Siegfried Brenneis liebt Stollen – und macht ihn so gut wie kaum ein anderer. Mehrfach wurde der Bäcker- und Konditormeister aus Mudau bereits dafür ausgezeichnet und jedes Jahr aufs Neue präsentiert er eine eigene Kollektion. Ein Geschmackstest in der Backstube.

Es sind die Zutaten, die Siegfried Brenneis so für den Stollen begeistern. Einige der wichtigsten liegen gerade aufgereiht vor ihm: Orangeat, Zitronat, Rosinen. Dazu Vanille, Kardamom oder Zimt. „Ich habe das immer geliebt, wenn zur Weihnachtszeit diese besonderen Gewürze zum Einsatz kamen. Edle Zutaten, die man sonst das Jahr über nicht unbedingt verwendet.“ Er spielte gerne mit ihnen, probierte verschiedene Zusammensetzungen aus, experimentierte und kreierte immer neue Stollen. 1992 reichte er dann seinen ersten Stollen bei der Stollenprüfung der Bäckerinnung Buchen-Mosbach ein und bekam Bronze. Fünf Jahre ging er mit zehn verschiedene Stollen ins Rennen – und gewann zehnmal Gold. „Ja, da hab ich mich selbst n bissl hochgeschauckelt“, sagt er und grinst.

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Zu Besuch in der Stollenbäckerei. (Lied: Francis Lapitino : „Christmas Hymns“)

 Auch jetzt noch, nach all den Jahren, liebt er den „König des Weihnachtsgebäcks“, wie er den Stollen nennt. Das Gebäck aus süßem Hefeteig und einer dicken Puderzuckerschicht soll an das in Windeln gewickelte Christuskind erinnern. Brenneis’ „Stollen-Kollektion“ variiert jedes Jahr. 2021 sind es sieben verschiedene Sorten, die er in der Bäckerei Münkel / Burkardt in Mudau-Schloßau anbietet. Ein kleiner Kinderstollen ist dabei, mit Schokostücken statt Rosinen, ein saftiger Mohnstollen mit zuckriger Kruste, ein Mandelstollen mit Marzipan-Kern und natürlich der Odenwälder Butterstollen, ein Klassiker, der in keinem Jahr fehlen darf.

Edle Zutaten, besondere Kreationen: Siegfried Brenneis „Stollenkollektion“ 2021.

Dass er einmal Bäcker wird, war für Siegfried Brenneis immer klar. „Ehrlich gesagt, habe ich mir nie Gedanken über einen anderen Beruf gemacht.“ Hinter seinem Elternhaus in Scheidental, einem Ortsteil von Mudau, stand noch ein alter Holzofen. Seine Mutter buk das Brot immer selbst und schon als kleiner Junge half er mit. „Dieser Duft, wenn das Brot frisch aus dem Ofen kommt – der erinnert mich noch heute an meine Kindheit.“ Er war gerne dabei, denn auf fleißige Helfer wartete eine große Belohnung: das noch warme Knorzel, das Endstück des frisch gebackenen Brotes.

1980 fing er dann seine Ausbildung in der Bäckerei Münkel/ Burkardt an, im Örtchen nebenan. Nach Stationen in Mosbach, Neckarelz und Heidelberg zog es ihn als Bäcker- und Konditormeister wieder zurück. Seit 1992 leitet er die Bäckerei. Es hat ihn nie weggezogen aus dem Odenwald. Zumindest nicht auf Dauer. „Ich bin hier einfach sehr verwurzelt.“ Er erzählt von seinen Reisen, nach Tokio oder Rimini. „Das war schon schön alles, aber ist nun wirklich nicht meine Welt.“ Er liebt die Ruhe hier im Odenwald, die Übersichtlichkeit – und das es nie weit ist in den Wald. Dort kann er bei einem Spaziergang immer noch am besten Abschalten.

Für die Kinder war ich immer nur der ‚Stolli‘

Siegfried Brenneis

Denn Siegfried Brenneis’ Terminkalender ist voll. Schon lange ist er nicht mehr nur im Beruf Bäcker, sondern auch in seiner Freizeit. Nachdem die Wettbewerbe auf regionaler Ebene keine Herausforderung mehr boten, suchte er den nächsten „Kick“. Er nahm am Zacharias-Preis teil, der lange auch „Stollen-Oscar“ genannt wurde, und neben erstklassigen Backwaren auch kreative Marketing-Konzepte auszeichnet. Dafür hat Brenneis im ersten Jahr seinen Kinderstollen kreiert – und sich dazu ein Kasperle-Theaterstück ausgedacht, dass er in den Kindergärten in der Umgebung aufführte. „Für die Kinder war ich dann immer nur der ‚Stolli‘“. Er lacht.

Der Zacharias-Preis, früher auch „Stollen-Oscar“ genannt – hier mit goldener Mütze als Ehren-Zacharias.

Es folgten weitere Wettbewerbe, wie der Roggen-Grand-Prix, und schließlich wurde der Odenwälder Teil der Deutschen Bäckernationalmannschaft, die er zwölf Jahre lang als Kapitän anführte – und heute coacht. Die Weltmeisterschaften führten ihn nach Frankreich und Portugal, in die USA und nach Japan – und er sein Team mehrmals zum Titel. „Das spornt mich an. Bei solchen Wettbewerben wird man auch gezwungen, gewohnte Wege zu verlassen und Neues auszuprobieren. Das macht mir einfach Spaß.“ Vieles von dem, was er bei den Wettbewerben macht und sieht, nimmt er dann wieder mit in seinen Arbeitsalltag.

Von Wettbewerb zu Wettbewerb wurde Brenneis bekannter. „Irgendwann kam dann der erste Verlag auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch zu schreiben.“ Für ihn war es die ideale Gelegenheit, sich einem Thema zu widmen, das ihm ebenfalls sehr am Herzen liegt: Urgetreide. „Der hochgezüchtete Weizen, der beim Backen ja immer noch am häufigsten eingesetzt wird, ist bei den Inhaltsstoffen ja eher Mittelmaß“, erklärt er. Alte Getreidesorten wie Einkorn oder Emmer hätte da viel mehr zu bieten, genauso wie sein Lieblingsgetreide: der Dinkel. Auch den für den Odenwald typischen Grünkern, halbreif geernteter Dinkel, verarbeitet er gerne. „Diese naturbelassenen Getreidesorten sind zwar etwas aufwendiger in der Verarbeitung – aber das lohnt sich. Der Geschmack ist voller und der Nährwert besser.“ Mit seinem Buch wollte er die Branche wachrütteln und zeigen, welches Potenzial in den alten Getreidesorten steckt. Natürlich hat er auch einen Stollen mit seinem Lieblingsgetreide kreiert: den Odenwälder Dinkelstollen.

Bäcker, Preisträger, Buchautor: Siegfried Brenneis probiert gerne Neues aus.

Stillstand ist nicht sein Ding. Brenneis bildet sich ständig weiter. Zum Betriebswirt des Handwerks etwa oder zum Ernährungsberater im Bäckerhandwerk. Weil er merkte, dass immer mehr Kund:innen mit Allergien und Unverträglichkeiten kamen. „Mir war wichtig, dass wir darauf eingehen und dass auch unsere Verkäufer:innen entsprechend beraten können.“ In der kleinen Odenwälder Dorfbäckerei finden also auch Menschen mit Weizenunverträglichkeit oder Laktoseintoleranz immer ein Brot.

Ich bin eben doch etwas Stollen-bekloppt.

Siegfried Brenneis

Sein Wissen gibt Brenneis gerne weiter. In seinen Büchern, an Auszubildende und bei Fortbildungen – aber auch an Laien. In der Facebook-Gruppe Breadmania tauscht er sich regelmäßig mit Hobbybäckern aus, gibt Tipps und nimmt auch immer wieder welche mit. „Die probieren manchmal Sachen aus, auf die ich als Profi nie kommen würde – aber manchmal funktioniert das eben doch!“ Er will sich diese Offenheit bewahren, Dünkel ist ihm fremd.

Bäcker Siegfried Brenneis formt einen Stollen.
Mit Liebe in Form gebracht: Brenneis beim Stollenbacken.

Es hat angefangen zu schneien, immer dichter werden die Flocken. Brenneis steht am Fenster und streut mit Schwung Mehl auf seine Arbeitsfläche. Er nimmt etwas Orangeat und Zitronat, wiegt es in den Händen ab und streuselt sie auf seinen Teig. Kräftig knetet er die Stückchen ein. „Man kann keinen guten Stollen backen, wenn man es nicht mit Leidenschaft macht“, ist er überzeugt. Er rollt den Teig mit einem Nudelholz flach und schlägt ihn ein. So bekommt er seine typische Form. Brenneis backt seine Stollen immer nachmittags – nie im morgendlichen Trubel der normalen Produktion. Um die notwendige Zeit und Ruhe zu haben. 2014 bekam er den Ehren-Zacharias – für seinen jahrelangen Einsatz für das weihnachtliche Gebäck. Er deutet auf die Figur mit der goldenen Mütze und lacht. „Ich bin eben doch etwas Stollen-bekloppt.“


baeckerei-muenkel.de

Zum Nachbacken – ein Dinkelstollen mit Weißwein und Mandeln:

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