… im Mittelalter ein Zentrum des Judentums war?
Holocaust, Ausgrenzung und Verfolgung – es sind die menschenverachtenden Verbrechen der Nationalsozialisten, die ihre Schatten bis heute auf das deutsch-jüdische Verhältnis werfen. Die gemeinsame Geschichte reicht allerdings viel weiter zurück und war über viele Jahrhunderte hinweg auch von Zeiten des friedlichen und respektvollen Miteinanders geprägt. Hiervon kann man sich in der Region an zahlreichen Stellen überzeugen, allen voran in den sogenannten SchUM-Städten entlang des Rheins.
SchUM steht für Speyer, Worms und Mainz – abgeleitet aus deren hebräischen Namen Schpira, Warmaisa und Magenza. Alle drei Städte waren bereits im Mittelalter Bischofssitze und als solche wichtige politische, religiöse und wirtschaftliche Zentren im „Heiligen Römischen Reich“. Jüdische Gelehrte ließen sich dort ab dem 10. Jahrhundert ebenso nieder wie Kaufleute aus Italien und Frankreich, die (Fern-)Handel betrieben.
Im 11. und 12. Jahrhundert entwickelte sich in den drei Städten eine Gelehrtentradition, die im aschkenasischen Judentum höchste Autorität in religiös-kultischen und rechtlichen Fragen genoss. Schüler aus aller Herren Länder kamen zu Rabbinern wie Gerschom ben Jehuda. Einer der Schüler des Jakob ben-Jakar war Salomo ben Isaak, bis heute berühmt unter dem Namen „Raschi“.
Die Blüte der SchUM-Gemeinden endete 1348/49 mit den verheerenden Pest-Pogromen. Das kulturelle Erbe des „Jerusalems des Westens“ lebte allerdings fort. Sei es als Bestandteil der jüdischen Religionspraxis, als Lehrinhalt an der 1979 gegründeten Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg oder in den einzigartigen, vorbildgebenden baulichen Zeugen. In Worms erinnern zum Beispiel die nach der Shoah rekonstruierte Synagoge, die Mikwe und der älteste erhaltene Judenfriedhof Europas „Heiliger Sand“ an die SchUM-Tradition. In Speyer sind es vor allem die Ruine der Synagoge, die Frauenschul und die Mikwe, das älteste erhaltene Ritualbad nördlich der Alpen.
Um diesem Erbe weltweit Anerkennung zu verleihen, engagiert sich das Land Rheinland-Pfalz bereits seit 2004 gemeinsam mit den drei Städten und den jüdischen Gemeinden in Mainz und Speyer sowie dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden und dem SchUM-Städte e.V. dafür, dass die SchUM-Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden. Einen Besuch sind sie natürlich allemal auch ohne diese Auszeichnung wert.