Im kleinen Litzelbach haben Johannes Gehrig und Monica Gehrig-Himmel einer historischen Hofreite neues Leben eingehaucht. In ihrer Manufaktur veredeln sie Odenwälder Obst in Brände, Liköre und Fruchtaufstriche, die immer für eine Überraschung gut sind.
Ein Neustart mit Mitte 50. Auf einem 400 Jahre alten Gehöft in einem 160-Seelen-Dorf im Überwald. Mit einer Schnapsidee im Kopf, aber tatkräftigen Händen. Ob das gut geht? „Das weiß man erst, wenn man es versucht“, sagt Johannes Gehrig und lacht. Denn es ging gut. „Odenwälder Feine Spezialitäten“ heißt die Manufaktur, die er mit Monica Gehrig-Himmel in Litzelbach, einem Ortsteil von Grasellenbach, aufgebaut hat. Und für die beide ihre bisherigen Leben hinter sich gelassen haben.
Ein Schmuckstück ist die historische Hofreite heute. Die Herbstsonne strahlt auf renoviertes Fachwerk und freigelegten Sandstein, auf Holztüren und Blumentöpfe. Im ehemaligen Stall stapelt sich Brennholz und in der Hofmitte spendet ein prächtiger „Keschde“-Baum Schatten. Dazwischen springt Hofhund Lilly aufgeregt umher, immer auf der Suche nach der nächsten Streicheleinheit.
Hinter dem Hof sorgen Wald und Wiesen für eine Kulisse in Grüntönen, vor der zwei Kühe mit ihren Kälbern grasen – die Sommergäste des Hofes – sowie Ecco, das alte Pferd der Gehrigs, und die ehemaligen Zirkusponys Maxi und Moritz. Johannes und Monica wohnen im Haupthaus, aus dem ehemaligen Schweinestall wurde der Verkaufs- und Probierraum und in der Silomiete steht heute der Brennofen. Gut 1.000 bis 1.300 Liter Likör und 600 Liter fertiger Schnaps entstehen hier jedes Jahr. Hinzu kommen 2000 bis 2500 Gläser mit Fruchtaufstrichen. Alles hergestellt in Handarbeit.
Odenwälder Idylle: Der Grasellenbacher Ortsteil Litzelbach.
Hier haben sich Johannes und Monica 2007 niedergelassen.
In einer 400 Jahre alten historischen Hofreite.
Der alte Schweinestall ist heute der gemütliche Hofladen.
In dem natürlich auch probiert werden kann.
Und in der Silomiete...
steht der Brennofen.
2007 hat das Paar den Hof gekauft. Damals arbeitete Johannes noch als Programmierer in einem Verlag, Monica in der Verwaltung eines Wohnheims für Menschen mit Behinderung. „Der Verlag stand nicht so gut da“, erzählt Johannes. „Es war schon länger klar, dass es schlau wäre, nach einer Alternative zu suchen.“ Und für ihn stand schnell fest, dass diese Alternative kein weiterer Bürojob sein wird. Sein Traum, schon lange: eine eigene Brennerei. In Lampertheim hatte seine Familie früher einen großen Schrebergarten. Auf rund 400 Quadratmetern wuchsen viele Obstbäume. Die Ernte brachte sein Vater jedes Jahr zu einem Schnapsbrenner. „Ich habe sein Hobby übernommen und weitergeführt.“ Und nun wollte er aus dem Hobby einen Beruf machen. Doch dafür brauchten sie einen geeigneten Ort.
Dass das kein einfacher Weg wird, war uns beiden klar. Aber einfach ist ja auch ziemlich öde.
Zwei Jahre lang suchten sie, von Weinheim bis zur bayrischen Grenze. Bis sie auf dem denkmalgeschützten Dreiseithof in Litzelbach standen. „Der Hof hat direkt zu uns gesprochen, obwohl der Zustand eine Katastrophe war“, erzählt Monica. „Wir hatten sofort Ideen, wo was entstehen, wie was aussehen könnte.“ Sie schlugen zu. Und lebten die erste Zeit im Obergeschoss des Haupthauses, mit einfach verglasten Fenstern und einer stinkenden Ölheizung. „Das Erdgeschoss war komplett unbewohnbar.“ Der erste Winter, erzählen sie, sei schon hart gewesen. Aber Zweifel an ihrem Vorhaben hatten sie nie. „Dass das kein einfacher Weg wird, war uns beiden klar“, sagt Johannes. „Aber einfach ist ja auch ziemlich öde.“
Nach und nach renovierten sie den Hof, fast komplett in Eigenleistung. Dafür belegte Johannes sogar einen Kurs in Lehmbau. „Wir wollten den Charakter des Hofes unbedingt erhalten und wo es geht Naturmaterialien verwenden“, erzählt er. Viele gemütliche Räume sind so entstanden. Auch der Verkaufsraum wirkt mit seinen vielen alten Holzmöbeln eher wie ein Wohnzimmer. Hier stehen Flaschen an Flaschen. Keine Standardgefäße, sondern ungewöhnliche Flaschen von italienischen und französischen Herstellern. Schon von außen soll klar sein, dass im Innern etwas Besonderes wartet.
In den ersten Jahren ließen die Gehrigs noch brennen. Als Johannes tatsächlich seine Kündigung in den Händen hielt, beschlossen sie, voll einzusteigen. Für ihn hieß das zunächst: nochmal die Schulbank drücken. Nach zwei Jahren an der Landwirtschaftlichen Fachschule war er staatlich geprüfter Brenner und konnte ein altes Brennrecht übernehmen. Seitdem experimentiert er. Mit Obstsorten und Reifungsarten, mit Aromen und Geschmacksnuancen, immer auf der Suche nach dem nächsten Gaumenkitzel.
Johannes stellt Klassiker wie „Alte Birne“ und „Alte Zwetschge“ her, allerdings – natürlich – mit einem Twist: „Wir verwenden zusätzlich getrocknetes Obst – für ein intensiveres Aroma“. Seine Spezialität sind Traubenbrände. „Sortenrein“, stellt er gleich klar. Es gibt Brände aus Riesling und Chardonnay, aus Sauvignon Blanc und Gewürztraminer. Sein Sylvanerbrand aus dem Kastanienfass bekam 2020 bei der Destillata in Wien eine Goldmedaille.
Daneben hat Johannes viel Ungewöhnliches im Sortiment – wie einen Brand aus geeistem Apfelwein. Klingt raffiniert, „war aber ein Unfall“, erzählt Johannes. Im Winter fror ihm der Apfelwein aus Versehen ein. Als er langsam wieder auftaute, bemerkte er, dass der Wein nun viel milder schmeckte. Was also tun mit 150 Litern Apfelwein, die nicht mehr so richtig nach Apfelwein schmecken? „Brennen natürlich!“ Daraus entstand ein milder Brand, mit einem ungewöhnlich kräftigen Apfelaroma. Und auch seine Liköre erschlagen nicht mit Süße, sondern überraschen mit fein kombinierten Aromen.
Besonders stolz ist Monica auf den Clementinengeist. Er ist mit das teuerste Produkt im Sortiment. Aus einem einfachen Grund: „Es ist eine Mordsarbeit“. 25 Kilogramm Clementinen haben sie dafür verarbeitet, jede einzelne Frucht per Hand geschält und filetiert. „Die Arbeit hat sich gelohnt.“ Es gibt kaum eine Idee, die Johannes zu verrückt ist. Als ein Bäcker ihn fragte, ob er einen Likör aus Brezenknödeln machen könnte, nahm er die Herausforderung sofort an. „Aber das ging in die Hose.“
Genauso experimentierfreudig und kreativ wie Johannes am Brennofen, geht auch Monica beim Kochen ihrer Fruchtaufstriche vor. Früher tingelte sie mit dem Bauwagen des „Traktor-Theater Tromm“ durch den Odenwald und erzählte Kindern Märchen (hier geht’s zu unserer Wo-Sonst-Geschichte über das Tromm-Theater). Heute kocht sie ihre Leidenschaft für alte Geschichten in ihre Fruchtaufstriche ein. Die dann „Die Geschichte vom Marillenbaum“ oder „Die drei goldenen Äpfel“ heißen. Bevor sie Gäste probieren lässt, dreht sie das Etikett gerne nach hinten. „Ist doch viel spannender so.“ Sie kombiniert Himbeeren mit Tonkabohnen, Kirschen mit Marzipan oder Apfel mit Chili. Ausgefallen, aber nie beliebig. Wie bei den Bränden (mit Ausnahme der Trauben) kommt das Obst für die Fruchtaufstriche aus dem Odenwald. Von Landwirten und befreundeten Familien – oder Initiativen wie den Streuobstwiesenrettern.
Jeden dritten Sonntag im November feiern sie auf ihrem Hof den Brennertag. Dann wird auch der alte mit Holz befeuerte Backhofen hinter dem Haus angemacht. „Den haben wir bei der Renovierung entdeckt“, erklärt Johannes. Dann gibt es frisch gebackenes Brot, dazu Monicas Fruchtaufstriche und Johannes Brände und Liköre. Und das alles vor einem herbstlichen Odenwaldpanorama.
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