Jahrzehntelang haben die Niederbronner Schwestern im pfälzischen Esthal ein Kloster betrieben. Heute wird der riesige Gebäudekomplex von einem polnischen Pfarrer als Gästehaus weitergeführt. Jaroslaw Krzewicki will aus ihm einen Ort machen, der seinen Besucher:innen nah und fern zugleich erscheint.
Als das Winterlicht durch die Fenster scheint, beginnt der große Kirchenraum zu leuchten. Eine riesige, raumhohe Wand aus bunten Glasflächen hatte der Architekt Heinrich Hebgen 1951 für die Schwestern vom Göttlichen Erlöser in Esthal entworfen. Und tatsächlich wirkt sein riesiges Kirchenschiff, kaum ist das Sonnenlicht da, auch durch sie einladend und warm. „Das hier war immer ein sehr gastfreundlicher Ort“, sagt Jaroslaw Krzewicki, der heutige Hausherr des Klosters St. Maria in der Pfalz und schaut auf die leuchtenden Fenster. „Und so soll es auch bleiben.“
Wie um das zu bekräftigen, hat der polnische Pfarrer für die Besucher:innen einige Schritte weiter ein Essen bereitstellen lassen: In einem Speisesaal dampft auf dem Tisch eine Gemüsesuppe. Das Kloster Esthal wirkt schlicht, ja fast karg, kaum hat man seine langen Flure betreten. Von ihnen aus geht es in unzählige Gäste-, Speise-, Schlaf-, Aufenthalts- und Meditationszimmer, Kapitel- und Speisesäle. Wer sich hier einmietet, kann außerdem eine Bibliothek nutzen, eine Aula und einen Festsaal. In der hellen Großküche, die einst auch Teil einer Haushaltsschule der Niederbronner Schwestern war, werden täglich drei Mahlzeiten gekocht, die man zur Übernachtungspauschale dazu buchen kann. Von hier aus gibt es unzählige Wanderrouten, etwa zur Wolfsschluchthütte, zum Weidenthaler Badeweiher, zur Burg Spangenberg. Im benachbarten Frankeneck dampft regelmäßig das Kuckucksbähnel vorbei. Außerdem ist Esthal Teil des Pfälzer Jakobswegs.
Jaroslaw Krzewicki kann sich noch gut an den ersten Eindruck erinnern, den das Kloster bei ihm hinterließ: „Ich dachte sofort, dass man in diesem Haus gut Abstand zu allem gewinnen kann“, sagt der katholische Theologe, „und zugleich mittendrin ist“. Er lächelt. Denn in der Tat liegt das Areal auf einer Art Plateau mit Obstbäumen und einem riesigen Garten, aber ganz am Ende von Esthal und der Zufahrtsstraße, dort, wo der Pfälzer Wald dicht und immer dichter wird. Zugleich ist die nächste Stadt nicht fern – in 20 Minuten mit dem Auto hat man Neustadt erreicht.
Nah an Esthal, aber dennoch mit Abstand zum Trubel der Welt.
1959 eröffneten die Niederbronner Schwestern das Kloster.
Im November 2022 verließen die letzten vier Schwestern das Kloster.
Jaroslaw Krzewicki will die Anlage als Gäste-, Tagungs- und Seminarort weiterführen.
Die Zimmer sind einfach...
...doch genau diese Einfachheit schätzen die Besucher:innen.
Das Kloster an sich hatte Jaroslaw Krzewicki durch „Fügungen“ entdeckt, wie er sagt. Denn an Zufälle glaube er nicht: Zwei polnische Gesellschafter hatten es 2019 vom Frauenorden kaufen wollen und ihn zunächst nur als Berater angesprochen. Nach einer längeren Odyssee ist er nun alleiniger Geschäftsführer der „Europäisches Haus Esthal GmbH“, die die unter Denkmalschutz stehende, viereckige Anlage als Gäste-, Tagungs- und Seminarort weiterführen will.
Das Kloster soll ein Ort des Gebets bleiben
Jaroslaw Krzewicki
Ein Bett, ein Stuhl, ein Schreibtisch, manchmal noch ein Sessel: Die Zimmer sind sehr sauber – und recht karg. Die meisten haben zwar Bäder direkt mitangeschlossen, aber nicht alle. Gerade diese Einfachheit schätzten die Besucher:innen, sagt Jaroslaw Krzewicki, das sei auch im Sinn der Nonnen gewesen: Wer sich in dem riesigen Komplex einmietet, der sucht keinen Luxus, keine Wellness-Anlagen, sondern vor allem Ruhe. Stille. Vielleicht Gebete. Und den Wald. „Regelmäßig mieten sich Seminargruppen etwa des Bistums Speyer oder der Akademie für Waldbaden hier ein“, sagt der Klosterbetreiber, der über seinem schwarzen Priesterhemd einen Kapuzenpullover trägt. Mit denkwürdiger Aufschrift: „Restart – focus on the future“.
„9. November 2022“ ist auf einem Kalenderblatt in der Sakristei zu lesen. Der Tag, an dem die letzten vier verbliebenen, betagten Schwestern Esthal endgültig verlassen haben, um an anderen Orten ihres Ordens zu wirken. Jaroslaw Krzewicki hatte selbst mit dem Weihbischof Otto Georgens, weiteren Pfarrern und zahlreichen Bürger:innen den Abschiedsgottesdienst zelebriert. „Ich hätte mich sehr gefreut, wenn die Schwestern geblieben wären.“ Fest steht, dass ihre Aufmerksamkeit und Sorgfalt nach wie vor an vielen Stellen sicht- und spürbar sind: Fein säuberlich liegen Messbücher bereit, die endlosen Reihen an Wandschränken sind mit Literatur, Geschirr, Kerzen gefüllt. Zurück ließen die Nonnen nicht nur sämtliches Inventar für einen Kloster-, Gastro-, Hotel-, Gäste- und Seminarbetrieb, sondern auch Gemälde, Skulpturen, alte Möbel. Im Gewächshaus stehen Töpfe und Anzuchterde für das nächste Frühjahr. Die Gänge sind gesäumt von selbstgezüchteten Topfpflanzen. Im Innenhof thront eine Mariensäule, die aus der Klosterwerkstatt Maria Laach stammt – ein Geschenk an die Nonnen der Klosterarchitekten.
1849 hatte Elisabeth Eppinger, „Mutter Alfons Maria“ wie sie der Orden nennt, im elsässischen Bad Niederbronn die Frauengemeinschaft gegründet, die sich von Anfang an vor allem um Arme, Kranke und Benachteiligte kümmerte. In Esthal wirkten die Nonnen genau 100 Jahre, denn schon 1922 hatten sie hier eine kleinere Schwesternstation betrieben, sich in der ambulanten Krankenpflege, im Kindergarten und in der Nähschule engagiert, ehe das Kloster 1950 beschlossen und 1959 eröffnet wurde. 235 Nonnen lebten hier, viele verbrachten in Esthal ihren Lebensabend – davon zeugt auch der ordenseigene Friedhof.
„Die Menschen in Esthal sind eng mit dem Kloster verbunden“, sagt Jaroslaw Krzewicki, dann zeigt er das Café, in dem es Kaffee und Kuchen, aber auch Eier aus dem Klostergarten gibt. „Die Hühner waren eine meiner ersten Anschaffungen.“ Eines Tages den Gemüsegarten wieder in Schwung zu bringen, womöglich Pferde anzuschaffen – Jaroslaw Krzewicki schüttelt selbst den Kopf, als er davon erzählt, denn noch sei es erstmal vorrangig, den vor Corona gut laufenden Gästestandort trotz enormer Energiepreise wieder ans Laufen zu bringen.
Zur Welt kam der Klosterbetreiber 1972 in Paszkуw in der polnischen Woiwodschaft Oppeln. Dort wurde er 1997 auch zum Priester geweiht. Bevor er nach Esthal kam, hatte Jaroslaw Krzewicki Kirchenrecht und weltliches Recht studiert und gleich zweimal promoviert, in der Diözese Rieti als Pfarrer, Dekan, Kurialbeamter und Generalvikar gearbeitet. Er ist Dozent an der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin in Rom und an der Universität Warschau – und in Esthal nun Geschäftsführer, Ideengeber, Verwalter, Rezeptionist, Ansprechpartner, Priester: „Das Kloster soll ein Ort des Gebets bleiben“, wünscht sich Jaroslaw Krzewicki, der in Esthal auch Andachten feiern will. Sein Ziel sei es, das Erbe der Nonnen zwar weiterzuführen, aber das Haus langsam auch weiterzuentwickeln. „Die große Abgeschiedenheit des Ortes ist die eine Sichtweise auf die Dinge.“ Aus der Vogelperspektive betrachtet sähe man nicht nur den unendlich wirkenden Pfälzer Wald – sondern auch, dass Frankfurt, Heidelberg, Straßburg nicht weit entfernt lägen. Eines Tages könnte es in den Klostermauern Gespräche, Seminare, Veranstaltungen zu christlichen und europäischen Werten geben. „Esthal ist im Herzen Europas“.
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