen-WG“, in der aktuell vier Elefanten wohnen, speist sich aus neuesten tierpädagogischen Erkenntnissen.
Die Befürchtung, ob der Umgang mit so urgewaltigen Tieren nicht furchtbar gefährlich sei, zerstreut sich verblüffend schnell: Es gibt keinen direkten Kontakt zwischen Elefant und Pfleger. Wie das? Eine faszinierende Multifunktionswand sichert vor Tapsigkeit oder plötzlichen Wutausbrüchen der Rüsseltiere. Es handelt sich aber nicht einfach um eine Sicherheitsabsperrung. Die beiden Pfleger haben sich das Ding selbst ausgedacht und sind überzeugt: „Es gibt keine bessere Trainingswand“, denn die beiden können damit für die Jungbullen Gandhi, Ludwig, Yadanar und Tarak (der mittlerweile aus der WG ausgezogen ist – dafür kam Minh-Tan) allerlei Türchen öffnen. Die Elefanten zeigen dann Rüssel, Füße oder Ohren und lernen spielend für medizinische Kontrollen.
Eine Mannheimer Schlosserei hat die wuchtige Vorrichtung gebaut: 15 Tonnen Anpralllast, das beruhigt so einigermaßen, wenn der 10 Jahre alte Boss um die Ecke biegt: Gandhi, 2,43 Schulterhöhe, stattlicher Rüssel. Damit kann er sogar Blues-Harp spielen – allerdings eher wie ein Hard-Rocker. Ein Typ, bei dem Fußpflege nicht mit der Feile betrieben wird, sondern mit der Flex. „Das ist schonender.“ Aha!
Vor den sensiblen Gefilden der Malkunst kapituliert der 10-jährige Jung-Bulle. „Er würde den Pinsel einfach fressen“, sagt Stefan Geretschläger. Ganz im Gegensatz zu Tarak, dessen abstrakt expressionistische Studien da und dort im Elefantenhaus zu bewundern waren – ehe er im Juli 2022 in den Kölner Zoo umzog. Denn dass die Heidelberger Halbstarken einmal als Zuchtbullen einmal weiterziehen, gehört zum Europäischen Erhaltungszuchtprogramm.
Den Bullen stehen jede Menge weiterer Aktionsflächen zur Verfügung. „Man muss sich vorstellen, dass Elefanten in freier Wildbahn 16 bis 17 Stunden am Tag allein mit Nahrungssuche beschäftigt sind.“
Ghandi war früher ein dänischer Hooligan mit leicht terroristischen Neigungen. Heute ist er ein richtig guter Kumpel.
Heu und Stroh werden deshalb nicht lieblos auf den Boden gekippt, sondern in Tonnen aufgehängt, damit die dickhäutigen Gourmets was zu zoppeln haben. Mit „Elefantenhaus“ ist also sehr unzureichend wiedergegeben, was den vier Halbstarken geboten wird. De facto handelt es sich um einen naturnahen Freizeitpark mit Swimmingpool („Schwimmen macht müde“) und Sandbecken („Zum über sich drüber schmeißen“) und einem gigantischen Würgefeigenbaum („Zum sich dran Schubbern“).
Sowohl der Innenbereich als auch das unübersehbar riesige Außengelände wurden einer Süd-Ost-Asiatischen Flusslandschaft nachempfunden, in der asiatische Elefanten heimisch sind. Das hat nichts mehr mit jenen grabengeschützten Verliesen zu tun, die man vielleicht von den Zoobesuchen der Kindheit kennt. Dumpfes Hin- und Herschwingen vor lauter Lebensüberdruss wird man in diesem Garten Eden nicht erleben.