Klar Seifen ist die älteste Seifenmanufaktur in Deutschland. 1840 in Heidelberg gegründet, war der Betrieb fünf Generationen lang in Familienhand. Dann stand er vor dem Aus, die Nachfolge war unklar. Bis 2011 Jan Heipcke die Manufaktur übernahm und seitdem die Balance hält: zwischen traditionellem Handwerk und moderner Produktion, alten Rezepturen und neuen Trendprodukten.
Ein Gang, hohe Regale, darin Karton über Karton. Eine völlig normale Lagerhalle in Plankstadt, auf den ersten Blick. Nichts ungewöhnliches für die Augen – aber für die Nase. Jedes Einatmen, jeder Schritt entlang der Regale bringt einen neuen Duft. Schritt, Lavendel. Schritt, Zitronengras. Schritt, Orange. Schritt, Weihnachten. Moment, Weihnachten? Ein Schritt zurück. Richtig, hier lagern Reste des Weihnachtsgeschäfts. Seife, die nach kandiertem Apfel oder Zimt riecht und sogar nach Vanillekipferl. Wer hat sich das denn ausgedacht? Jan Heipcke, der Geschäftsführer von Klar Seifen, lacht. Er findet den Duft kein bisschen abwegig. „Zu Weihnachten gibt es doch kaum einen besseren Geruch als frischgebackene Plätzchen!“
Experimentiert wird also immer noch gern bei Klar Seifen, auch wenn die Produktion am neuen Standort in Plankstadt längst nicht mehr nur von Hand erfolgt. „Wir probieren immer neues aus, entwickeln alte Produkte weiter, nehmen neue Produkte ins Sortiment auf“, erklärt Heipcke. Der gebürtige Hamburger hat den Heidelberger Traditionsbetrieb 2011 übernommen. Klar Seifen stand damals vor einer ungewissen Zukunft. Fünf Generationen lang war der Betrieb bis dahin in Familienhand, doch die Nachfolge unklar. Heute gibt es über 200 Klar-Produkte, die mittlerweile auch in eigenen Läden in Heidelberg, Berlin und Düsseldorf verkauft werden.
Angefangen hat die Geschichte von Klar Seifen bereits im 19. Jahrhundert. Philipp Klar lernte als erster seiner Familie die Kunst des Seifensiedens. Als Geselle ging er auf Wanderschaft, die ihn bis nach St. Petersburg führte. Mit viel Erfahrung und viel Wissen kehrte er in die Heimat zurück. 1840 eröffnete der Seifensiedemeister schließlich seinen eigenen Handwerksbetrieb mit Laden in der Heidelberger Hauptstraße. Die Generationen nach ihm vergrößerten den Betrieb und weiteten die Produktion aus. „Allerdings war Klar Seifen in dieser Zeit als Marke kaum präsent“, erklärt Heipcke. Die Familie Klar produzierte ihre Seifen meist im Auftrag für Andere.
Der neue Produktionssitz von Klar Seifen in Plankstadt...
...mit angeschlossenem Laden.
Hier wird auch die Seifenproduktion erklärt...
und mit welchen duftenden Inhaltsstoffen Klar arbeitet.
Die Produktion erfolgt mittlerweile hauptsächlich maschinell.
Aus einem ewigen Seifenstrang...
...werden hier handliche Seifenstücke gestanzt...
...und per Hand verpackt.
Jan Heipcke lernte Klar Seifen durch Zufall kennen. Niels Klar, ein Ur-Ur-Enkel von Philipp Klar, der damals auch in Hamburg lebte, war ein Schulkamerad seiner Schwester. Er übernahm 2005 den Betrieb, als sich kein anderer Nachfolger fand und Klar Seifen kurz vor dem Aus stand. „Er wollte es zumindest versuchen“, erklärt Heipcke. „Aber ihm war klar, dass er Unterstützung braucht, um das Unternehmen neu aufzustellen.“ Niels Klar fragte Heipcke, der BWL studiert hat, ob er sich vorstellen könnte, mitzumachen. Die Männer trafen sich in Heidelberg – und Heipcke sagte sofort zu. „Mich hat das gleich fasziniert: Die Geschichte des Unternehmens, die lange Tradition, der klare Fokus auf Qualität und hochwertige Zutaten, das tolle Produkt.“ Er beschloss, einzusteigen und als Niels Klar nach Hamburg zurückging, übernahm er den Betrieb als Geschäftsführer.
Die meisten Seifenhersteller walzen ihre Seifen dreimal, wir machen das hier fünfmal
Jan Heipcke
Heipcke glaubte daran, dass das Traditionsunternehmen eine Zukunft hat und wollte vor allem die Marke Klar Seifen stärken. Geholfen hat ihm dabei, dass sich das Image der festen Seife mit der Jahrtausendwende grundlegend veränderte. Vom Produkt, das von der Flüssigseife verdrängt wurde und das man höchstens noch aus Omas Badezimmer kannte, zum Trendartikel: nachhaltig, langlebig und plastikfrei. Das feste Shampoo kam auf und Heipcke erkannte den Trend. Klar Seifen entwickelte eine eigene Produktlinie.
„Da haben wir viel getestet und probiert, weil wir ein festes Shampoo entwickeln wollten, dass auch einfach in der Handhabung ist – und eben nicht noch eine saure Rinse braucht“, erklärt Heipcke. Denn zum Haarewaschen ist normale Seife aufgrund des hohen ph-Werts nicht geeignet. Später kamen feste Conditioner, feste Spülmittel oder Deocremes im Glas hinzu. Mit der Corona-Pandemie wurden Seifen dann zum begehrten Virenvernichter. Und Klar Seifen stellte spontan den Betrieb von Edelseifen auf einfache Kernseifen um und verschenkte davon 200.000 Stück. Etwa an die Obdachlosenhilfen in der Metropolregion Rhein-Neckar, die Caritas oder das THW.
Für neue Produkte und neue Düfte kommen bei Klar Seifen immer noch die zwei ältesten Maschinen des Unternehmens zum Einsatz, die von Hand bedient werden. In der alten Mustermaschine wurde eben noch am Rezept der neuen Zirbelkieferseife getüftelt. Am Ende lugen noch einige grasgrüne Seifenbruchstücke aus der Maschine. Gerade wenn ungewöhnliche Anfragen kommen – etwa für eine schwarze Seife, ein Produkt mit Bier oder altem Kaffeesatz, der den Seifen einen Peelingeffekt verleiht – werden die Rezepturen hier erstmal in Handarbeit getestet. Wenn Seifen eine ungewöhnliche Form bekommen sollen, kommt auch immer noch die alte Stanzmaschine von 1953 zum Einsatz. „Einen Elefanten aus Seife oder eine Kugel mit Froschkönig obendrauf können wir nicht industriell herstellen“, sagt Heipcke.
Dafür kann es durchaus vorkommen, dass in den neuen Maschinen ein Rezept aus dem 19. Jahrhundert zusammengerührt wird. Mit einem großen Unterschied: War das Ausgangsmaterial früher aus tierischen Fetten, sind die Seifen heute komplett pflanzlich. Die Rohseife entsteht aus griechischem Olivenöl. Sie wird tonnenweise in großen Säcken nach Plankstadt geliefert – in Form von kleinen, dicken Nudeln. Diese Seifennudeln kommen dann in den Mischer. Von Hand werden hier duftende Zutaten hinzugefügt: Lavendel, Zitronengras, Rosmarin. Die meisten stammen aus biologischem Anbau und sind immer so regional wie möglich. „Selbst der Ginseng kommt von einem Landwirt aus Norddeutschland“, sagt Heipcke.
Einen Teil seiner Produkte hat er nach dem Cosmos-Standard für Naturkosmetik zertifizieren lassen, die meisten Seifen sind mittlerweile palmölfrei. Bei manchen Produkten hat das Rezept allerdings eine so lange Tradition, dass der Unternehmer an der Zusammensetzung erstmal nichts ändern will. „Gerade unsere Rasierprodukte haben eine sehr treue Stammkundschaft, da sind Veränderungen eher schwierig.“ Auch Theo Klar, ein Urenkel des Gründers, kommt regelmäßig in Plankstadt vorbei – um zu sehen, wohin sich sein früheres Unternehmen entwickelt, aber vor allem, um sich mit Rasierseife einzudecken.
Die vermengten Zutaten werden schließlich in der Piliermaschine gewalzt. Mehrmals. „Die meisten Seifenhersteller walzen ihre Seifen dreimal, wir machen das hier fünfmal“, erklärt Heipcke. Um die Seife weiter zu verdichten und noch ergiebiger zu machen. Aus der Maschine kommt dann ein unendlicher Seifenstrang, der auf einem Fließband in kleine Stücke und in der Stanzmaschine dann in seine endgültige Form gebracht wird. Verpackt wird bei Klar Seifen noch per Hand. „Das ist gleichzeitig unsere Qualitätskontrolle“, sagt Heipcke.
Der wertvollste Schatz sind für Heipcke jedoch die alten Rezeptbücher der Familie. „Ich habe darin zum Beispiel ein Rezept für eine Seife mit Lindenblüten und Rhabarber entdeckt – so etwas ist doch großartig“. Ebenso großartig findet er die alten Illustrationen, die früher die Verpackungen von Klar Seifen zierten. „Die stammen teilweise sogar von Familienmitgliedern.“ Heipcke beschloss, den alten Illustrationen neues Leben einzuhauchen – auf den Produkten von heute.
Ein Ort in der Heidelberger Altstadt, wie er individueller nicht sein könnte.
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