… ein Heidelberger die Nofretete entdeckte?
Sie gilt als Ikone eines zeitlos schönen Frauenbildes und hat mit ihrer Anmut, Noblesse und Ausstrahlung bisher wohl jeden Betrachter in den Bann gezogen: die Büste der Nofretete. Sie wurde am 6. Dezember 1912 im mittelägyptischen Tell el-Amarna bei einer Grabung der Deutschen Orientgesellschaft aus dem Wüstensand geborgen. Als ihr Entdecker gilt gemeinhin der Expeditionsleiter Ludwig Borchardt (1863-1938). Doch eigentlich war es Borchardts Assistent, der Heidelberger Ägyptologe Hermann Ranke (1878-1953), der die Schönheit fand.
Denn als der Schatz zum Vorschein kam, hatte sich Borchardt gerade zur Mittagsruhe gebettet. Diese fand ihr abruptes Ende, als ein Bote ins Zelt stürzte und folgende Nachricht von Ranke überbrachte: „Dringend! Lebensgroße, bunte Büste im Haus P 47“. Borchardt stürmte zur Fundstelle, gemeinsam legte man Hand an und nach einiger Zeit war die wohl berühmteste Frauen-Büste der Welt ans Tageslicht gebracht. Über 3.000 Jahre hatte sie unbemerkt und friedlich im Untergrund geschlummert.
Bis die Öffentlichkeit die Nofretete zu Gesicht bekam, sollten jedoch noch einige Jahre vergehen. Denn ohne große Umwege wanderte die Büste in den Privatbesitz des Berliner Textilunternehmers und Kunstmäzens Henry James Simon. Er hatte die Grabung finanziert und sich vertraglich die besten Stücke gesichert. 1920 schließlich schenkte er große Teile seiner Sammlung den Berliner Museen. 1924 wurde die Büste erstmals auf der Museumsinsel ausgestellt, wo sie noch heute einer der Publikumsmagneten ist. Geschätzter Versicherungswert: rund 400 Millionen Euro.
Ranke kehrte im Jahr 1913 aus Ägypten nach Heidelberg zurück. Dort baute er das Ägyptologische Institut auf, bis ihn die Nationalsozialisten im Jahr 1937 aufgrund seiner Ehe mit der „Halbjüdin“ Marie Stein in den Zwangsruhestand versetzten. Er emigrierte in die USA und lehrte dort u.a. an der Universität von Philadelphia. 1942 fand er über Schweden den Weg zurück nach Deutschland, wo er 1946 rehabilitiert wurde. Bis zu seinem Tod im Jahr 1953 lehrte und forschte Ranke in Heidelberg und Freiburg.