Ringen um den Sieg – dieses Schauspiel ist so alt wie die Menschheit. Und doch ist jeder Ringkampf immer wieder neu und spektakulär. Dafür steht auch die pfälzische Ringerhochburg Schifferstadt, wo Trainer Markus Scherer das Erbe des „Krans von Schifferstadt“ verwaltet und Talente fördert wie Denis Kudla, der bei den Olympischen Spielen in Rio Bronze und bei der Ringer-WM in Paris Silber gewann.
Mal wieder ein warmer Sommerabend in Schifferstadt in der Vorderpfalz – dort, wo Deutschland statistisch gesehen am wärmsten ist. In der „Wilfried Dietrich-Halle“ des VfK Schifferstadt geht es richtig heiß her. Auf blauen Bodenmatten spielen sich drei Trainingskämpfe gleichzeitig ab. Die Neonlichtbeleuchtung offenbart schonungslos, wieviel Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer ein Ringkampf fordert – in den verschwitzten Gesichtern der jungen Athleten lässt sich die Anstrengung ablesen. Dennoch, manchmal wirkt die griechisch-römische Version des Kampfes wie ein Schauspiel in Zeitlupe: immer wenn ein Ringer zögernd nach dem richtigen Griff oder „Hebel“ tastet, wenn die Kämpfer sich mental fokussieren – bevor sie ihre Gegner mit einem heftigen Ruck auf die Matte schleudern.
Markus Scherer lehnt an der Wand und beobachtet mit verschränkten Armen die Kämpfe. Der Trainer liest nicht in den Gesichtern der Ringer. Er liest in ihren Bewegungen. Klar, sagt er, Ringen sehe für Außenstehende einfach aus. „Aber wenn es hier so einfach wirkt, dann nur, weil die Athleten sehr gut trainiert sind“, lässt er mit knurrigem Unterton jeden wissen, der den Sport unterschätzt.
Hier, im Neustückweg in Schifferstadt, laufen die Fäden des mehrfachen deutschen Meisters VfK Schifferstadt zusammen. Hier ist Ringen keine Randsportart, sondern Tradition, Identität und für viele das halbe Leben. Zwei Dinge haben die pfälzische Kleinstadt mit ihren rund 20.000 Einwohnern berühmt gemacht: das Bronzezeit-Artefakt „Goldener Hut“, das 1835 ein Bauer bei Feldarbeiten aus dem Acker hob – und Wilfried Dietrich, der legendäre „Kran von Schifferstadt“, der bei den Olympischen Spielen 1972 einen spektakulären Sieg errang.
In der Wilfried-Dietrich-Halle in Schifferstadt ist das zweite Zuhause von Trainer Markus Scherer.
Die Ringer, die sich hier in ihren hautengen Anzügen dem Kampf stellen, sagt Markus Scherer, „die haben nicht nur Kondition. Die haben auch stahlharte Arm- und Bauchmuskeln und eine intensiv trainierte Halswirbelsäule“. Aber auch wenn Kraft und Fitness im Überfluss vorhanden sind – letztendlich sei der unbedingte Wille der Schlüssel zum Erfolg. Die Bereitschaft, die eigenen Grenzen zu überschreiten, das mache einen Gewinnertypen erst zum Sieger.
Der Schifferstädter weiß, wovon er spricht. Schließlich stammt er selbst aus einer Ringer-Dynastie. Markus Scherer ist der jüngste von drei Brüdern, die allesamt einen Ruf als technisch brillante Ringer hatten. Wie Freddy und Bernd, so hat auch der heutige Trainer seinen Platz in der Galerie von Weltklasse-Athleten aus Schifferstadt. 1984 war der gebürtige Ludwigshafener olympischer Silbermedaillengewinner, fünf Jahre später kämpfte er sich zum Europameister im griechisch-römischen Stil. Und die Ringer-Legende der Scherers wird weiter geschrieben. Unter den Ringern, die an diesem Abend zu Hip Hop-Beats trainieren, ist auch Markus Scherers Sohn Marvin. Er ringt mit dem VfK Schifferstadt in der Bundesliga und konnte bei den Deutschen Meisterschaften bereits einen fünften Platz erkämpfen.