Außen elastisch, innen fluffig, unten krustig. So soll sie beschaffen sein – die köstliche Kugel mit krosser Bodenhaftung. Auch wenn „Oppauer Dampfnudeln“ seit 2021 in einem anderen Stadtteil von Ludwigshafen, in Ruchheim, entstehen, ändert dies nichts am Aussehen und wunderbaren Geschmack des Kultgebäcks. Ein Besuch an der Pfanne.

Donnerstagabend 19 Uhr. In dieser Nacht sollen 3000 Dampfnudeln produziert werden. Denn freitags herrscht auf den Märkten rund um Ludwigshafen besonders großer Publikumsandrang. Heike Fleckner und Steffen Jung schauen nur kurz vorbei, ob alles läuft. Anders als früher stehen der Chef und die Chefin nur noch am Herd, wenn es personell eng wird. Schließlich kommen die Beiden früh morgens zwischen 4 und 4.30 Uhr, um das Beladen der Transporter vorzubereiten und dabei anzupacken.

Steffen Jung kontrolliert, ob der Teig die richtige Konsistenz hat.

In der Bräterei geht es eigentlich so wie einst bei Omas Dampfnudel-Brutzeln zu – allerdings mit der zeitlichen wie logistischen Herausforderung, pro Nachtschicht (insgesamt fünf pro Woche) 1500 bis 3000 Exemplare herzustellen. Küchen-Romantik kommt da nicht auf. Vermutlich würden selbst erfahrene Hausfrauen durchdrehen, wenn sie zu zweit in zwölf Pfannen verteilt auf sechs Herden jeweils fünf Hefeklöße gleichzeitig ausbraten sollten. Und das ist nicht alles. Patricia Hoffelder und Jennifer Göppel, die an diesem Tag gemeinsam Dienst haben, setzen außerdem in der Maschine Teige an, formen diese zu großen Kugeln, die von einer Brötchenmaschine zerkleinert werden.

Pfannenjonglage in der Dampfnudelbräterei.

Natürlich müssen die Hefeteigrohlinge erst mal auf ausgelegten Geschirrhandtüchern und (zur Beschleunigung) bei 50 Grad im Backofen gehen, ehe sie im heißen Rapsöl von Salzwasser übergossen brutzeln. Unterm Deckel versteht sich. Klar, jede Dampfnudel muss später eine Kruste auszeichnen. Aber wie kross muss die sein? „Zwei Drittel unserer Kunden bevorzugen einen goldbraunen Boden“, erzählt die Chefin. „Manche wollen aber auch eine dunkle und einige eine fast schwarze Kruste.“ Darum werden auf 17 Märkten unterschiedlich ausgebratene Dampfnudeln angeboten. Und wie lange muss eine Normalvariante in der Pfanne bleiben? „So um die sieben Minuten“, weiß Patricia Hoffelder aus Erfahrung: „Ich höre schon am Brutzeln des Fettes, wie lange es noch dauert.“ Ihre Kollegin nickt zustimmend.

Dass die Oppauer „ihre“ Dampfnudel lieben, ist im wahrsten Sinne des Wortes legendär – schließlich ist die Köstlichkeit mit heimatlichem Mythos angereichert. Vor Generationen war in dem linksrheinischen Bauerndorf, das erst 1938 in der Stadt Ludwigshafen aufging, die Feuerwehr wegen massiver Rauchentwicklung zu einem Haus im „Wälsche Eck“ ausgerückt. Bevor es „Wasser marsch!“ hieß, hatten glücklicherweise zwei beherzte Männer, „der Reuter Philb und Schmitte Schorsch“, bei einer kühnen Gebäudeinspektion entdeckt, dass die Hausfrau in der Küche vor einer Pfanne stand. Der Heimatdichter Karl Räder sollte dies 1906 in einem Beitrag für die BASF-Werkszeitung so beschreiben: „Ehr liewe Leid, was seh’n se do? Am Hard do steht die Hanjörgs-Bäwel un rückt zurecht ehr Eisehäwel. Vor Raach, do hoscht se kaum gekennt: Ehr Dambnudl war’n angebrennt!“ Eingebrannt hat sich die heiße Geschichte ins kollektive Gedächtnis der Oppauer. Kein Wunder, dass sich der 1948 gegründete lokale Karnevalsverein den Namen „Oberer Damnudle“ gab.

Fast täglich gehen die lauwarmen Dampfnudeln in Warmhalteboxen regional auf Reise – an der westlichen Rheinseite von Worms bis Speyer, auf der östlichen Seite des Stroms von Lampertheim bis Schwetzingen, die Städte Ludwigshafen und Mannheim inbegriffen. Der Start, wenn andere noch schlafen, sollte sich allerdings als Problem mit Kettenreaktion erweisen: Als am alten Standort im Ortskern von Oppau von einigen Nachbarn Beschwerden über Lärm bei der Stadtverwaltung eingingen, fiel auf, dass die vor gut 20 Jahren dort etablierte Bräterei  damals als Zwei-Mann-Betrieb zugelassen worden ist. Das Ehepaar, beide Mitte 50, rang sich zu dem Bau einer neuen Produktionsstätte im 15 Kilometer entfernten Ruchheim durch – in einem Gewerbegebiet, wo frühmorgendliche Ladezeiten niemanden stören. „Es ging ja auch um den Erhalt der Arbeitsplätze für unsere 25 Leute“, kommentieren die beiden ihre unternehmerische Entscheidung. Und Heike Fleckner schiebt nach: „Wir sind für die Rente noch nicht alt genug und fürs Aufhören zu jung!“

Neubau für die „Oppauer Dampfnudel“. Für Heike Fleckner war Aufgeben keine Option.

Auch wenn jetzt alles nagelneu und weniger beengt ist, so hat sich an der Herstellungsweise der „Oppauer Dampfnudeln“ nichts geändert. Das Familienrezept sieht nach wie vor als Teigzutaten Mehl, Salz, Zucker, Hefe, Eier, Margarine und Wasser vor. Die genaue Mischung wird freilich nicht verraten. Hingegen verrät die Chefin, dass sie sich vor ziemlich genau 30 Jahren in der Frankenthaler Backstube ihres Ex-Ehemannes das erste Mal an eine Dampfnudel gewagt und damals beim Hantieren rein und raus aus der Pfanne  ziemlich schwer getan hat. Nicht nur die Heilerziehungspflegerin sollte in den Bann des Hefekloßes geraten – auch ihr jetziger Ehemann Steffen Jung, der eigentlich gelernter Werkzeugmacher ist. Sein Beruf erwies sich in der neuen Profession als Glücksfall. Schließlich gibt es in einer Bräterei immer wieder technische Tücken, die es zu beheben gilt. „Mein Mann ist ein Allrounder“, kommentiert die Chefin.

Dampfnudeln so weit das Auge reicht – bis zum Ende der Nacht werden es gut 3000 sein.

Patricia Hoffelder, die schon einige Jahre zum Produktionsteam gehört, muss schon lange nicht mehr überlegen, von was wie viel für einen Teig, der 30 Dampfnudeln hergibt, in die Rührmaschine kommt. Dass ausschließlich Bioland-Eier verwendet werden, erklärt Heike Fleckner: „Des mache mer fer die Hinkel und nicht wegen des Geschmacks.“ Schließlich sollten „Hühner, die für uns Eier legen“, unter guten Bedingungen leben.

Lecker! Nach getaner Arbeit können Jennifer Göppel (l.) und Patricia Hoffelder auch mal ein wenig naschen.

Nicht nur die Oppauer lieben „ihre“ mit heimatlichen Legenden angereicherte Dampfnudel. Der besondere Hefekloß mit elastischer Krume und salzigem Knusperboden gilt in der gesamten Kurpfalz als traditionsreicher Gaumenkitzler – ob mit Vanillesoße, Weincreme oder Kartoffelsupp‘ verzehrt. Deshalb kochte die Empörung hoch, als vor einigen Jahren der bayerische Landwirtschaftsminister die beliebte Mehlspeise in einer (Internet-)Datenbank für Spezialitäten des Freistaates platzierte. Ein Beschwerdebrief des rheinland-pfälzischen Kollegen sorgte für Klarheit: Nein, Bayern habe nicht vor, die auch in der Pfalz beliebte Köstlichkeit für sich zu beanspruchen, ließ das Münchner Ministerium verlautbaren. Bleibt noch nachzutragen, warum die Dampfnudel so heißt – obwohl sie gar nicht wie eine  Nudel aussieht. Des Rätsels Lösung: Verbal leitet sich die Nudel von dem alten Wortstamm Knudel ab – und da ist der Knödel mit der einer Dampfnudel entsprechenden Form nicht weit.   


www.oppauer-dampfnudeln.de

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