Aus Bauschutt und Flohmarktfunden, aus Weggeworfenem und Geschenktem hat der Künstler Otfried Culmann in der Südpfalz einen fantastischen Ort erschaffen. Sein „Traumgarten“ in Billigheim-Ingenheim ist ein begehbares Kunstwerk, das in surreale Welten führt.

Als Otfried Culmann die Tür zum Garten öffnet, fließt kühle Luft in den Innenhof. Er lockt in das Grün hinter der Tür. In dem mit jedem Schritt mehr Farben erscheinen. Weiße, blaue, roséfarbene Kleckse, die sich zu Säulen und Balustraden türmen, zu Figuren und Gesichtern formen. Und mit dem Schritt durch die Tür betreten Besucher:innen eine andere Welt, werden eingehüllt vom Geplätscher zahlreicher Brunnen. Sie schottet den Garten von der Außenwelt ab. Vorbeifahrende Autos, Baustellenlärm, dröhnende Flugzeuge – nichts davon dringt durch diese Hülle aus dem Geräusch von fließendem Wasser.

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Willkommen in Culmanns surrealer Welt – unser Video gibt einen Einblick.

Viele Besucher:innen bleiben dann erstmal stehen, berichtet Culmann. Mit offenem Mund und geweiteten Augen. Weil der Anblick so unerwartet kommt, hier im beschaulichen Billigheim-Ingenheim, mitten in der Südpfalz. Weil von außen nicht zu erahnen ist, was sich hinter dem ehemaligen Pfarrhaus verbirgt, in dem Culmann lebt. Der Garten zeigt sich erst, wenn der Hinterhof durchschritten und die Tür der ehemaligen Tenne geöffnet ist, die wieder ins Freie führt. Und auch, weil die Augen erstmal gar nicht wissen, woran sie sich festhalten sollen.

In Culmanns Garten gibt es viel zu entdecken. Auch auf den zweiten Blick. Und den dritten.

Culmann lächelt und lässt den Besucher:innen Zeit, anzukommen. Er trägt einen Strohhut auf dem Kopf und Badelatschen an den Füßen und ein kariertes Sakko in Beigetönen über einem bunt gekästelten Hemd. 700 Quadratmeter groß ist der Garten, der durch die Fülle an Brunnen und Türmen, Figuren und Arkaden aber noch um einiges größer wirkt.

Auf den ersten Blick erscheinen die Bauwerke zufällig und chaotisch, offenbaren dann aber eine an die Renaissance angelehnte Symmetrie. Aufgebrochen wird diese wieder durch die Unmengen an Tellern, Muscheln, Fliesen und Steinen, mit denen sie verziert sind. Sie erinnern an die verspielte Architektur von Friedensreich Hundertwasser, Niki de Saint-Phalle oder Antoni Gaudí. Mit vielen surrealistischen und fantastischen Motiven. „Ich hab‘ hier meine Tagträume verbaut“, erklärt Culmann. „Dann muss ich sie nicht ständig mit mir herumtragen.“ Und so haben auch andere Menschen etwas davon – und können durch seine Träume wandeln. Für das Grün in, um und auf den Bauwerken ist seine Frau Gabriele zuständig. Die so für weitere blühende Farbtupfer sorgt und für einen großartigen Duft – nach Rosmarin, Minze und Thymian.

Ich habe hier meine Tagträume verbaut

2015 legte Culmann den Grundstein für seinen Traumgarten (hier geht es zu weiteren schönen Gärten in der Region: Link). Die Bauwerke entstehen intuitiv – und manchmal dauert es Jahre, bis eines fertig ist. In neun Jahren hat er mehr als 900 Teller hier verbaut. Die Materialien für die Verzierung findet Culmann auf Bauschuttdeponien und Trödelmärkten. „Manchmal steht aber auch einfach eine Kiste vor meiner Haustür“, berichtet der Künstler – es hat sich herumgesprochen im Ort, dass er Verwendung dafür hat. In seinem Lagerraum stapeln sich die Teller mittlerweile. „Jetzt nehm‘ ich nur noch Meissener Porzellan an“, sagt er und lacht. Aber auch andere Fundstücke finden Platz in seinem Garten. In einem Baum hängen mehrere Wärmflaschen und Milchkannen und wer Lust hat, kann einmal die Motorradhelme zählen, die überall auf dem Gelände versteckt sind.

Auch das gibt es hier: Wärmflaschen, Milchkannen und Motorradhelme, die auf Bäumen wachsen.

Seit 1978 lebt Otfried Culmann wieder hier – in dem Haus, in dem er 1949 geboren wurde. Sein Vater war Pfarrer in Billigheim und lebte mit seiner Familie in dem großen Haus im Ortskern, gegenüber der evangelischen Kirche. „Ich hatte schon immer eine blühende Fantasie“, erzählt Culmann. Als Kind baute er Burgen – fantastische Gebilde, die wenig mit gewöhnlichen Ritterburgen gemein hatten. Doch dass er einmal von der Kunst leben könnte, schien ihm als Jugendlicher zu weit hergeholt. Er entschied sich zunächst für einen „bodenständigeren“ Weg und lernte Gebrauchsgrafik an der Meisterschule in Kaiserslautern. In einer Ausstellung der Pfalzgalerie sah er dann zum ersten Mal die Werke von Surrealisten und fühlte sich sofort angesprochen. Er ging nach München, an die Akademie der Bildenden Künste und studierte in der Klasse von Mac Zimmermann, einem Vertreter des deutschen Surrealismus, Malerei.

Culmann vor einigen Werken seiner umfangreichen surrealistischen Sammlung.

Das Studium eröffnete ihm eine ganz neue Welt. Ein Stipendium führte in die Villa Massimo nach Rom, er besuchte Salvador Dalí mehrmals in Spanien, traf Edgar Jené in Frankreich, organisierte Ausstellungen und stellte selbst aus – in 100 Einzel- und gut 300 Gruppenausstellungen. Und schaffte es schließlich tatsächlich: von der Kunst zu leben. Ende der 70er Jahre zog es ihn dann zurück in die Heimat. „Das Kultusministerium in Mainz unterstützte damals Künstler finanziell, die wieder ins Land zurückkehrten“, erzählte Culmann.

Im Haus zeigt der Künstler auch seine malerischen Werke.

Als er erfuhr, dass das alte Pfarrhaus nach der Zusammenlegung der Gemeinden leer und zum Verkauf stand, erwarb und sanierte er es. In seiner neuen, alten Heimat organisierte er zahlreiche Ausstellungen, unter anderem seit 2007 die „art imaginär“, eine Biennale für Phantastische Kunst, im Herrenhof in Mußbach. Als diese Zusammenarbeit 2020 endete, verlegte er die Ausstellung mit Werken aus seiner eigenen Sammlung in das Erdgeschoss seines Hauses. In drei Räumen können Besucher:innen hier Werke großer Surrealisten wie Max Ernst, Dalí, Edgar Jené, Fabrizio Clerici oder Fabius von Gugel bestaunen – und natürlich von Culmann selbst. Eine Art Einführung in das, was Besucher:innen später im Garten erwartet.

Zwischen all den Gemälden, Grafiken und Fotografien steht auch das Modell eines Gebäudes. Ähnlich bunt wie die Monumente im Traumgarten. „Das ist das Museum, das ich einmal bauen will“, sagt Culmann. Sein großer Traum: ein Museum für Fantastische und Surreale Kunst in einem ebenso fantasievollen Gebäude, das im besten Fall an den Hängen des Pfälzer Waldes liegt. Ein Publikumsmagnet wäre es, da ist sich Culmann sicher. „Derzeit ist in den großen Kunsthäusern ja eher minimale, abstrakte Kunst angesagt. Aber es gibt eben noch die andere Seite, die maximale Kunst, die die Fantasie anregt und zum Träumen einlädt – und die Menschen heute noch genauso berührt wie damals.“ Er erlebe das ja fast tagtäglich bei den Menschen, die seine Galerie und seinen Garten besuchen. Dazu gehört auch die Kunsthalle in der ehemaligen Tenne. Hier stehen selbstgebaute Automaten, jeder ist einem Künstler oder einer Künstlerin gewidmet oder einer Szene aus bekannten Opern und Romanen. Dazu läuft sphärische Musik aus Harfen- und Glockenspielklängen wie aus einer Spieluhr. 

Und selbst Culmanns Keller steckt noch voller Überraschungen.

Und, ganz am Ende des Besuchs, fragt Culmann noch: „Wollen Sie auch den Keller sehen?“. Aber klar! Ab  geht es, die Holzstufen hinab, in das kühle, etwas muffig riechende Gewölbe. Culmann verschwindet kurz, dann erstrahlen Lichter und Jahrmarktmusik erfüllt den Raum. Sein Panopticum Orchestrion ist eine Art riesiger Jahrmarktsorgel mit einem Zauberer und Graf Dracula, die sich zum Rhythmus der Musik bewegen. Gegenüber schaut eine Cleopatra-Statue mit unbewegtem Blick dem Spektakel zu. Und auf der fahrbaren Heizung neben der Treppe liegt ein Hummer. Aber nach ein paar Stunden in Culmanns Welt wundert einen das nun auch nicht mehr.


http://www.otfried-culmann.de/traumgarten

Der Traumgarten ist im Juli und August jeden Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet sechs Euro.

Für Gruppen ab vier Personen öffnet Otfried Culmann jedoch auch zu anderen Terminen die Tür des Pfarrhauses: Anmeldung über Telefon: 06349 – 5250 oder E-Mail: otfried.culmann@t-online.de

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