Leuchtend orange, schneeweiß, dunkelgrün oder hellgrau. Mit Warzen oder ohne. Rund, länglich, in Form von Ufos oder Schwänen – mehr als 800 Kürbissorten gibt es weltweit. 50 davon baut Gerd Renner rund um Mutterstadt in der Vorderpfalz an, dem größten Freilandgemüseanbaugebiet Deutschlands.
Es ist Hochsaison bei Gemüse Renner. Auf den streng nach Sorten getrennten Feldern bei Mutterstadt werden unermüdlich Kürbisse geerntet, gereinigt und verpackt. Mit seinem VW-Bus rattert Gerd Renner an diesem Herbstnachmittag über aufgeweichte Feldwege, durch Schlammpfützen und Schlaglöcher. Er wirft einen Blick auf den Ertrag, wechselt ein kurzes Wort mit Kolleg:innen, prüft auffällige Früchte auf Viren oder Sonnenbrand: „Je dunkler ein Kürbis ist, desto schneller ist er betroffen.“
Auf den Anhängern stapeln sich derweil Kisten mit perfekten Butternut-Kürbissen: orangebraun müssen sie sein, in typischer Flaschenform und so groß wie ein DINA4-Bogen. Auf dem Firmengelände schießen knallorangene Hokkaidos durch das sprudelnde Wasser einer eigens gebauten Kürbis-Waschstraße, bevor sie in blitzblank geputzten Gemüsekisten landen. Hinzu kommen aber auch Pink Jumbo Bananas oder Black Forests. Schließlich hatte Renner schon Anfang der 1990er Jahre exotisches Saatgut von einer Reise nach Südafrika mitgebracht – seitdem experimentiert er unermüdlich.
Gerd Renner stammt aus einer Familie, die schon seit dem 16. Jahrhundert Gemüse in der Pfalz anbaut. Aber er war einer der ersten Bauern in Deutschland, der neben Karotten, Kartoffeln und Salat eben auch Kürbisse anbaute. Sein Vorsatz: „Wer an Kürbis denkt, sollte an mich denken.“ Er funktionierte Maschinen um oder entwickelte und baute neue. Heute gilt er weit über die Grenzen Mutterstadts hinaus als Experte. Sein Netzwerk mit Kürbisbauern auf der ganzen Welt ist groß. Inzwischen hat er seinen Betrieb innerhalb der Verwandtschaft an die nächste Generation verpachtet, heute führt sein Großneffe Andreas Renner die Familientradition fort. Den Kürbisbereich leitet Gerd Renner aber weiterhin.
Herbstzeit ist Erntezeit in der Pfalz.
Rund um Mutterstadt baut Gerd Renner rund 50 verschiedene Kürsbisorten an.
Natürlich auch die beliebten Hokkaidos.
Die seinen Geschmackstest bestehen müssen.
Aber auch exotische Sorten hat er im Sortiment.
Im Herbst beliefert er auch Freizeitparks und Kürbisausstellungen.
Rund um Halloween sind auch Zierkürbisse sehr gefragt.
Stets an seiner Seite: Stefan de Kock. Der junge, strohblonde Südafrikaner soll bald sein Zepter übernehmen, auch er brennt für Kürbisse, seit er vor neun Jahren in die Pfalz kam, um seine Familie zu besuchen – seine Mutter und Großeltern sind echte Pfälzer. „Alles was ich über Kürbisse weiß, weiß ich von ihm“, sagt de Kock, der bald seinen Abschluss als Gärtnermeister mit der Fachrichtung Gemüsebau macht und dann auch den Kürbisbereich übernehmen soll.
Wenn es sein muss, würde ich für die Kürbisse auch singen und tanzen
Während der Saison von Frühjahr bis Herbst sind beide nun gemeinsam auf den Feldern unterwegs, brüten über bunten Saatgutkatalogen und wählen aus, welche spektakulär geformten und gefärbten Sorten bei ihnen wachsen könnten. Neben klimatischen Voraussetzungen geht es auch um Trends. Gerade sind weiße und graue Kürbisse als Deko sehr gefragt: „Beim Verzehr sind die Verbraucher bei diesen Farben aber eher kritisch.“ Ein Vorurteil, finden die Profis, denn die Farbe habe überhaupt keinen Einfluss auf den Geschmack.
Die Hälfte der Kürbisse wird inzwischen biologisch angebaut, dabei greifen sie auf vorgezogene Jungpflanzen zurück: „Hier können wir ohne den Einsatz von Insektiziden arbeiten.“ Das ist Gerd Renner wichtig, denn: „Wir brauchen ja Bienen zum Bestäuben.“ Seit neuestem tüftelt er an Portionskürbissen für nur eine Person: „Aktuell werden Kürbisse meist mit einem Gewicht zwischen 800 Gramm und 1,5 Kilogramm verkauft. Das ist für eine Person aber zu viel.“ Die perfekte Größe hätten dafür eigentlich die kleinen, gelben Spaghettikürbisse: „Ihnen fehlen aber die charakteristischen Streifen.“ Daher plant Renner nun, winzige Hokkaidos anzupflanzen: „Schafskäse dazu, ab in die Mikrowelle und schon hat man ruck-zuck ein perfektes Gericht.“
Besonders begeistern können sich die beiden für ihr Probierfeld. „Das ist unser Kürbiswonderland“, sagt Stefan de Kock und zeigt auf Sombras, die weiß oder zartgrau sind, oder auf Popcorn-Kürbisse. Eine neue, weiß gewarzte Sorte – perfekt für Halloween. Als Reinfall erwies sich dagegen die Bischofsmütze, die schnell faulte, während andere Sorten bis zu drei Monate eigentlich bei Zimmertemperatur gelagert werden können. Und Melonen? „Die haben wir zwischendrin nur zum Spaß angebaut.“
Gerd Renner verkostet jede Sorte roh, ist ständig auf der Suche nach neuen Rezepten – und organisiert regelmäßige Versuchsabende mit Freunden. Jeder bringe dazu ein neues Gericht mit. Feste Speisekürbisse wie der Mini-Muskat würden dann zu Salaten, zu Carpacchio oder Kürbis-Bruschetta verarbeitet. „Sogar ein Kürbis-Eis war einmal dabei.“ Grundsätzlich seien alle Kürbisse essbar, vorausgesetzt, ihre Bitterstoffe würden herausgezüchtet – anders als bei Zierkürbissen: „Sehr selten kommt es zu Vergiftungen, aber grundsätzlich schmecken sie einfach nicht.“
Was zur Zierde wächst und was als Speise – die Grenzen seien da manchmal fließend: Der kleinste Esskürbis, Jack Be Little, sehe aus wie eine perfekte Mandarine. Er würde oft mit einem Zierkürbis verwechselt, dabei schmeckt er wunderbar nach Marzipan. Der größte Kürbis, Atlantic Giant, ist eher für Meisterschaften gedacht, der Weltrekord aus den USA liegt bei 1.246 Kilo. Renners größtes Exemplar wog immerhin 250 Kilo – ein Prachtexemplar, das schließlich vor Supermärkten für das dortige Sortiment warb.
Zwar sind Hokkaido und Butternut nach wie vor die beliebtesten Speisekürbisse in Deutschland, Gerd Renner findet jedoch, man sollte sich kulinarisch keineswegs darauf beschränken. „Der Sombra zum Beispiel schmeckt intensiv nach Kastanie.“ Oder wie wäre es mal mit einer Suppe aus dem Butternut? Sie hat zuhause bei Familie Renner längst die samstägliche Kartoffelsuppe ersetzt: „Wir bereiten sie gerne mit Gemüsebrühe, etwas Sahne und Currypulver zu.“
An seine Heimat Südafrika erinnert Stefan de Kock der kleine, perfekt gerundete und satt dunkelgrüne Gem Squash. Bei der Zubereitung schwört er auf ein einfaches Familienrezept: Dazu wird der Kürbis halbiert, rund 20 Minuten gekocht und dann mit Butter und Salz oder wahlweise Zucker gegessen. Seine Kollegin Olivia Königsmann dagegen verwendet in ihrer Küche Schnitzkürbisse – im Ganzen. Die gebürtige Amerikanerin lebt seit drei Jahren in der Pfalz und ist im ersten Ausbildungsjahr zur Gärtnerin im Gemüsebau. Auch für sie bedeuten Kürbisse Heimatgefühle. Aus dem herausgelösten Fleisch bereitet sie Pumpkinpie zu, eine Art Kürbiskuchen, für den sie sogar die Kerne nutzt, die geröstet und gewürzt werden.
Grundsätzlich ist Renners Betrieb auf Großkunden wie Supermärkte ausgelegt, die inzwischen aber eben auch exotische Sorten anbieten. Ein Sortiment baut er extra für den Holiday Park an. Ein Hofladen und zwei Selbstbedienungsfelder mit Kasse in der Nähe von Mutterstadt ermöglichen aber auch den direkten Abverkauf. Bei aller Liebe zum Gemüse – den Titel „Kürbis-König“ mag Gerd Renner für sich nicht. Eher sieht er sich als Experte oder gern auch als Pionier. Mit „Sprechen Sie Kürbis?“ habe eine Zeitung einmal einen Text über ihn überschrieben. Gefallen habe ihm das schon. Gerd Renner kreiert, pflegt, kocht und isst schließlich Kürbisse aus Leidenschaft. Und dann sagt er lachend: „Wenn es sein muss, würde ich aber auch für sie singen und tanzen.“
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