Die Brennerei ist direkt in einem Raum neben der Empfangshalle untergebracht. Aber auch das Herzstück des Betriebs wird gerade umgestaltet. „Immer mehr Kunden kommen zur Schnapsprobe, da wollen wir ideale Bedingungen schaffen“, sagt Michael Enderle, während er in aller Ruhe seine Brille zurechtrückt. Obwohl am Ende des Jahres noch viel Arbeit ansteht, ist hier von Hektik nichts zu spüren. Enderle ist als gelernter Großhandelskaufmann vor allem für die geschäftliche Seite des kleinen Unternehmens zuständig. Aber klar, brennen kann auch er: „In einem Zwei-Mann-Betrieb macht eben jeder alles“, sagt er achselzuckend und zeigt auf Messgeräte und die glänzenden Fässer neben der Destillationsanlage.
Wo die Dinge tatsächlich noch anders laufen. Im Bauland geht es entspannt zu – und es gibt viel Zeit zum Atmen.
Auch Joachim Alt, der als ausgebildeter Weinküfer und Destillateur über die Qualität der Edelspirituosen wacht und neue Kreationen ersinnt, ist ein umtriebiger Mann. Stolz führt er durch das Nachbargebäude. Hier riecht es noch nach frischer Farbe, die Renovierungsarbeiten hat er erst vor einigen Tagen beendet. Im früheren Schweinestall sollen künftig unter anderem Whisky, Rum oder Kräuterlikör und Sauerkirschwasser gelagert werden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs steht das Privathaus der beiden Geschäftspartner. „Unser Betrieb ist sozusagen auch unser Wohnzimmer“, sagt Joachim Alt und lächelt. Arbeits- und Privatleben gehen hier Hand in Hand. Dazu passt, dass ein großer Teil des Umsatzes über den eigenen Online-Shop erwirtschaftet wird. Unabhängig von Zeit und Raum.
Was für Gebäude und Ambiente auf dem Hof gilt, das gilt erst recht für die edlen Schnäpse, die in der bestens ausgestatteten Verschlussbrennerei nach dem alten Verfahren des „Rau- und Feinbrands“ hergestellt werden. „Die teuerste Art Alkohol zu erzeugen“, wie Michael Alt sagt, „aber auch die beste!“ Die Spirituosen, die Alt und Enderle herstellen, sind Spezialitäten. Hier in Rosenberg wird gern mit Kräutern aus biologischem Anbau gearbeitet. Dort, wo große Betriebe bei der Likörherstellung aus Kostengründen auf künstliche Aromen setzen, da setzen Alt und Enderle lieber auf Rhabarbersaft aus Norddeutschland, Safran aus dem Iran oder Kakaobohnen aus Paraguay. Joachim Alt zieht eine große Tüte duftender Vanilleschoten aus einer Holzkiste. Der Kilopreis für das edle Gewürz aus Madagaskar liegt gerade bei 1500 Euro.
„Wir verwenden nur die besten Zutaten – und davon reichlich“
Kein Wunder also, dass die Brennerei edle Obst- und Edelbrände sowie Liköre nicht nur an Händler in Deutschland liefert. Auch Kunden in Österreich, Frankreich, Spanien oder Russland schätzen die Spirituosen aus dem Bauland. Ob es sich um Gin aus Holunderblüten handelt, ob um Grünkern-Whisky, um Williams Birne oder um einen klassischen Mirabellen-Schnaps –Individualisten werden hier ebenso gut bedient wie bodenständige Genießer. Insgesamt 80 Sorten hat der Betrieb im Sortiment. Aufwand und Experimentierfreude zahlen sich aus. Der Jahresumsatz der kleinen Brennerei liegt mittlerweile zwischen einer und anderthalb Millionen Euro im Jahr. „Es ist mir aber auch nicht bekannt, dass andere Kollegen einen ähnlich großen Aufwand betreiben“, sagt Joachim Alt.
Der Mann, dem nur beste Zutaten in die Flasche kommen: Joachim Alt, ausgebildeter Weinküfer und Destillateur edler Whiskys, Brände und Liköre – und Mit-Inhaber der Brennerei.
Im Bauland die Work-Life-Balance gefunden: Michael Alt, Mit-Inhaber der Brennerei Alt Enderle.
Die beiden Wahl-Rosenberger sind ein eingespieltes Team. Von 1991 bis 2010 haben sie nicht nur eine Brennerei in Stuttgart betrieben; auch mehrere Lokale gehörten zum kleinen Imperium der beiden Schwaben. „Wir hatten etwa 30 Beschäftigte und haben im Grunde genommen nur noch für die Arbeit gelebt. Vom normalen Alltag haben wir kaum noch etwas mitbekommen“, erinnert sich Michael Enderle. Die Brennerei – die eigentliche Leidenschaft der beiden Männer – war damals zunehmend in den Hintergrund getreten. „Also haben wir uns auf die Suche nach einem Hof gemacht, der günstig liegt und wo wir uns wieder auf die ursprüngliche Arbeit konzentrieren konnten“, erinnert sich Joachim Alt.
Schließlich hat die Suche nach Rosenberg geführt. Der Hof am Ortsrand war erschwinglich, die geografische Lage ideal. Und das gewünschte Wohnhaus war auch noch dabei. Dass die Renovierung der Sandsteingebäude nur langsam voranschreitet – ein weiteres Lager in der früheren Scheune soll im kommenden Jahr fertig sein – stört die beiden keineswegs. Im Bauland haben sie etwas Einzigartiges geschaffen. Und ihre ganz eigene Vorstellung von idealer Work-Life-Balance.
https://www.altenderle.de/