Von Meeresrauschen, Müll und Mut

In Ludwigshafen gibt es gleich drei ungewöhnliche „Lernorte“ für Kinder: Im Müllheizkraftwerk, einem Freilandklassenzimmer und im alten Hallenbad Nord kann man einiges über den Klimaschutz erfahren. Auch, weil hier schon mal das Meer an der Bademeister-Kabine rauscht. 

Ella hat sich vorbereitet: mit einer Wäscheklammer. Die trägt sie stolz auf der Nase, kaum hat der sechs Meter große Müllgreifer seine Ladung losgelassen – hoch oben über ihren Köpfen. Kaum sind alte Windeln und Staubsaugerbeutel im riesigen Verbrennungstrichter der Gemeinschafts-Müllheizkraftwerk Ludwigshafen GmbH (GML) verschwunden, staubt es. Doch die Achtjährige und ihre Mitschüler:innen sind vergnügt und beeindruckt zugleich: Seit einiger Zeit haben sie Müll zwar als Thema im Sachunterricht. Aber so eine Tour wie an diesem Vormittag hat noch keine:r von ihnen erlebt. 

„Umweltbildung“ heißt das, was die 22 Kinder der Mundenheimer Schillerschule in die Nähe des riesigen Müllgreifers bringt. Zuvor haben sie das schöne Freilandklassenzimmer auf einer Grünfläche am Rande des Müllheizkraftwerks besucht, unter Anleitung der Umweltpädagogin Bettina Böhmer Abfall sortiert und einen Komposthaufen untersucht. Dann ging es zusammen direkt ins Kraftwerk. Und wenige Gehminuten von der riesigen Verbrennungsanlage entfernt könnten die Kinder sogar noch ein drittes außergewöhnliches Ziel entdecken: Seit 2013 dient das ehemalige Hallenbad Nord der GML als Löschwasserbecken. Was den wunderbaren Bau der Nachkriegsmoderne von Heinrich Schmitt und Philipp Blaumer aus dem Jahr 1956 nicht nur vor dem Abriss gerettet hat (mehr Infos zur Geschichte des Hallenbad Nord gibt’s in unserer Wo-Sonst-Geschichte). Sondern auch einen dritten Lernort für Kinder und Erwachsene ermöglichte, der das Thema Müll aufgreift und weiterdenkt.

In der Dauerausstellung des Schwimmbads, „Die vier Elemente“, geht es um Feuer, Wasser, Erde, Luft, vor allem aber um die großen Fragen unserer Zeit geht – wie lässt sich Müll vermeiden? Was bedeutet der Klimawandel für uns? Und was kann jede:r einzelne tun, um bewusster mit den Ressourcen unserer Erde umzugehen? Auf der Suche nach Antworten geht es auf einem Parcours einmal quer durchs Schwimmbad – von der Empore die Treppen hinab bis in die ehemaligen Dusch- und Umkleidekabinen. Mit Infotafeln hat man sich aber nicht begnügt: Da lässt es sich mit Hilfe von einer VR-Brille direkt in den Heizkessel des benachbarten Kraftwerks schauen. Gleich neben der Bademeister-Kabine kann man per Knopfdruck die verschiedenen Formen von Wasser hören – vom knirschenden Schneespaziergang bis zum Rauschen des Meeres. Es gibt hinter alten Schildern Cartoons, ein Architekturmodell des Schwimmbads oder in umfunktionierten Mülltonnen nachdenkliche Videos zum Thema Konsum. 

Die Klasse 3e lässt das Hallenbad an diesem Vormittag aus, weil die Ausstellung für Kinder erst ab der achten Klasse gedacht ist. Aber wer das vielfältige Angebot des Müllheizkraftwerks kennt, der ahnt, dass das hier nicht der letzte Besuch der Drittklässler gewesen sein könnte: „Im Idealfall schauen viele Kinder aus der Umgebung alle zwei, drei Jahre bei uns vorbei“, sagt Jochen Schütz, der Geschäftsführer der GML. An seinem bisherigen Arbeitsplatz, einem Biomasseheizkraftwerk in Sinsheim, hatte der Ingenieur schon Führungen und Ferienprogramme für Kinder angeboten. „Aber das Angebot in Ludwigshafen ist schon außergewöhnlich – und vor allem für verschiedene Altersklassen gedacht“.

Im Idealfall schauen viele Kinder aus der Umgebung alle zwei, drei Jahre bei uns vorbei.

Jochen Schütz, Geschäftsführer der GML

Im Freilandklassenzimmer erzählen Drahtobjekte aus Müll davon, dass es hier auch Workshops zum Thema Upcycling gibt. Die GML kooperiert mit den „Clean River Kids“, die auf die Probleme von Mikroplastik aufmerksam machen und regelmäßig Müll an Flüssen sammeln. Es gibt aber auch Projekte mit dem NABU Ludwigshafen oder dem Kinderschutzbund, Klimakonzerte im Hallenbad und sogar Kunst. 

An diesem Vormittag allerdings ist schon der pure Alltag eindrucksvoll genug, um die Klasse 3e nachdenklich zu stimmen: Anschaulich und kindgerecht erklärt Bettina Böhmer die unterschiedlichen Abläufe im Kraftwerk, nimmt die Kinder mit in die Kranführerkabine und erklärt, wie aus Müll Fernwärme wird. „Studiert habe ich BioGeoWissenschaften“, erzählt Böhmer, die Angestellte der Firma UDATA in Neustadt ist und die Führungen für die GML anbietet. An diesem Vormittag hat sie aber gleich mehrere Rollen: Sie ist Pädagogin, Werksführerin und Wissenschaftlerin zugleich, erklärt das Verkehrssystem und die Sicherheitsvorschriften auf dem Gelände, spricht mit den Kindern über die Vor- und Nachteile von Plastik und lässt sie in das ewig brennende Feuer der Anlage schauen.  

Täglich kümmert sich die GML um die Restabfälle von einer Million Menschen in der linksrheinischen Metropolregion. Um die 100 Müllautos kommen am Tag aus Ludwigshafen, Frankenthal, Neustadt, Mannheim und Speyer, den Landkreisen Alzey-Worms, Bad Dürkheim, dem Rhein-Pfalz-Kreis und Kaiserslautern hier an, um an die 200.000 Tonnen Abfall im Jahr abzuladen. Am Eingang des Geländes steht eine Waage, auf der sonst nur die Müllautos landen, damit ihre Abgabe für diesen Tag berechnet werden kann. Ein leeres Müllauto wiege 12 bis 20 Tonnen, sagt Böhmer. Im Durchschnitt 10 Tonnen Müll bringe jedes einzelne zur GML. 22 Schüler:innen, ihr Lehrer Florian Himmighöfer und Bettina Böhmer bringen zusammen 990 Kilogramm auf die Waage, wie eine Digitaltafel zeigt. „Im Vergleich zu den vielen Kilos, die hier landen, seid ihr federleicht“, sagt Bettina Böhmer. Dass die Kinder am Ende der Tour allerdings bewusster mit Müll umgehen, wiegt glücklicherweise sehr schwer…


Das „Freilandklassenzimmer“ richtet sich an Kindergärten und Schulen bis zur 12. Klasse. Je nach Bedarf, Unterrichtsplan oder Aufenthaltsdauer gibt es verschiedene Inhalte. Das Angebot ist kostenlos. Außerdem werden regelmäßig Workshops angeboten.

https://www.gml-ludwigshafen.de

Das Ehemalige Hallenbad Nord und das GML-Informationszentrum „Die vier Elemente“ stehen bei Veranstaltungen offen. 

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