Maria, Josef, Jesus und natürlich ein Stall: Über 100 verschiedene Variationen dieser Szene spielen sich jedes Jahr auf den Straßen von Bornheim ab. In der Weihnachtszeit zieren Krippen die Straßen des kleinen Orts nahe Landau – vom klassischen Modell aus Holz und Moos bis zur modernen Interpretation aus Gummibärchen. Ulla Kaub hat die Tradition im Jahr 2003 begonnen. Heute kommen Gäste aus der ganzen Region, um die Krippen von Bornheim zu sehen.

Ulla Kaub ist nervös. In nicht einmal zwei Wochen geht es los. „Ich bin spät dran“, gesteht die Seniorin mit dem schlohweißen Haar, während sie etwas verlegen auf der Bank an ihrem Esstisch sitzt. Erst eine Krippe hat sie bisher aufgebaut – fünf sollen es bis zum ersten Adventswochenende werden. Dann startet in Bornheim die Saison: Sechs Wochen lang werden über 100 Krippen die Straßen des kleinen Orts nahe Landau schmücken. Große, kleine, traditionelle und moderne – in Vorgärten, auf Fensterbänken und in Höfen. „Meines Wissens sind die Krippen in Bornheim einmalig“, sagt Kaub. Und obwohl die schmale Frau sich nicht in den Vordergrund stellen will: Ein Fünkchen Stolz schwingt mit.

Letzte Korrekturen: Ulla Kaubs Krippen erzählen Geschichten.

Ulla Kaub hat die Tradition rund um die Bornheimer Krippen im Jahr 2003 begonnen (Helmuth Bischoff hat über Krippen in der Pfalz ein Buch geschrieben: Hier geht es zu unserer Wo-Sonst-Geschichte). Was aus ihrer Idee einmal werden würde, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht. „Ich habe den damaligen Bürgermeister Dieter Hörner gefragt, ob ich nicht eine Krippe aufbauen dürfte, mitten im Ort“, erzählt sie. Kaub wollte einen kleinen Rundweg gestalten – als Begegnungsstätte für die Leute aus dem Dorf. Eine besondere Leidenschaft für Krippen hegte sie damals noch nicht. Doch das sollte sich in den kommenden Jahren ändern. Anstatt vier oder fünf Familien, wie sie gehofft hatte, meldeten sich direkt 16, die vor ihren Häusern Krippen aufbauen wollten. „Das hat mich sehr überrascht“, erinnert sich Kaub. „Sonst haben die meisten doch für nichts mehr Zeit.“

Mit 16 Krippen fing die Tradition an – heute sind es über 100 im ganzen Dorf.

Heute kommen Gäste aus der ganzen Region, um in der Weihnachtszeit die Krippen von Bornheim zu sehen – aus Karlsruhe, Heidelberg und Frankfurt, erzählt Kaub. Über 100 Darstellungen der Geburt des Christuskinds bauen die Bornheimer:innen jedes Jahr auf. „Mehr möchte ich eigentlich nicht haben“, gesteht die Initiatorin. „Man soll ja innehalten und die Krippen auf sich wirken lassen. Wenn es zu viele werden, ist das gar nicht mehr nicht möglich.“ Rund ein Drittel der Krippen sind in Handarbeit entstanden. Jedes Jahr fällt den Menschen in Bornheim etwas Neues ein: Es hat bereits Krippen aus Korken und Gummibärchen gegeben, aus Tontöpfen, Playmobilfiguren, Schnüren und Lichterketten. Die Bücherei klebt Maria, Josef und das Jesuskind jedes Jahr mit Tonpapier an ihre Fenster. In Erinnerung geblieben ist Kaub auch eine ganz schlichte Version aus Holzklötzen. Die Figuren waren nur durch Schriftzüge gekennzeichnet. „Ich finde das eine ganz tolle Idee“, schwärmt sie. Besonders hervorheben will sie aber keines der vielen Kunstwerke. „Alle zusammen sind großartig – je vielfältiger, umso besser.“

Kaub selbst benutzt für ihre Figuren am liebsten gebrauchtes Material. Das findet sie entweder auf dem Sperrmüll oder im Bekanntenkreis. Einmal habe sie die Bauarbeiter vor ihrer Haustür um das Reststück von einem Rohr gebeten. Mittlerweile weiß fast das ganze Dorf, was die gelernte Gärtnerin so alles gebrauchen kann. Ursprünglich kommt Kaub aus Edenkoben. Erst zog sie mit ihrem Mann nach Annweiler, später nach Bornheim – wegen des Bauplatzes. „Die Krippen begleiten mich das ganze Jahr“, erzählt sie. „Nach der Saison ist vor der Saison!“ Schon beim Abbauen am Sonntag nach Dreikönig sieht sie, welche Figuren, Zäune, Treppen, Häuser, Dächer oder Brunnen sie ausbessern muss. Kaubs Figuren basieren immer auf demselben Prinzip: Erst sägt und schnitzt sie Füße, Hände, Arme, Beine und Köpfe aus Holz. Dann verbindet sie die einzelnen Teile mit Draht, sodass die Figuren sich bewegen lassen. Aus diesem Grundgerüst können ganz unterschiedliche Figuren erwachsen. Kaub hat die Heilige Familie zum Beispiel als lebensgroße Betonfiguren erschaffen – mit Tüchern, die sie in Beton tauchte und über das Grundgerüst drapierte.

Innehalten und die Krippen auf sich wirken lassen.

Ulla Kaub

Fünf bis sieben der über 100 Krippen im Ort steuert sie selbst jedes Jahr bei. Vier Kisten Moos holt sie dafür im Herbst aus dem Wald – selbstverständlich mit der Erlaubnis des Försters. In ihrem Vorgarten tummeln sich bereits an die 50 Figuren – von den heiligen drei Königen bis zum Hütehund. Ein Esel schleppt zwei Wasserkrüge zum Stall, weiter links klettern Ziegen über einen Baumstumpf. Hinter der Krippe – verdeckt durch ein paar herabhängende Zweige – erkennt man die Türme von Bethlehem, die Kaub aus Pressholz zusammengesetzt hat. Woher sie das alles kann? „Erfahrung“, sagt sie. Und die Krippenbauschule in Klüsserath nahe Trier, an der sie einen Kurs belegt hat. „Wir haben gelernt, wie man eine Krippe alt und mystisch aussehen lässt. Ausgetretene Treppenstufen, dunkles Holz, krumme Latten – so etwas“, erzählt Kaub, die sich nun Krippenbaumeisterin nennen darf. Ihr Wissen gibt sie in unregelmäßigen Abständen in Krippenbaukursen an Kinder und Erwachsene weiter (das Porträt des Krippenbaumeisters Lutz Kuhl aus Annweiler gibt es hier ).

50 Figuren tummeln sich Jahr für Jahr in Ulla Kaubs Vorgarten.

Wenn am ersten Advent alle Krippen stehen, ist Kaub jedes Mal erleichtert. Und staunt immer wieder aufs Neue, welche Kunstwerke ihre Nachbar:innen geschaffen haben. Zweimal pro Woche – jeweils mittwochs und sonntags – bietet sie dann eine Führung durch den Ort an, berichtet über die Materialien, den Aufbau und andere Besonderheiten. „Nichts Christliches“, betont sie. „Ich will die Leute nicht bekehren.“ Über sieben Kilometer war der Rundweg im vergangenen Jahr lang. Wer ihn auf eigene Faust erkunden will, findet am Wachthäusel in der Hauptstraße einen Flyer mit allen Standorten. Das Storchenzentrum erstellt zudem jedes Jahr eine Krippenrallye, die sich mit Hilfe einer App erkunden lässt.

Der Rundweg startet am Wachthäusel (hier ein Archivfoto) – auch diese Krippe baut Ulla Kaub selbst auf. Foto: Hans-Jürgen Heilmann

Auch Ulla Kaub will an diesem Nachmittag noch zum Wachthäusel: Die Krippe am offiziellen Start des Rundwegs baut sie auch dieses Jahr höchstpersönlich auf. Um die Requisiten unterzubringen, die sie für die Krippen auf den öffentlichen Plätzen braucht, hat die Gemeinde mittlerweile zwei Garagen angemietet. Dort erwarten die Initiatorin des Krippendorfs bereits ein Gasthaus, ein orientalisch anmutender Palast, Brunnen, Zäune, Ziegen, Schafe, Hirten und Könige. Aber eigentlich ist das alles nur Beiwerk. Denn eine gute Krippe, das findet jedenfalls Ulla Kaub, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man erkennt, worum es geht: Maria, Josef und das Jesuskind.


Die Gemeinde Bornheim hat 2022 ein 80-seitiges „Krippenbuch“ herausgegeben, das für 15 Euro bestellt werden kann. Einfach eine Mail schreiben an rathaus@gemeinde-bornheim.de – das Buch wird dann zugeschickt.

www.krippen-bornheim.de

Helmuth Bischoff hat ein Buch über Weihnachtskrippen in der Pfalz herausgebracht, in dem auch das Krippendorf Bornheim einen Auftritt bekommt: Stimmungsvolle Entdeckungen, Kurpfälzischer Verlag, 148 Seiten, 22 Euro

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