Die Karriere des jungen pfälzischen Sternekochs Benjamin Peifer begann mit dem Gedankenspiel des Knaben, ob der Pfannenkuchen der Mutter nicht optimierbar sei. Aber Benjamin Peifer wurde dann erst mal Bäcker. Im Dörfchen Weingarten im Pfälzer Flachland.
Wer heute im Neustadter Gourmetrestaurant Urgestein nach vier bezirzenden „amuses bouches“ ein Körbchen gereicht bekommt, assistiert von einer mit Meersalz aufgeschlagenen Nussbutter-Nocke, wird erinnert an die Anfänge des frühvollendeten Meisterkochs: dem Brot ist ein kompletter Gang gewidmet, „weil Brot keine Selbstverständlichkeit ist.“ Anderthalb Jahre hat Peifer an der Kostbarkeit gefeilt. „Wir versuchen, der regionalen Tradition zu entsprechen. Also ein bisschen mit Kümmel gearbeitet und so …“
Mit dem „und so“ wollen sich viele Gäste nicht zufriedengeben; beharrlich fragen sie nach dem Rezept. Aber sie erfahren bestenfalls, dass alte Getreidesorten wie Emmer, Einkorn oder Quinoa Verwendung finden. Und ein kleiner hauseigener Sauerteigansatz. Das Ergebnis ist sensationell. Man kommt sich vor, als würde man zum ersten Mal im Leben Brot essen.
Wer den Steinhäuser Hof betritt, unweit vom Neustadter Marktplatz, meint sich in einem Bühnenbild wie aus Wagners „Meistersingern“ zu befinden – Fachwerk, vorkragende Erker, geschnitzte Galerien. Und im Hintergrund das Urgestein, eines der bekanntesten Gourmetlokale der Pfalz. Der Raum wirkt durch seine Architektur und das Interieur: reduziert. Ledersessel unter kreuzgewölbter Klinkerdecke.
„Wir sprechen hier von 17 Einzelgerichten“, nummeriert Patron Hanno Rink, der vor über 15 Jahren mit seiner Frau Hedi aus der Gastronomie der Spielbank Bad Neuenahr in die Pfalz wechselte, um den Steinhäuser Hof zu übernehmen. Heute kommen die Gäste nicht nur aus der Region, sondern auch aus Berlin, Belgien, Holland und aus der Schweiz, um sich hier dem Genuss hinzugeben.
Das Menü beginnt mit „Gequellde mit weißem Kees.“ Klingt extrem nach Sterneküche, oder? De facto handelt es sich um „Kartoffelchip, Kräuterquark und Paprika.“ Ein Tribut an die Pfalz, wie die nächste Kleinigkeit: Elmsteiner Forelle von Dominik Haas. Auch das dritte Amüsierstückchen, „Pälzer Gold – konfierte Kartoffel und Essenz, Zwiebelcreme und Nussbutter“ – spricht denselben Dialekt. Und noch einmal Elmstein: Saibling als Fish and Chips, eine, wie der Küchenmeister titelt, „regionale, skandalöse Version.“
Dazu passt, dass Ingrid Zinkgraf, eine kunstfertige Nachbarin, das gesamte Geschirr für das Restaurant entworfen hat. Und die Weine? „Wir sind wohl das einzige Sternelokal weltweit, das nur Pfälzer Wein auf der Karte hat“, betont Hanno Rink. Und zwar nicht nur Stars wie Müller-Catoir oder von Buhl, sondern auch weniger bekannte Winzer bestücken den Keller. Man wundert sich, was möglich ist, wenn Regionalität sinnvoll interpretiert wird. Was in summa wohl auch den Guide Michelin dazu bewegte, das Urgestein mit einem Stern zu krönen.
Benjamin Peifer – eine wunderbare Pfälzer Koch-Karriere
Benjamin Peifer lernte in einem Landgasthof in Hassloch, bevor er im Deidesheimer Ketschauer Hof seine Liaison mit der Haute Cuisine begann. Im „GästeHaus Klaus Erfort“ in Saarbrücken steckte er seine Grenzen ab. „Drei-Sterne-Küche, hab‘ ich da gelernt, ist nicht so ganz mein Metier.“ Was es bedeutet, regional zu kochen, erfuhr er im „Hofgut Ruppertsberg“ bei Jean-Philippe Aiguer. Und im „Paulinerhof“ bei Trier kamen die ersten Meriten: Sieben Pfannen im Gusto-Magazin für den Küchenchef! Da war er gerade einmal 23.
Seine Verpflichtung ins „Urgestein“ war für Steinhäuser Hof-Chef Hanno Rink eine Entscheidung für das Unkalkulierbare. „ Anfangs war nicht klar, wo die Reise hingeht. Benjamin ist eine Ausnahme; kein Koch, der nur arbeitet, um Geld zu verdienen.“
Die Produkt-Auswahl erfolgt konsequent. Da wäre etwa Bio-Bauer Martin Braun aus Zeiskam. „Der hat auch so einen positiven Schaden“, lobt Peifer auf seine spezielle Art. „Es kann sein, dass der nachts um drei anruft, weil er gerade eine Idee hat. Mit Haferwurzeln zum Beispiel …“ Fleisch spielt im „Urgestein“keine Hauptrolle; der Sternekoch nimmt es – welch ein kulinarischer Paradigmenwechsel – eher zum Würzen. Wenn etwas Reh vom Hambacher Schlossberg auf den Teller kommt, so sind es gerade einmal 40 bis 60 Gramm …
Halbwilde Enten und Wollschweine werden aus Zweibrücken geliefert. „Erinnerungen an Denia“ nennt Peifer einen Gang mit luftgetrocknetem Schweinebauch, gegart mit einer Paprikaglasur. Vom vegetarischen Vier-Gang-Menü „Grundstein“ über das fünfgängige „Urvertrauen“ bis zum Sechs-Gang-Menü „Meilenstein“ öffnet sich ein Abenteuerland mit Unvergesslichkeitsgarantie, darunter Rochenflügel in Vadouvanbutter glasiert mit Linsen und Spitzkohl oder gar ein „Bienenstich Intense 2.0.“
Heute muss man zeitig reservieren, um einen Platz im Urgestein zu ergattern. Die mit Feingefühl eingerichteten Ein- und Zweibettzimmer ermöglichen ein Genießerwochenende in Neustadt, um sich im Anschluss an den Festschmaus und eine Altstadt-Promenade einfach niederlegen zu dürfen.
In der Weinbar: „So’n paar Snacks, die den Wein unterstützen – lecker und geil!“
Bei Eingeweihten beliebt ist auch Rinks „Jazz Club“, wo Virtuosen aus aller Rhythmen Länder zu Gast sind. Aber jetzt gibt es noch etwas Neues: die „Urgestein-Bar“ im ältesten Häuschen der Stadt, vorn, zur Gasse hin. Auch hier: Schlichtheit triumphiert. „Mit unseren Speisen“, erläutert Benjamin Peifer bescheiden, „wollen wir den Wein nur unterstützen. Nur so ‘n paar Snacks, lecker und geil.“ Das wäre? „Hausgemachter Pancetta zum Beispiel, frisch von der Schwungrad-Aufschnitt-Maschine.“ Und sonst so? „Forelle aus dem Pfälzer Wald. Aber wie Unagi gebeizt und glasiert.“ Alles nach dem Motto: kleine Gerichte, die nicht satt, aber glücklich machen. Wir vermuten, dass sich auch manch einer in die Bar einschleicht um vom Brot des Bäcker-Kochs zu naschen. Eine Maßnahme, die allen Anspruch erheben darf, verziehen zu werden.
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