Zuerst ein bisschen Wasserball mit etwas Polo mixen und einen Schuss Rugby hinzufügen. Einmal durchschütteln, dann in Kajaks steigen und schon spielt man: Kanupolo! Klingt verrückt, ist aber vor allem ein großer Spaß auf dem Wasser – wie die Spieler:innen des Wassersportvereins Lampertheim zeigen.

Kurz vor dem Anstoß: Die Spieler paddeln an die Grundlinie des Spielfelds, nehmen ihre Positionen ein. Auf dem Steg steht Emily Bildat mit dem Ball in der Hand. „Bereit?“ ruft sie über den Lampertheimer Altrhein. Jeweils ein Spieler jeder Mannschaft beugt sich nach vorn, taucht das Paddel halb ein. Sie stehen sich direkt gegenüber. Dann wirft Emily den Ball ins Wasser – und die Spieler schießen aufeinander zu. Keiner bremst ab, bevor er nicht den Ball erreicht hat. Michael Vetter ist ein paar Zehntelsekunden vor Yannick Engelhardt am Ball und kann ihn mit der Bootspitze noch zur Seite ablenken, bevor Yannick ihm in die Seite fährt. Sein Kajak hebt ab. Beide kentern fast, fangen sich aber schnell wieder und paddeln weiter – dem Ball hinterher.

Rasanter Sport: Zimperlich sollte man als Kanupolo-Spieler nicht sein.

Was anfängt wie eine Runde Boxauto auf dem Wasser, ist ein ganz normaler Anstoß im Kanupolo. Und ein harmloser noch dazu, wie Emily vom Steg aus kommentiert. „Das ist nur was für ganz spezielle Typen.“ Sie lacht. In ihrer Zeit in der U-21-Nationalmannschaft hat sie diesen Job lieber anderen Spielerinnen überlassen. Heute ist sie beim Training nur als Zuschauerin dabei. Gerade versucht Yannick, den Ball am Paddel des Torwarts vorbei in das gut zwei Meter hohe schwimmende Tor zu werfen. Mit Wucht donnert er ihn ins Netz.

Teamsport auf dem Wasser: Kanupolo ist ein einzigartiger Mix.

Vor wenigen Minuten hat hier noch Olympiasiegerin Nicole Reinhardt ihre Runden gedreht, 2008 gewann sie in Peking Gold im Vierer-Kajak. Mit dem Kanurennsport ist der Wassersportverein Lampertheim (WSV) groß geworden, seit 1980 wird auf dem Altrhein auch Kanupolo gespielt.

Anfang des 20. Jahrhunderts überlegten sich Vereine in Deutschland und England parallel, wie eine Mannschaftssportart im Kanusport aussehen könnte. Oder was das Training einfach etwas spaßiger macht. Anfangs saßen die Spieler:innen noch in Faltbooten und durften den Ball nur mit ihren Paddeln in die Tore schlagen – deshalb hat sich der Name Kanupolo durchgesetzt. Mit der Zeit änderten sich sowohl die Regeln als auch die Ausrüstung.

Beim Kanupolo kann man beides verbinden: Kanu- und Mannschaftssport, das fand ich ideal

Yannick Engelhardt

Heute sitzen die Spieler:innen in wendigen Kajaks, die mit einem Spritzschutz komplett verschlossen werden. „Sonst würden sie vermutlich direkt nach dem Anstoß mit Wasser volllaufen“, erklärt Yannick. Denn beim Kanupolo darf durchaus gerammt und geschubst werden. Doch wer kentert, berappelt sich im wasserdichten Kajak schnell wieder, zur Not hilft eine Kenterrolle. Die Kajaks sind vorne und hinten mit Schaumstoff gepolstert, um Stöße abzuschwächen. Dabei helfen auch die gut gepolsterten Schwimmwesten. Kopf und Gesicht sind mit Helm und Visier geschützt. Allein die Ausrüstung macht klar: zimperlich sollten Kanupolo-Spieler:innen nicht sein. Ein Grund, warum Frauen und Männer in getrennten Wettkampfklassen antreten, nur der Nachwuchs spielt gemeinsam. „Bei den Männern geht es schon zur Sache.“

Bereits mit acht Jahren saß Yannick in einem Kajak – nur paddeln war ihm aber bald zu langweilig.

Yannick kommt ursprünglich aus Mannheim. Beim Kanu-Sport-Club Neckarau saß er zum ersten Mal in einem Kajak – mit acht Jahren. „Immer nur geradeaus zu paddeln, wurde mir mit der Zeit aber etwas langweilig“, erzählt er. „Beim Kanupolo kann man beides verbinden: Kanu- und Mannschaftssport, das fand ich ideal.“ Yannick wechselte zum Kanupolo und tingelte seitdem durch mehrere Vereine. „Es gibt im Süden derzeit nicht viele Vereine, die genug Spieler für eine Bundesligamannschaft haben.“ Deshalb trainiert er zwar in Lampertheim, spielt aber in der zweiten Bundesliga für den Donau-Ruder-Club Neuburg. Doch der Sport wird immer beliebter – bei den World Games 2025 im chinesischen Chengdu holten sowohl die Männer als auch die Frauen Gold.

Mehrere Tausend Euro können die wendigen Kajaks fürs Kanupolo kosten.

„Unsere Herrenmannschaft spielte 2007 zuletzt in der Bundesliga“, erzählt Rainer Vetter, Vorsitzender des WSV. Seitdem hätten einige Spieler aufgehört. Er würde sich freuen, wenn der Verein wieder eine eigene Mannschaft aufstellen könnte. „Kanupolo ist zwar auch innerhalb des Vereins eine Randsportart – aber eine, die hier mit Leidenschaft betrieben wird.“ Und für diese Leidenschaft nimmt Yannick einiges auf sich. „Es ist schon ein zeit- und kostenintensiver Sport“, sagt er. 2000 bis 3000 Euro kostet ein neues, bundesligataugliches Kajak. Ein- bis zweimal in der Woche ist Training, zwischen Mai und September ist Yannick fast jedes Wochenende auf Spielen unterwegs. „Wenn man dazu noch Vollzeit arbeitet, ist das schon ein krasser Zeitplan.“ Doch für ihn ist der Sport der perfekte Ausgleich. „Kanupolo ist eine sehr dynamische Sportart. Sie fordert Koordination und Kraft, aber auch die richtige Taktik.“ Hinzu komme die Gemeinschaft und die besondere Atmosphäre der Spiele.

Emily Bildat ist zwar nicht mehr aktiv dabei – will die Kanupolo-Welt aber dennoch nicht missen.

„Die Stimmung ist immer großartig, die Leute sind total nett und lustig – man kennt sich, alles ist sehr familiär“, bestätigt auch Emily. Ein Grund, warum sie ihren Partner Yannick weiterhin auf seinen Spielen begleitet, obwohl sie selbst nicht mehr aktiv spielt. Mit sechs Jahren saß sie zum ersten Mal in einem Kajak. Damals war sie beim Wassersportverein im Kinderturnen und wurde langsam zu alt dafür. Also probierte sie Kanupolo – und blieb dabei. Mit 16 Jahren spielte sie zum ersten Mal in der U-21-Nationalmannschaft, wurde mit ihrem Team Europa- und Weltmeisterin. In der Bundesliga gewann sie mit dem PSC Coburg die Deutsche Meisterschaft, später auch mit dem Kajak-Club Nord-West Berlin, für den sie zuletzt spielte – obwohl sie weiterhin in Lampertheim lebte. „Das wurde mir neben meinem Job als Physiotherapeutin dann doch irgendwann zu viel.“ Doch ein Leben ganz ohne Kanupolo kann sie sich nicht vorstellen. „Dafür liebe ich den Sport und die Leute zu sehr, außerdem sind bei den Spielen meine Kenntnisse als Physiotherapeutin schon auch mal gefragt.“ Sie lacht.

Wasser- und Lichtspiele beim Kanupolo auf dem Altrhein.

Zwei Teams mit je fünf Spieler:innen treten beim Kanupolo gegeneinander an, dazu kommen drei Wechselspieler:innen.  Ziel ist es, den Ball im Tornetz in zwei Metern Höhe zu versenken. Der Ball wird dabei meist mit der Hand gespielt, darf aber auch mit dem Paddel geschlagen oder abgewehrt werden. Wer den Ball hat, darf geschubst und auch zum Kentern gebracht werden. Maximal 60 Sekunden darf ein Angriff dauern – allein das macht klar: Kanupolo ist ein rasantes Spiel. Aber wenn man es wie die Lampertheimer bei Sonnenuntergang auf dem Altrhein spielt, hat es durchaus auch etwas Idyllisches.  


https://www.wsv-lampertheim.de/kanupolo

Das Training findet immer dienstags von 18 bis 20 Uhr statt und ist auch für Anfänger geeignet. Weitere Infos: info@wsv-lampertheim.de  

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