Unter hungrigem Gewächs

Venusfliegenfalle und Sonnentau zwischen Weinbergen und Pfälzerwald: Im pfälzischen Freinsheim züchtet Familie Weilbrenner ganz besonders hungriges Grün. Was als Hobby im elterlichen Weingut begann, ist heute Deutschlands größte Gärtnerei für fleischfressende Pflanzen.

Ein grünes Meer, soweit das Auge reicht. Hunderttausende Pflanzen in Reih und Glied auf meterlangen Tischen. Die Luft ist warm und feucht. Weitere Töpfe hängen an Drahtseilen von der Decke. Grün, überall Grün. Nur wenn man näher kommt, tauchen kleine Farbklekse auf. Feine dunkelrote Härchen, an denen kleine Tropfen in der Sonne glitzern. Violette Kannen, die nach unten baumeln. Fangblätter, das Innere rötlich gefärbt. Es sind tödliche Farbklekse. Zumindest für die Insekten, die von den Farben und dem verführerischen Duft der Pflanzen angelockt werden.

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Was fleischfressende Pflanzen so faszinierend macht, erklären Lukas und Philipp Weilbrenner im Video. Klickt rein!

Wir befinden uns mitten unter Karnivoren, unter fleischfressenden Pflanzen. Nirgendwo in Deutschland wachsen so viele wie hier, in Freinsheim, in den Gewächshäusern der Familie Weilbrenner. Über 600.000 Pflanzen züchten die Firmenchefs Lukas und Philipp Weilbrenner hier jedes Jahr, die dann in Gartencentern und Baumärkten in ganz Europa landen.

Vererbte Faszination: Lukas (links) und Philipp Weilbrenner haben den Betrieb von ihrem Vater übernommen.

Dabei fing alles ganz klein an, als Hobby ihres Vaters Bernd. „Unser Großvater hatte eine kleine Sammlung von Karnivoren – und unser Vater war schon als Kind fasziniert davon“, erzählt Philipp Weilbrenner. Damals betrieb die Familie noch ein Weingut und etwas Obstbau, Vater Bernd ist gelernter Winzer. Doch seine Leidenschaft galt den hungrigen Gewächsen. Er las sich viel Wissen an, forschte, probierte aus und fing irgendwann an, selbst Pflanzen zu züchten. Seine Expertise sprach sich herum. In den 1980er Jahren fragte ein Pharmaunternehmen an – ob er sich vorstellen könnte, Venusfliegenfallen zu züchten, die für die Arzneimittelforschung gebraucht werden. „Unser Vater überlegte nicht lange und sagte zu.“

Doch die Hoffnung, dass aus den fleischfressenden Pflanzen Rohstoffe für Medikamente gewonnen werden können, zerschlug sich – das Pharmaunternehmen zog sich zurück. „Da saß unser Vater dann, mit Unmengen von Venusfliegenfallen“, sagt Lukas. Doch der Entschluss, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, stand damals schon fest – und Bernd Weilbrenner beschloss, künftig einfach für den Zierpflanzenmarkt zu produzieren. Die Rechnung ging auf, der Betrieb wuchs Jahr für Jahr.

Die Natur hat sich da wirklich etwas einfallen lassen, das ist einfach faszinierend

Philipp Weilbrenner

Anfang der 1990er Jahre platzten die kleinen Foliengewächshäuser mitten in Freinsheim aus allen Nähten. Die Familie zog um, in die Talweide am Ortsrand und baute hier ihre neue Gärtnerei auf. Philipp erinnert sich noch daran, wie er als Kind im neuen Gewächshaus unterwegs war, seine eigenen Pflanzen heranzog und später auf dem Wochenmarkt verkaufte. „Damals waren es vor allem Geranien, also Blumen, die bei der älteren Kundschaft gut ankamen“, erzählt er und lacht laut. Geschäftssinn hatte er also damals schon.

Im Frühjahr 2023 steht in der Talweide ein 3.000 Quadratmeter großes Gewächshaus, gerade planen die Brüder einen Anbau. Weitere 2.000 Quadratmeter sollen dazukommen. 2019 trat Bernd Weilbrenner als Geschäftsführer zurück und überließ seinen Söhnen Lukas und Philipp, damals 30 und 26 Jahre alt, das Ruder. Die Faszination des Vaters sprang auch auf sie über. „Die Natur hat sich da wirklich etwas einfallen lassen, das ist einfach faszinierend“, sagt Philipp und nimmt einen der unzähligen Töpfe in die Hand. Eine Venusfliegenfalle, etwa zwei Jahre alt – kurz vor der Verkaufsgröße. Er deutet auf die Innenseite der leicht rötlichen Fangblätter. „Hier sind kleine Kontakthärchen.“ Er streicht sanft darüber, die Fangblätter schnappen zu. Der Sonnentau hingegen lockt mit einer klebrigen, nach Nektar duftenden Flüssigkeit Insekten an, die dann an den glitzernden Tropfen kleben bleiben. Und dann sind da noch Nepenthes, Kannenpflanzen, Lukas Lieblingskarnivoren. Sie locken Insekten in ihre länglichen Kannen, deren Innenwände so glatt sind, dass die Tiere zwangsläufig nach unten rutschen – hinab in die Verdauungsflüssigkeit am Boden der Kanne. Lukas deutet auf kleine Dornen an der Außenwand. „Eine Leiter für Insekten, die nicht fliegen können. Damit auch Ameisen nach oben kommen und reinfallen können“, er grinst. „Richtig raffiniert, oder?“

In der Falle des Sonnentaus: Dieses Insekt kommt hier nicht mehr weg.

Ein Thema, das auch Kinder begeistert. Sogar die Sendung mit der Maus war schon zu Besuch in Freinsheim. Die Familie öffnete am Aktionstag „Türen auf mit der Maus“ der Kindersendung auch die Pforten ihrer Gärtnerei. „Das ist schon toll zu sehen, wie man seine eigene Faszination auch an Kinder weitergeben kann – und wie schnell da der Funken überspringt“, erzählt Philipp. Vielleicht ja auch in einigen Jahren an die nächste Familiengeneration. Die Brüder sind beide vor kurzem Väter geworden.

Philipp Weilbrenner erklärt, wie die Venusfliegenfalle auf Beutefang geht.

Karnivoren sind eigentlich genügsame Pflanzen. „In der Natur wachsen sie ja vor allem auf Böden, die sehr karg sind. In Mooren oder auf Felsen etwa“, erklärt Lukas. Ihren Nährstoff-Bedarf decken sie dann mit ihrer tierischen Beute. In der Erde, in der die Pflanzen in der Gärtnerei wachsen, stecken jedoch bereits genug Nährstoffe. Sie sind hier nicht auf tierische Nahrung angewiesen – freuen sich aber natürlich dennoch über Insektenbesuch. In einigen Pflanzen zappeln Stubenfliegen, Schnacken oder kleine Fruchtfliegen. Sonst brauchen die Pflanzen nur genug Wasser – und viel Sonne.

Im Winter wird das Gewächshaus mit einer eigenen Schnitzelheizanlage warm gehalten. Gefüttert wird diese mit Abfallholz, das bei etwa bei Baumschnittarbeiten der Gemeinde anfällt, und mit Miscanthus, einer Schilfart. Dieser wächst direkt neben dem Gewächshaus, zwischen Weinreben und einer Streuobstwiese. Lukas brachte die Idee aus seinem Gartenbau-Studium mit. „Miscanthus wächst extrem schnell und einmal gesät, treibt er immer wieder neu aus.“ Ein nachwachsender Rohstoff, direkt vor der Haustür.

Das Heizmaterial für das Gewächshaus wächst gleich nebenan: Miscanthus.

Für Lukas und Philipp Weilbrenner war immer klar, dass sie den Betrieb ihres Vaters eines Tages übernehmen werden. „Wir sind hier auf- und reingewachsen“, sagt Lukas. „Und in einem anderen Betrieb hätten wir nie die Gestaltungsmöglichkeiten, die wir hier haben.“ Philipp nickt. Sie haben sich die Aufgaben aufgeteilt, Philipp ist für die Vermarktung zuständig, Lukas näher am Produkt. Und ihr Vater? „Der ist jetzt Jäger und Sammler“, sagt Philipp und lacht. Bernd Weilbrenner genießt es, wieder mehr Zeit zum Forschen zu haben. Er züchtet neue Arten und fliegt auch mal um die Welt, um fleischfressende Pflanzen in freier Natur zu beobachten. Aber ist natürlich immer da, wenn seine Söhne seinen Rat brauchen. 


www.weilbrenner.de

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