Die Zwillingsbrüder Tobias und Christian Pfeifer sind Schindelmacher in 7. Generation. In ihrer Schreinerei im Lindenfelser Stadtteil Winterkasten verknüpfen sie altes Handwerk mit modernster Technik – und bringen so alte Gebäude wieder zum Strahlen.

Holzspäne fallen. Mit fließenden Bewegungen führt Tobias Pfeifer das Ziehmesser über ein Stück Holz. Mit jedem Zug fallen weitere Späne, nimmt das Holz Form an. Tobias Pfeifer sitzt auf einer Holzbank, auf der schon sein Ururgroßvater saß und genau die gleichen Bewegungen machte. Etwas nach vorne beugen, das Pedal nach unten drücken, damit oben das Holzstück festgespannt wird. Dann das Messer, das links und rechts einen Griff hat, mit Kraft und Gefühl nach hinten ziehen. Tobias setzt an den Rändern an, gibt dem Holz eine Rautenform. Sie ist typisch für den Odenwald. Zahlreiche Häuser in der Region sind mit Schindeln in dieser Form bedeckt.

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Matthias Pfeifer, Vater von Tobias und Christian, über das Handwerk des Schindelmachers. Ein Film des Odenwälder Freilandmuseums.

Tobias Pfeifer ist Schindelmacher – auch wenn diese schon lange nicht mehr so hergestellt werden, wie er gerade demonstriert. Aber Tobias und sein Zwillingsbruder Christian haben die alte Technik noch von ihrem Vater und Großvater gelernt. Sie wird weitergegeben, von Generation zu Generation. Dass das alte Wissen bewahrt wird, ist der Familie wichtig. Dabei stehen in der Schreinerei Pfeifer natürlich längst Maschinen, die diese Arbeit zu einem Großteil erledigen. Sonst wäre es kaum möglich, hier 100.000 Schindeln im Jahr herzustellen. Dennoch sieht der Bereich, in dem sie entstehen, noch immer „ein bisschen Meister-Eder-mäßig“ aus, wie Christian Pfeifer es beschreibt. Es riecht auch so: nach Holzspänen und Harz. Automatisieren lässt sich das Schindelmachen nur zum Teil, jede Schindel wird hier nach wie vor achtmal in die Hand genommen. „Es bleibt ein Handwerk“, sagt Tobias Pfeifer.

Tobias Pfeifer demonstriert, wie Schindeln früher hergestellt wurden.

Die Zwillingsbrüder sind stolz darauf, dass sie eine lange Tradition fortsetzen. Irgendwann werden sie die Schreinerei von ihrem Vater Matthias Pfeifer übernehmen. Hier im Odenwald, ganz im Norden der Metropolregion, im kleinen Lindenfelser Stadtteil Winterkasten, hatte Johann Nikolaus Pfeifer 1840 die Bau- und Möbelschreinerei gegründet und sich auf die Holzschindelarbeiten spezialisiert. Damals waren Fachwerkhäuser noch weit verbreitet im Odenwald. Damit die Holzbalken auf der Wetterseite nicht so schnell faulen, wurden sie zu ihrem Schutz mit Holzschindeln verkleidet.

Holz mit Holz vor dem Faulen zu schützen – das klingt erstmal widersprüchlich. „Dass Holz nass wird, ist kein Problem – so lange es danach wieder gut trocknen kann“, erklärt Tobias Pfeifer. Deshalb werden die Schindeln auch nicht direkt auf die Fassade aufgebracht, sondern an einer Holzkonstruktion befestigt. Diese sorgt für einen Luftzug und dafür, dass die Schindeln schnell wieder trocknen. „Das hat den großen Vorteil, dass so auch noch Platz wäre für eine zusätzliche Schicht“, ergänzt Christian Pfeifer. Hinter der traditionellen Bauweise kann sich also modernste Wärmedämmung verbergen.  

Manchmal sind die Häuser richtig baufällig – aber wenn wir fertig sind, strahlen sie wieder

Tobias Pfeifer

Es ist eine Spezialität der Schreinerei Pfeifer, dass sie altes Handwerk pflegt, aber mit moderner Technik verbindet. In den 1970er Jahren vergrößerte Großvater Heinrich Pfeifer die Werkstatt. Seitdem schreinert die Familie verstärkt auch Möbel, aber vor allem Türen und Fenster für denkmalgeschützte Gebäude. „Wenn verschindelte Häuser restauriert werden, sind gerade die Übergänge von den Fenstern zu den Schindeln eine besondere Herausforderung“, erklärt Tobias Pfeifer, „da ist es ein großer Vorteil, wenn beides aus einer Hand kommt.“ Er zeigt ein Stück Holz, mit unendlich vielen Absätzen und Winkeln – das filigrane Puzzlestück eines Fensterrahmens. „Das kommt dabei heraus, wenn man ein Fenster herstellt, das aussieht wie früher – aber dreifach verglast ist, zwei Dichtungsebenen hat und dazu vielleicht noch eine Alarmspinne integriert, die den Besitzern eine Warnung aus Handy schickt, wenn das Glas zerbricht.“ 

Fitzelige Millimeterarbeit: Tobias Pfeifer zeigt ein Teil eines Fensterrahmens.

Die Rahmen werden in der Schreinerei in großen Maschinen hergestellt, die per Computer gesteuert werden. „Noch nicht vollautomatisch, aber zum großen Teil“, erklärt Christian Pfeifer. Durch die besonderen Anforderungen, die gerade Fenster oder Türen für denkmalgeschützte Gebäude mit sich bringen, gehen sie bei den Automaten oft an die Grenze des Machbaren. Tobias Pfeifer dreht das filigrane Rahmenstück in seinen Händen. „Wir kitzeln alles aus ihnen heraus.“

Aufgabenteilung: Tobias (links) ist meist im Büro, Christian in der Werkstatt.

Dass sie auch scheinbar Unmögliches möglich machen und immer auf Sonderwünsche eingehen, hat sich herumgesprochen. Die Denkmalämter der Region empfehlen die Schreinerei mittlerweile gerne auch bei größeren Projekten. So haben sie zum Beispiel 2018 das Jagdschloss Eulbach des Grafen zu Erbach-Erbach restauriert und neue Schindeln angebracht. „Das macht den Job für mich so großartig, dass man diesen ganzen Prozess begleitet. Manchmal sind die Häuser richtig baufällig – aber wenn wir fertig sind, strahlen sie wieder“, erzählt Tobias Pfeifer.

Altes Haus, neuer Glanz – eine Aufgabe, die die Brüder jedes Mal auf’s Neue reizt.

Die Nachfrage nach Schindelarbeiten reißt nicht ab. „Im Gegenteil, sie steigt sogar“, berichtet Tobias Pfeifer. Ab und zu verkleiden sie auch neue Häuser mit Schindeln, zum Großteil sind es jedoch Restaurierungen. Das Holz dafür stammt aus dem Odenwald. Vor allem Lärche wird in der Schreinerei verwendet. Weil sie hart und harzig ist – das macht es Wasser besonders schwer, einzudringen. Aus welchen Bäumen später Schindeln werden, wählt die Familie selbst aus. „Der Förster hier weiß bereits, was wir brauchen: Bäume, die möglichst gerade gewachsen sind und wenig Äste haben.“ Dann werden die Stämme grob zugesägt und zwei Jahre lang gelagert, um vollständig zu trocknen. Bis sie dann in der Werkstatt weiterverarbeitet werden. Die Späne, die dabei anfallen, werden übrigens in einem Silo gesammelt und in einer Schnitzelheizanlage verbrannt. Die Wärme heizt die Schreinerei und das Wohnhaus.

 Tobias Pfeifer ist bereits seit 2017 Schreinermeister. Christian Pfeifer lernte und arbeitete erstmal in einer anderen Schreinerei. Er wollte sich mehr auf den Innenausbau spezialisieren. „Ich fand das wichtig, auch mal in einen anderen Betrieb reinzuschnuppern und zu schauen, was die anders und vielleicht auch besser machen.“ Die Brüder ergänzen sich perfekt. Tobias ist mittlerweile hauptsächlich im Büro und managt den Betrieb gemeinsam mit seinem Vater. Christian ist eher der Praktiker, organisiert die Werkstatt und fährt mit auf die Baustellen.

Seit sie 14 Jahre alt sind, helfen die Brüder im Betrieb.

Beide leben nach wie vor in Winterkasten. „Das ist schon ein Phänomen, das niemand hier weg will“, erzählen die Brüder. Dabei ist das Dorf mit 670 Einwohnern ziemlich klein. „Aber es gibt viele Vereine und der Zusammenhalt ist groß.“ Wenn ein Verein feiert, ist das ganze Dorf dabei. Tobias hat sein Haus direkt neben die Schreinerei gebaut, Christian wohnt im Dachgeschoss des Elternhauses direkt gegenüber. Die Fassade ist, natürlich, mit Holzschindeln in Odenwälder Spitzform verkleidet.

Für die Brüder kam es nie in Frage, einen anderen Beruf zu lernen. „Dabei hat unser Vater uns immer die Wahl gelassen“, betont Tobias Pfeifer. Doch sie sind mit dem Werkstoff Holz tief verwurzelt. Seit sie 14 Jahre alt sind, helfen sie in der Schreinerei. „Wir haben schnell Gefallen daran gefunden“, bestätigt sein Bruder. Sie ließen sich auch nicht davon beirren, wenn Mitschüler früher öfter mal fragten, warum sie überhaupt Abitur machen, wenn sie doch „nur“ Schreiner werden wollen. „Ich will keinen anderen Job machen“, sagt Christian Pfeifer. „Ich sehe jeden Tag, was ich geschafft habe. Wir können hier durch die Region fahren und sehen: Das sind unsere Türen, hier haben wir verschindelt, da haben wir Fenster eingesetzt. Und immer sehen die Häuser besser aus als vorher. Das ist schon ein tolles Gefühl.“


www.schreinerei-pfeifer.de

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