Besonders stimmungsvoll ist Eisstockschießen in der klirrenden Kälte – spielen kann man aber auch, wenn die Sonne vom Himmel knallt. Die Spieler*innen des Mörlenbacher Eisstock-Clubs stehen seit 1974 das ganze Jahr über auf der Bahn. Präzision, Teamgeist und die richtige Strategie – damit holte der Verein schon internationale Titel.

Mit einem harten, metallischen Klacken schlägt der blaue Eisstock gegen den braunen. Das Geräusch ist so laut, dass man als unbedarfter Zuschauer unwillkürlich zusammenzuckt. Nicht so jedoch Dieter Schwarz. Der schmale Mann mit der blauen Strickjacke im Norwegermuster ist das laute Klacken gewohnt. Er kennt es von Freundschaftsspielen und Wettbewerben, vom Training und aus der Bundesliga. Schwarz lächelt kaum merklich – genau so hatte er das geplant. Sein Eisstock hat den anderen aus dem Feld gestoßen und liegt nun ganz nah an dem schwarzen Gummiring, der Daube. Stand jetzt heißt das: Ein Punkt für Schwarz. Zufrieden schnappt er sich den nächsten Stock.

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Eisstockschießen – Dieter Schwarz erklärt im Video, was die Faszination ausmacht.

Seit 2023 ist Dieter Schwarz der erste Vorsitzende des Mörlenbacher Eisstock-Clubs (MESC). An diesem grauen Tag im Dezember wartet er in der Winterwelt Mörlenbach auf eine Firma, die hier ihre Weihnachtsfeier abhalten will. Sechzehn Eisstöcke stehen bereit, außerdem einige andere Aktive des MESC, die die Teams einweisen und als Schiedsrichter begleiten werden.

Firmenevents, Familienfeiern – Eisstockschießen lockert die Runde garantiert auf.

Im dritten Jahr nach der Eröffnung hat sich die Winterwelt als vorweihnachtlicher Treffpunkt in Mörlenbach etabliert: Sieben Wochen lang sind die weihnachtlichen Buden und die beiden Bahnen in direkter Nachbarschaft zum Rathausplatz geöffnet – dieses Jahr zum ersten Mal überdacht, sodass Schnee oder Regen das Wintervergnügen nicht trüben. Vormittags kommen Schulklassen zum Schlittschuhlaufen, nachmittags und abends treten Unternehmen, Vereine, Freundeskreise und Stammtischrunden bei Eisstock-Turnieren gegeneinander an.

Als der Mörlenbacher Reiseunternehmer Volker Schmidt die Winterwelt 2022 ins Leben rief, war für ihn klar, dass er den MESC ins Boot holen wollte. Der Verein organisiert nicht nur die Turniere, sondern gibt auf der Bahn auch sein Können weiter – und hofft dabei auf den ein oder anderen Neuzugang. Denn dass es hier, fernab der Alpen, einen solchen Verein gibt, ist alles andere selbstverständlich: Mehr als 90 Prozent der Mitglieder des Deutschen Eisstockverbands kommen aus Bayern. „Wenn wir in Bayern spielen, haben wir normalerweise von vorneherein verloren“, kommentiert Schwarz die Überlegenheit der dortigen Teams. Doch der MESC muss sich nicht verstecken.

Zielgenauigkeit und Konzentration sind das Wichtigste. Eisstockschießen ist aber auch ein Strategiespiel

1974 von vier Freunden gegründet, die das Eisstockschießen aus dem Urlaub in Österreich kannten, machte sich der Verein in der deutschen Eisstock-Szene schnell einen Namen. Ihre größten Erfolge feierten die Mörlenbacher in den 1990er- und 2000er-Jahren. Selbst die bayerischen Spitzenvereine hatten in dieser Zeit gehörigen Respekt vor dem kleinen Verein aus dem Odenwald – so liest man es noch heute auf der Vereinshomepage. Insgesamt sieben Medaillen fuhr der MESC bei europaweiten Turnieren ein. Er gewannen die deutsche Meisterschaft und stellten zwei Spielerinnen für die Nationalmannschaft.

Erfolgreiche Jahre: Insgesamt sieben Medaillen fuhr der MESC bei Europameisterschaften ein, darunter einmal die goldene.

Dieter Schwarz kennt diese Zeit nur aus Erzählungen. Er kam 2017 als „Nachwuchsspieler“ zum MESC – im stolzen Alter von 57 Jahren. Bei einem Freizeitturnier in Weinheim hatten Vereinsmitglieder ihn angesprochen. An sein erstes Training erinnert er sich genau: „Danach hatte ich drei Wochen Rückenschmerzen.“ Dabei komme es beim Eisstockschießen nicht nur auf Kraft an, stellt der heutige Vorsitzende klar. Wie schnell die Eisstöcke über die Bahn flitzen, das regeln die Spieler*innen über die Laufplatte. So heißt der untere Teil des Eisstocks, der – je nach Untergrund – aus Gummi oder Plastik besteht und sich austauschen lässt. Verschiedene Farben stehen für eine unterschiedlich starke Reibung. „Mit den blauen und lilafarbenen Laufplatten geht es besonders schwer. Mit denen spielen die Profis“, erklärt Schwarz. Und genau die bekam er beim ersten Training. Ein Glück für die anderen, dass er blieb.

Rückenschmerzen bekommt Dieter Schwarz heute keine mehr, aber der Spaß am Sport ist geblieben.

Heute trainiert der gelernte Krankenpfleger, der mittlerweile im Ruhestand ist, mindestens einmal in der Woche. 36 Mitglieder zählt der MESC zurzeit, davon sind rund ein Dutzend aktiv. Im Winter treffen sie sich im Eissportzentrum in Mannheim. Im Sommer spielen sie in Mörlenbach auf ihren eigenen Bahnen aus Asphalt. Denn Eisstockschießen, das geht nicht nur bei Eis und Schnee, sondern auch, wenn andere ins Schwimmbad gehen. Zwar fiebert Schwarz der Wintersaison jedes Jahr entgegen, das erste Mal zurück auf dem Eis ist für ihn immer etwas Besonderes. Aber auch auf Asphalt fühlt er sich wohl.

Im Winter auf dem Eis, im Sommer auf Asphalt: Eisstockschießen ist rund ums Jahr möglich.

Dabei hatte Schwarz am Anfang durchaus seine Schwierigkeiten: „Ich habe einfach nicht getroffen“, erinnert er sich kopfschüttelnd. Mittlerweile ist er meist der Spieler, der das „Anmaßen“ übernimmt – so heißt der erste Schuss, der möglichst nah an die Daube gehen soll. Der Trick: „Entspannt bleiben, Zeit lassen und das Ziel immer genau im Blick behalten“, erklärt der Vorsitzende und zeigt noch einmal, wie es geht: Rechten Fuß auf die blaue Linie setzen, die auf die Bahn gesprüht ist. Mit dem linken Fuß einen kleinen Schritt nach vorne machen. Den Eisstock am ausgestreckten Arm ein paarmal nach vorne und hinten schwingen. Den Stock möglichst waagrecht auf die Bahn schicken und noch ein paar Schritte hinterherlaufen.

Dieter Schwarz demonstriert, wie man den Eisstock am besten auf die Bahn schickt.

„Zielgenauigkeit und Konzentration sind das Wichtigste. Eisstockschießen ist aber auch ein Strategiespiel“, sagt Schwarz. Gespielt wird mit zwei Teams aus jeweils vier Personen. Ziel ist es, möglichst viele eigene Eisstöcke näher an die Daube zu bringen als der Gegner. Dafür müssen die Spieler*innen sich gut absprechen: Ist es geschickter, einen gegnerischen Eisstock wegzuschießen, einen eigenen Stock näher an die Daube zu bringen oder gar die Daube zu verschieben? Zeit für lange Diskussionen bleibt aber nicht: Rund 25 Minuten dauert ein Spiel – in denen die Teams fünfmal die Seite wechseln und jedes Team seine vier Eisstöcke sechsmal übers Eis schießt.

Gleich am Ziel!

Mit einem dumpfen Rumpeln gleitet der Eisstock über die Bahn und bleibt wenige Zentimeter vor der Daube liegen. Die Zeiten, in denen Schwarz nicht traf, sind eindeutig vorbei. Schießt er doch mal vorbei, versucht er, sich nicht zu ärgern: „Wenn man einen Schuss daneben setzt, darf man damit hadern, bis man auf der anderen Seite ist. Länger nicht.“ Dann heißt es wieder: volle Konzentration.


www.mesc-moerlenbach.de

Beim MESC kann man Eisstockschießen auch im Sommer ausprobieren. Einfach eine E-Mail an mesc-moerlenbach@t-online.de schicken und mit der Firma, dem Freundeskreis oder dem Verein einen Termin zwischen April und September vereinbaren. Zu den Trainingszeiten sind Interessierte ebenfalls willkommen.

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