Aus der Zeit geschwebt

Einsteigen, entschleunigen, genießen: Das ist das Motto der Rietburgbahn bei Edenkoben. Der Wirtschaftsingenieur Gerhard Weickenmeier will den einzigen Sessellift der Pfalz fit für die Zukunft machen – und dabei ihren Charme erhalten.

Langsam kommen die beiden Sessel von hinten gefahren. Einfach setzen und schon geht es los – in gut zehn Minuten im Schwebezustand von 315 auf 532 Höhenmeter. Die Geräusche anderer Menschen werden leiser, Vogelstimmen und das Rauschen der Baumkronen lösen sie ab. Nur ein leises Quietschen ist zu hören, wenn die Gondel über die Rollen der Stützen rutscht. Wer nach der Hälfte der Fahrt den Kopf nach rechts dreht, erkennt hinter Wipfeln und zwischen grünen Bergrücken das Hambacher Schloss.

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Musik: Julian Winter „Home“ via FreeMusicArchive

Die Rietburgbahn ist die einzige Sesselbahn der Pfalz. Ein nostalgischer Ort, der modernen Ansprüchen genügt. Von der Talstation westlich von Edenkoben, direkt neben der Villa Ludwigshöhe, bringt sie ihre Fahrtgäste hoch zur Ruine der Rietburg. Seit 1954.

Geruhsam hinauf auf 532 Höhenmeter – und wieder hinab.

Am Anfang war es eine Stammtischidee der beiden Edenkobener Hermann Alles und Ludwig Urschbach, die in ihrer Heimat ein „Nachkriegswunder“ wahrmachten. Den Beton für die Fundamente der Stützen zogen zwei Pferde auf Schlitten den Berg hoch.

Gerhard Weickenmeier war schon als kleiner Junge hier. Sein Vater habe beim ersten Besuch gewollt, dass er beim Blick von der Rietburg den Text des Pfälzerliedes aufsage: „Am deutschen Strom, am grünen Rheine ziehst du dich hin o Pfälzerland.“ Weickenmeier kann es noch heute. Dabei zog es ihn nach seiner Pfälzer Jugend zunächst hinaus in die Welt: Er arbeitete für den Autobauer Daimler. Mal in Stuttgart, mal in Mannheim. Mal in Indonesien, mal in Südafrika. Mit 58 ging der Wirtschaftsingenieur in Vorruhestand – und musste doch nicht lange auf eine neue Aufgabe warten. Im November 2018 wurde er Geschäftsführer der Rietburgbahn. Der Betreiber Heinz Alles, Sohn des Mitgründers, war kurz zuvor gestorben. Inzwischen führt Weickenmeier die Geschäfte der 1. Pfälzischen Sesselbahn GmbH zusammen mit Tina Mermer, der Tochter von Heinz Alles. Er hat sich in die Aufgabe eingearbeitet, hat sich bei Experten im In- und Ausland informiert. Sein Ziel: „Ich will, dass die Bahn für mindestens 25 weitere Jahre abgesichert ist.“

„Die Bahn ist sozusagen ein Denkmal, ein Kleinod“

Gerhard Weickenmeier

Zu diesem Zweck startete der neue Geschäftsführer eine Generalüberholung: Stück für Stück wird saniert, erneuert, aufgerüstet. Ein neuer Motor bewegt das Seil, die Rollenbatterien wurden aufwendig abgebaut, abgestrahlt, geprüft, nachgeschweißt, verzinkt. Trotzdem soll der nostalgische Charakter erhalten bleiben. Die alten Hinweisschilder hängen noch, der Stahl von Stützen und Gondeln ist im klassischen Seilbahn-Grün angestrichen. „Die Bahn ist sozusagen ein Denkmal, ein Kleinod“, sagt Gerhard Weickenmeier.

Ein Denkmal – mit moderner technischer Ausstattung.

Wichtig ist dem Ingenieur die Sicherheit. Während der Fahrt schweben die Gäste zwar nie höher als sieben Meter über dem Boden, der Nervenkitzel hält sich also in Grenzen. Trotzdem hat die Rietburgbahn auch hier nachgerüstet. Neue Seilfänger sollen die Gefahr einer Entgleisung noch weiter minimieren. Zudem hat Weickenmeier das Tempo gedrosselt. Die Bahn ist im Schnitt mit 0,85 bis 1,1 Metern pro Sekunde unterwegs. Beim Einstieg kann sie auf bis zu 0,1 Meter abbremsen. Diese „Schleichgeschwindigkeit“ ist eine Edenkobener Spezialität. Weickenmeiers Motto für die Bahn lautet: Einsteigen, entschleunigen, genießen. Wer an der Bergstation beim Ausstieg helfe, der schaue in lauter glückliche Gesichter.

Angekommen auf 532 Höhenmetern nimmt Gerhard Weickenmeier eine Handvoll Mais und geht zum Wildgehege. Wie die Gaststätte an der Talstation gehört es zum Betrieb. 18 Damhirsche leben dort, mit großen Augen und ohne Scheu betrachten sie die Menschen auf der anderen Zaunseite. Als Weickenmeier seine Hand vor eine Zaunöffnung hält, kommt eine ganze Schar angelaufen. Besonders stolz ist er auf Tom, den „Doppelkopf“: Der Hirsch hat im zweiten Lebensjahr ein zweites Geweih gebildet, ohne das alte abzuwerfen. Wer die Enden zählen will, kommt schnell durcheinander.

Auch nach all den Jahren nicht langweilig: Gerhard Weickenmeier füttert die Damhirsche.

Ein paar hundert Meter sind es vom Wildgehege zur „Pfalzterrasse“ an der Ruine der Rietburg. Die Höhengaststätte bietet dort Pfälzer Spezialitäten, Schorle, Kaffee und Kuchen an. Während sie sich stärken, lassen Ausflügler den Blick in die Ferne schweifen. An diesem Tag erstreckt sich hier vor allem ein hellgrünes Meer aus Weinstöcken. Dahinter geht die Landschaft in Dunst über. Doch bei sehr guter Sicht gibt es fast nichts, was man von hier aus nicht sehen könnte: die Dome von Worms und Speyer, die Hochhäuser des Frankfurter Westends, die Türme des Großkraftwerks Mannheim, das Straßburger Münster. Wie ein aufgeschlagener Atlas des Südwestens.

Die Aussicht von der Ruine der Rietburg.

Die Talstation ist am besten mit dem Auto zu erreichen. Wer mit dem Zug nach Edenkoben fährt, muss eine gut einstündige Wanderung bis zur Bahn einplanen – oder aufs Rad steigen. An schönen Wochenenden nutzen bis zu 1000 Menschen die Rietburgbahn. Sechs Nationalitäten haben die Mitarbeiter schon an einem Tag gezählt. Bei speziellen Aktionen wird das Schweben zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht: Dreimal im Jahr bietet die Rietburgbahn Lampionfahrten an, bei denen jede Gondel beleuchtet ist. Und bei der Schorlefahrt drehen die Gäste mit einem Glas des Pfälzer Nationalgetränks in der Hand eine Runde. Zu den besonderen Aktionen gehört auch ein Familien-Wochenende mit einer Rätsel-Tour und Tombola für Kinder.

Bei der Fahrt runter ins Tal lässt Gerhard Weickenmeier den Blick zufrieden über die Trasse und die erneuerten Beton-Fundamente der Stützen gleiten. Eine sehr sinnvolle Tätigkeit habe er, findet er. „Der Kopf bleibt fit. Bei allem, was Sie machen, haben Sie eine Uraufführung. Jedes Mal brauchen Sie eine spezifische Lösung.“ Natürlich braucht die 67 Jahre alte Technik ihre Pflege – aber darin liegt für ihn gerade der Reiz. „Sie können es Liebhaberei nennen. Das ist wie einen Oldtimer zu sanieren.“


www.rietburgbahn-edenkoben.de

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