Im Sea Life in Speyer können Besucher abtauchen in die Welt der Meere und Flüsse. Sie lernen aber auch, wie bedroht diese Lebensräume sind. Chef-Aquarist Arndt Hadamek findet: Naturschutz darf nicht über der Wasseroberfläche aufhören.
Auf die Kardinalbarsche ist Arndt Hadamek besonders stolz. Man könnte sie fast übersehen im Becken mit den wabernden Korallen und den größeren, leuchtend bunten Fischen. Dabei ist der Kardinalbarsch ebenfalls eine Schönheit: Schwarze Längsstreifen überziehen den kleinen Körper, weiße Punkte an den Flossen funkeln wie Perlen. Die Jungfische wachsen im Maul des Vaters heran, der sie nach einigen Tagen zwischen die Stacheln von Seeigeln spuckt, wo sie vor Feinden sicher sind. Damit sich dieses Schauspiel vollzieht, muss aber alles stimmen: Wassertemperatur, Härte, Salzgehalt. All die Werte also, über die Arndt Hadamek wacht.
Der gelernte Biologie-Laborant und Chemiker ist selbst Taucher, Angler, Aquarienbesitzer – und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit 2005 ist er als Chef-Aquarist im Sea Life in Speyer Herr über die Unterwasserwelt und ihre 100 verschiedenen Arten: über die grimmigen Zackenbarsche im Ozeanbecken, die orange-weißen Clownsfische im Korallenriff oder die vermeintlich bedrohlichen Piranhas im neuen Amazonas-Bereich.
Die schuppigen Bewohner in den Aquarien sind durchaus anspruchsvoll. Der schwarz-weiße Banggai-Kardinalbarsch, das Sensibelchen, ist das beste Beispiel dafür. In Speyer machen Arndt Hadamek und sein Team jedenfalls einiges richtig, denn die schmucken Riff-Bewohner vermehren sich. „Das ist eine super Sache, wenn sie sich züchten lassen“, sagt Hadamek: In ihrer indonesischen Heimat gelten sie inzwischen als bedrohte Art. „Da müsste nur eine Öl-Katastrophe kommen und sie könnten in der Natur ausgestorben sein.“ Zu schaffen macht den Banggai-Kardinalbarschen die Zerstörung der Korallenriffe – allerdings landen sie auch immer wieder in Keschern, um an Aquarienbesitzer in der ganzen Welt verkauft zu werden. In den Sea-Life-Aquarien sind Wildfänge inzwischen eher die Ausnahme. Selbst die Steinkorallen in Speyer sind Geschöpfe aus der Region: Sie stammen von einem Züchter in Leinsweiler. „Das sind echte Pfälzer Korallen“, meint Arndt Hadamek und lacht.
Kinder, Paare, Senioren – alle bleiben ehrfürchtig vor den Aquarien stehen. Auf zwei Stockwerken ermöglichen Glasscheiben einen Einblick in die unterschiedlichen Unterwasserwelten. Im Amazonasbereich können kleine Besucher eine besonders ungewöhnliche Perspektive einnehmen: Wer den Kopf in eine Halbkugel am Beckenboden steckt, kann die grimmigen Piranhas von unten betrachten.
Piranhas: „Die größten Angsthasen vor dem Herrn“
Der Anblick der räuberischen Fische dürfte manchem Besucher einen Schauer über den Rücken jagen: Bücher und Filme haben die Legende entstehen lassen, dass die Südamerikaner in Schwärmen selbst große Tiere mit ihren spitzen Zähnen zerreißen. Arndt Hadamek weiß es besser: In der Regel ernähren sich Piranhas von anderen, viel kleineren Fischen. „Das sind die größten Angsthasen vor dem Herrn“, sagt er. „Wenn man ein Fischstück ins Wasser hält, bekommen die einen halben Herzinfarkt.“
Die neue Süßwasser-Themenwelt im Erdgeschoss rückt den gewaltigsten Strom der Erde ins Bewusstsein der Besucher. Sie entdecken Saugwelse, bunte Diskusfische und können in den Becken nach versunkenen Maya-Kalendern Ausschau halten. Das alles passt zum Anspruch des Sea-Life-Centers: Besucher sollen in Speyer nicht nur schauen und staunen, sondern auch etwas lernen. Über die Ökosysteme, ihre Lebewesen, ihre Bedrohung. „Für viele Leute hört der Naturschutz leider über Wasser auf“, sagt Hadamek.
Er will deshalb, dass schon die jüngsten Besucher diese besondere Welt ertasten: Direkt neben dem tropischen Korallenriff öffnet Hadamek die Abdeckung von einem flachen Becken. Kleine Garnelen laufen über die Hände, rote Seesterne und schwarze Schlangensterne lassen sich berühren. Genau wie die dunkelbraunen, ledrigen Taschen, aus denen zuvor junge Haie und Rochen geschlüpft sind. Für viele Kinder sind das ungewohnte Erlebnisse, die Eindruck hinterlassen sollen: Was man kennt, das ist man eher bereit zu schützen.
In den früheren Berührungsbecken im unteren Stockwerk sind dagegen inzwischen unerwünschte „Mitbewohner“ von Fischen und Krustentieren zu finden. Die Besucher können dort Kunststofffolien aus dem Wasser ziehen, bedruckt mit erschreckenden Zahlen: Drei Jahre dauert es, bis sich ein Zigarettenstummel im Wasser aufgelöst hat, bei einer Plastikwindel sind es sogar unglaubliche 450 Jahre. Sea Life geht das Thema auch im eigenen Haus an: Die Artikel im Geschenkeladen sind zunehmend aus recyceltem Plastik, den Kaffee zum Mitnehmen gibt es im Restaurant im Pfandbecher.
Arndt Hadamek haben es nicht nur Fische angetan, sondern auch Reptilien. Seit mehreren Jahren züchten er und seine Mitarbeiter erfolgreich Europäische Sumpfschildkröten. In Deutschland sind sie wegen der Zerstörung von Auwäldern und Sumpfgebieten vom Aussterben bedroht. Die Speyerer Schlüpflinge haben in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund Rheinland-Pfalz inzwischen den Weg in die Freiheit gefunden: In Bobenheim-Roxheim und am Altrhein im südpfälzischen Neuburg sollen sie der Art wieder zum Durchbruch verhelfen.
Eine Schildkröte lebt auch im großen Ozeanbecken, aber Marty ist ein ganz anderes Kaliber. Die mehr als 80 Kilogramm schwere Grüne Meeresschildkröte paddelt durchs Wasser, auf der Suche nach Salat oder Brokkoli – oder nach tauchenden Aquaristen, die die Scheiben putzen und mit denen sich so gut spielen lässt. Marty stammt aus einem Projekt der Naturschutzorganisation Sea Life Trust in der Karibik, der populäre Name „Suppenschildkröte“ spielt darauf an, dass die schwimmenden Reptilien in Teilen ihres natürlichen Lebensraums immer noch als Delikatesse gelten. „Den haben wir sozusagen vor dem Kochtopf gerettet“, sagt Hadamek.
Zu Sea Life gehören rund 50 Aquarien in der ganzen Welt. „Sea Life Trust“, die eigene Umweltschutzorganisation des Unternehmens, setzt sich zudem für den Erhalt des fragilen Gleichgewichts in Meeren und Ozeanen ein. Arndt Hadamek war für die Organisation vor kurzem auf der indonesischen Insel Bali. Zusammen mit Kollegen aus anderen Aquarien ist er tauchen gegangen, hat Korallenableger auf Betonfelsen gesetzt, um die bedrohten Riffs wieder „aufzuforsten“. Er hat bei den regionalen Fischern aber auch dafür geworben, ohne Gift zu fischen. Damit lassen sich die Fische betäuben und „einsammeln“. Doch das Gift tötet nicht nur viele schwimmende Lebewesen, sondern gefährdet auch die Korallen. „Viele Menschen dort kennen nur noch weiße Korallen“, sagt Hadamek – so sehen die Lebewesen aus, wenn sie abgestorben sind. Allerdings betont der Aquarist auch: Die Fischer vor Ort seien sehr wissbegierig, vor allem die jungen unter ihnen. „Man muss es den Kindern zeigen“, ist Hadamek überzeugt, „dann lässt sich die Natur am nachhaltigsten schützen.“ Das gilt für Indonesien genau wie für die Metropolregion.
Ein ruhiger Ort in einer lauten Welt – der Dom zu Speyer.
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