Wie viele Emotionen kann ein Mensch in eine Vision investieren? Um ein neuartiges Beweidungsprojekt zu starten, hat der Pfälzer Peter Hiery eine Herde Auerochsen von Spanien nach St. Martin geholt. Die Tiere sind hier heimisch geworden – und ein ewig Rastloser hat seine Ruhe gefunden.
Ganz still steht Esmeralda im Schnee. 550 Kilogramm wiegt die stattliche Dame. Friedlich sieht sie aus – nur ihre langen Hörner wirken selbst aus sicherer Entfernung respekteinflößend. Die Kuh mit dem dichten, rotbraunen Winterfell lässt Peter Hiery keinen Moment aus den Augen. Esmeralda ist Teil einer Herde Auerochsen, die am Ortsrand von St. Martin im Wald ganzjährig im Wald lebt – auch im Winter, wenn Schnee und Kälte die Landschaft prägen. Genau genommen sind es sogenannte Heckrinder, eine Nachzüchtung der im 17. Jahrhundert ausgestorbenen Auerochsen. Sie weiden hier eingezäunt auf einer Waldfläche von rund 44 Hektar – auf umgerechnet rund 62 Fußballfeldern. Die Tiere sind Teil eines ungewöhnlichen Beweidungsprojekts – oder wie Peter Hiery sagt: „Sie gestalten die Landschaft.“ Hier, am Fuße des Pfälzerwalds.
Dass die Tiere sofort auf Peter Hiery reagieren, hat einen guten Grund: Ohne ihn wären sie gar nicht hier. Der Frührentner sitzt für die Freie Wählergruppe im Gemeinderat von St. Martin – und war verwundert darüber, wie viel Geld es kostete, die Fläche am westlichen Ortsrand zu bewirtschaften. Als er 2009 im Urlaub im französischen Zentralmassiv eine Rinderart sah, die dem Auerochsen ähnelt, reifte in ihm eine Idee. Also sprach er beim Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen vor. „Sie schickt der Himmel“, antwortete der Mann hinter dem Schreibtisch. So jedenfalls erzählt es Hiery Jahre später, der mit dem Satz „Wir haben zehn Auerochsen und kein Land“ in St. Martin offene Türen einrannte. Denn die Gemeinde hatte Land – aber keine Auerochsen.
Natürlich gab es Zweifler. Gibt es heute noch. Es brauchte ein Jahr und viele Argumente, bis Hiery und seine Befürworter die Tiere in die Pfalz bringen konnten. Das Geld für ihre Anschaffung, für den Zaun, für den Tierarzt stammt seinen Angaben zufolge aus Ausgleichszahlungen: etwa wenn Unternehmen zum Ausgleich für Bauprojekte den Naturschutz unterstützen. Und aus Spenden, „nicht aber aus öffentlichen Mitteln“. Trotzdem: Der Weg war gesäumt von bürokratischen Hürden. Peter Hiery, der „Einzelkämpfer“ – er hat sie alle genommen. Eines habe ihm dabei geholfen. Er grinst schelmisch: „Dass ich selbst 40 Jahre lang für eine Behörde gearbeitet habe.“