Früher war Robert Schneider als Binnenschiffer zwischen Mannheim und Rotterdam unterwegs. Heute zeigt er Passagieren mit seinem Fahrgastschiff „Kurpfalz“ den Hafen seiner Heimatstadt Mannheim und erzählt ihnen vom Leben am Fluss – und vom ständigen Wandel.

Die Kabine, von der aus Robert Schneider sein blau-weiß lackiertes Schiff lenkt, ist zu eng für zwei. Alleine ist der Kapitän aber dennoch nicht. Durch eine Scheibe kann man ihm vom Sonnendeck der „Kurpfalz“ aus über die Schulter schauen: wie er das Schiff mit einem kleinen Hebel gefühlvoll in Bewegung setzt und mit dem großen hölzernen Steuerrad routiniert das Ruder ausrichtet.

Kapitän Robert Schneider.

Die Mannheimer Hafenrundfahrt startet klassisch auf dem Neckar: an der Kurpfalzbrücke. Wer die Stadt noch nicht kennt – wie viele der Reisegruppen, die nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland kommen – lernt hier als erstes, wie Mannheim riecht: stromabwärts geht es vorbei an der berühmten Mannheimer Schokoladenfirma, die Eingeborene wie früher „Schokinag“ nennen, obwohl sie schon lange anders heißt. Und dann ziehen sie vorbei – die typischen Mannheimer Gegensätze: links haushoch gestapelte Wände bunter Container, Kies- und Sandberge und das Startup-Zentrum Musikpark – rechts die grüne Neckarwiese mit Joggern und Spaziergängern und dahinter das neue Stadtarchiv Marchivum – errichtet auf einem ehemaligen Kriegsbunker.

Mehr als zwei Stunden Fahrt liegen vor den Passagieren, denn der Hafen ist groß. Robert Schneider nimmt mit auf eine erstaunliche Reise durch das gemeinsame Hafengebiet der Städte Mannheim und Ludwigshafen – zusammen eine der bedeutendsten Binnenhafenanlagen Europas und viel größer und komplexer, als die meisten an Bord es sich zu Beginn der Fahrt vorstellen können. Kurz nachder Mündung des Neckars in den Rhein liegt backbords der Mühlauhafen. Die Passagiere erfahren, dass all die Container, die hier in riesigen Mengen lagern, von hier aus nach Antwerpen und Rotterdam auf Reisen gehen – und von dort weiter über den Atlantik in die Häfen der Welt.

Robert Schneider erklärt, dass das Containerschiff das energieeffizienteste Transportmittel sei – und dank staufreier Schifffahrtswege längst nicht so langsam, wie angenommen. Die Fahrt von Mannheim in die niederländische Hafenstadt Rotterdam dauert gerade mal 30 Stunden, lernt man. Der Rückweg, gegen den mächtig schiebenden Rheinstrom flussaufwärts, allerdings rund 50.  Allein 2017 wurden in Mannheim über 130.000 Container verladen. Was da so drin ist? Schneider lacht ins Mikrofon. „Alles, was reinpasst: Unterhosen, Fahrräder, Gummibärchen.“ Anders als auf dem Meer gibt es auf Flüssen Besonderheiten: Maximal zwei Container dürfen auf dem Neckar übereinander gestapelt sein, weil viele Brücken zu niedrig sind. Zwei weitere Lagen dürfen Reeder auf dem Rhein draufpacken.

Robert Schneider hat den Wandel im Mannheimer Hafen und den Siegeszug der Containerlogistik erlebt. Der Mann im weißen Kapitänshemd erinnert sich: Als 1968 die ersten Schiffer damit begannen, belächelten Kollegen sie noch. „Den Containern wurde keine große Zukunft vorausgesagt.“ Da, wo jetzt die Terminals und riesigen Kräne stehen, befanden sich vor 30 Jahren noch Getreidespeicher. „Aber einer nach dem anderen ist verschwunden.“

Die Schifffahrt ist ein altes, einfaches Geschäft

Robert Schneider

Seit mehr als 40 Jahren arbeitet der Mannheimer in der Schifffahrt, mal auf dem Wasser, mal in der Verwaltung. Zunächst transportierte er Kies vom Oberrhein , dann fuhr er Tankschiffe. Seit 1997 gehört ihm seine geliebte „Kurpfalz“. Schon fast eine museumsreife Rarität, aber tadellos in Schuss:  1929 gebaut, 30 Meter lang und 5,40 Meter breit, angetrieben von einem 355 PS starken Motor und ausgelegt für 220 Passagiere, die sich auf drei Stockwerken verteilen.

„Die Schifffahrt ist ein altes, einfaches Geschäft“, sagt Robert Schneider über seinen Traumberuf. „Sie funktioniert mit wenigen einfachen Mitteln.“ Und doch erleichtert ihm Technik heute die Arbeit enorm. Gar nicht so lange her, da musste ein 150-Kilo-Anker noch „mit Manneskraft“ per Winde hinaufgezogen werden.

Im unteren Stockwerk der „Kurpfalz“ wird es „flüssig“: da liegt die „Haifischbar“, von dort aus versorgt das Thekenteam die Fahrgäste. Sonja Dietel und ihre Familie haben sich Getränke mit nach draußen genommen und genießen den kühlen Fahrtwind. Dietel hat früher in Mannheim gewohnt, lebt aber inzwischen in Nürnberg. „Mannheim hat so eine herbe Schönheit“, sagt sie. „Die mag ich.“ Und die sei hier, im Hafen, ganz besonders präsent.

Mit seinem Schiff bietet Robert Schneider nicht nur Hafenrundfahrten an, sondern auch Lagunenschifffahrten zum Sandhofer Altrhein oder besondere Tagesfahrten in die Region. Was ihm der Mannheimer Hafen bedeutet? „Es ist meine Heimat“, sagt er. Privat ist der Kapitän kein Mann der großen Worte. Nur wenn er auf Fahrt ins Mikro spricht und seinen Fahrgästen vom Leben im Hafen berichtet, dann kommt er gerne ins Erzählen.

Die Kurpfalz ist inzwischen vom Neckar in den Rhein gekreuzt. Stromaufwärts geht es jetzt vorbei am schicken Hotel Speicher 7 und am Verwaltungsgebäude der Mannheimer Hafengesellschaft, wo die langgestreckten Flusskreuzfahrtschiffe anlegen, von denen pro Jahr rund 700 in Mannheim Halt machen. Vor der Konrad-Adenauer-Brücke wendet die „Kurpfalz“, um stromabwärts an den schier endlos scheinenden Hafenanlagen der BASF entlang zu gleiten. Am westlichen Ufer macht der Chemiekonzern 75 Prozent des gesamten Hafenumschlags aus, weiß Schneider.

Nicht weit unterhalb der Neckarmündung biegt die Kurpfalz scharf nach rechts in den Altrhein ein und die Fahrt fährt vorbei am Mannheimer Tierheim und vorbei an „einer der ältesten Fähren Deutschlands“. Weiter geht´s entlang der Fabrikgebäude der früheren Zellstofffabrik Waldhof und des Pharmakonzerns auf den imposanten Turm der Luzenbergschule zu. Am Ufer entstehen luxuriöse Wohnungen, die Menschen haben längst das Leben am Fluss wiederentdeckt. Im weitläufigen Industriehafen hat das Unternehmen Hutchinson, das heute Gummiteile für Automobilzulieferer produziert, früher Kondome und Babyschnuller hergestellt, verrät Robert Schneider. „Wenn das eine schief ging, verkaufte sich das andere.“ Der Schiffsführer kennt all die alten Geschichten und auch die neuen Namen am Hafen: die Büros der weltbekannten Modemacherin Dorothee Schumacher, der Stadtstrand Playa del Ma. Gegenüber sehen auch die gewaltigen Backsteingebäude der Mühlen neuen Zeiten entgegen und Schneider erzählt, wie vielfältig die wuchtigen Backsteingebäude schon jetzt genutzt werden. Im Frühjahr, wenn die Saison beginnt, schaut er sich bei der ersten Fahrt immer an, was sich verändert hat im Hafen. Zwei, drei Fahrten lang braucht er dann einen Zettel mit Stichworten, bis er auch die neuen Informationen auswendig abrufen kann.

Zum Abschluss geht es in die Kammerschleuse am Industriehafen. Neugierig streckt ein kleiner Junge, der den Tag mit seiner Oma an Bord verbringt, den Kopf über die Reling. 40 Zentimeter wird die „Kurpfalz“ hier hochgeschleust, verrät ihm der Kapitän. Es geht zurück in den Neckar, zur Anlegestelle an der Kurpfalzbrücke. Noch am selben Abend aber wird Robert Schneider erneut ablegen, zur Mondscheinfahrt durch seinen Heimathafen.


www.kurpfalz-personenschiffahrt.de

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