Die Tornados sind der älteste deutsche Baseball-Verein Deutschlands und mit elf Titeln deutscher Rekordmeister. Dass sie in der Kurpfalz gegründet wurden, ist natürlich kein Zufall. Die US-amerikanischen Streitkräfte brachten den Sport einst hierher. Und machten Mannheim zur Baseball-Hauptstadt Deutschlands.
Es läuft gut für die Tornados. Die Tübinger Hawks haben bereits ihren Pitcher gewechselt, aber es hilft alles nichts: die Mannheimer hauen ihren Gästen die Bälle nur so um die Ohren, heimsen Punkt um Punkt ein. Die Zuschauer:innen, die sich an diesem sonnigen Frühlingssamstag auf den schattigen Holztribünen am Mannheimer Roberto-Clemente-Field niedergelassen haben, bejubeln denn auch kurze Zeit später ihren ersten Home Run. 9:0 führen die Tornados nach dem ersten Zwischenstand. Die Spieler klatschen sich ab. Aus den Boxen wummern AC/DC, Eminem und Sophie Ellis-Baxtor. Sowohl Spieler als auch Zuschauer:innen scheinen erleichtert zu sein. Denn für das Mannheimer Team sind diese Double Header gegen die Tübinger Mannschaft, also zwei Begegnungen an einem Tag, nicht nur das erste Heimspiel der Saison. Sondern vielleicht sogar der Beginn einer neuen Ära.
Die Tornados, gegründet 1975, sind der älteste Baseball-Verein Deutschlands und mit elf Meistertiteln bis heute deutscher Rekordmeister. Ihre Glanzzeiten hatten sie allerdings in den 1980er Jahren, als sie gleich sieben Mal die Trophäe gewannen, die letzte Meisterschaft konnten sie 1997 feiern. Nun steht ein Neustart an, für den auch Menschen wie Christian Schuler stehen. Seine aktive Karriere als Tornados-Spieler musste er nach mehreren Kreuzbandrissen beenden, seit 2023 lenkt er nun als 2. Vorsitzender die Geschicke des Baseball- und Softball Clubs.
„Wir wollen hier etwas Neues kreieren“, sagt Schuler, „ein Team aus dem Verein heraus aufbauen“. Eigengewächse statt „Import-Spieler“, wie er sie nennt, lautet die Devise. Denn in den deutschen Baseball-Ligen tummeln sich viele Spieler aus Baseball-Hochburgen wie den USA, Kanada oder Puerto Rico. Im Sommer kommen sie nach Europa, spielen hier die Saison und kehren dann in ihre Heimat zurück. So eine Saisonkraft ist auch Joshua Wyant, der Spieler der Tübinger Hawks, der später das zweite Match pitchen wird. Im Sommer spielt er in Deutschland, im Winter arbeitet er auf einer Pferde-Ranch in Idaho.
Das Mannheimer Roberto-Clemente-Field direkt hinter dem Luisenpark ist Heimat der Tornados.
1975 gegründet, ist es der der älteste Baseball-Verein Deutschlands .
Vor dem Spiel packen auch die Spieler selbst mit an...
...um den Platz spielbereit zu machen.
Dann sind die Jungs selbst bereit für das Spiel...
...das erstmal hervorragend läuft für die Mannheimer.
George Bull verpasst kaum ein Heimspiel - der Mannheimer hat in seiner aktiven Zeit fünf Meistertitelgewonnen.
Immer mitten im Geschehen: Der Schiedsrichter vom Verband (rechts).
Die Gastspieler können das Niveau eines Teams kurzfristig heben, wie die Tornados später beim zweiten Match gegen die Hawks leidvoll erfahren werden, sie kosten die Vereine aber auch ordentlich Geld. Und davon haben die Tornados gerade nicht so viel. „Andere Standorte wie Regensburg, Heidenheim oder Paderborn haben uns inzwischen weit überholt“, erklärt Schuler. Im mittleren sechsstelligen Bereich schätzt er deren Saison-Etats, die Tornados müssen mit deutlich weniger auskommen. Und wollen nun aus diesem Nachteil einen Vorteil machen, indem sie auf eigene Talente setzen.
Wenn ich den Harzgeruch vom Schläger in der Nase habe, dann geht für mich der Frühling los
Julian Prade
Eines dieser Eigengewächse trabt gerade vom Feld Richtung Spielerkabine. Die sogenannte „mercy rule“, die Gnadenregel, hat gegriffen und das Spiel wurde beim Stand von 17:2 für die Tornados in beiderseitigem Einvernehmen vorzeitig beendet. Wie alle bei den Tornados ist Julian Prade Amateur. Im richtigen Leben ist er Kommunikationsmanager bei der BASF, aber Baseball ist für ihn mehr als nur ein Hobby. „Wenn ich den Harzgeruch vom Schläger in der Nase habe, dann geht für mich der Frühling los“, schwärmt Prade. Angefangen mit dem Baseball hat er schon als kleiner Junge. „In Neuostheim war das ganz normal für kleine Jungs und Mädchen, da haben alle Baseball gespielt.“ Der 93/94er-Jahrgang, dem Prade angehört, sei stark gewesen. Schüler-, Jugend- und mehrere Juniorenmeistertitel – alles habe man gewonnen.
Inzwischen gehört Prade mit knapp 30 Jahren zu den ältesten im Team. „Mit vielen der Jungs spiele ich schon seit 10 oder 15 Jahren zusammen“, erzählt er. Zweimal pro Woche wird trainiert, dazu gibt es am Wochenende häufig Spiele. „Wenn man hier rauskommt, kann man vom Alltag abschalten und bekommt den Kopf frei.“ Der Teamspirit ginge auch weit über das Training hinaus. Julian Prade, frisch gebackener Ehemann, hat auf dem Roberto-Clemente-Field gerade seinen Polterabend gefeiert.
Dass der älteste Baseballverein Deutschlands in Mannheim gegründet wurde, ist kein Zufall. Die Quadratestadt war nach dem Krieg ein wichtiger Stützpunkt der US-Armee. Mit dem Benjamin Franklin Village stand hier die größte zivile Siedlung der US-Streitkräfte auf europäischem Boden. Und mit „6th TT Tornados“ – das „TT“ stand für Transportation Truck Battalion – hatte sich aus der Garnison ein erfolgreiches Baseballteam geformt, das 1949 sogar die „G.I. World Series“, also die US-Militär-Meisterschaft, gewann. Die Amerikaner entfachten in Mannheim eine Begeisterung für den Sport, die sie zur „Baseball-Hauptstadt“ Deutschlands machte. Bereits in den 1960er Jahren feierte die damals noch beim VfR Mannheim beheimatete Baseballmannschaft die ersten deutschen Meisterschaften. 1975 gründeten sich dann die Tornados als eigenständiger Baseballverein. Der Mannheimer Baseball-Pionier Norbert Jäger übernahm den Namen des G.I.-Teams und führte es zu seiner Blüte. Damals spielten auch noch viele US-Amerikaner mit.
„Baseball ist in Deutschland eine Randsportart – und wird es auch immer bleiben“, sagt Schuler. Neben einer verstärkten Kinder- und Jugendarbeit wollen die Tornados daher noch mehr auf Baseball als Familienevent setzen. Der Eintritt zu den Heimspielen ist frei. Man muss nur durch das historische Metalltor spazieren und schon ist man mittendrin im Geschehen. „Wir wollen die Leute einladen, hierherzukommen und einen entspannten Nachmittag zu genießen“, erklärt Schuler. Ein Baseball-Spiel als Familienausflug. Und tatsächlich hat die Atmosphäre viel mehr mit einem fröhlichen Grillnachmittag zu tun, als mit der aufgeheizten, adrenalingeladenen Stimmung, wie sie etwa bei den SV-Waldhof-Heimspielen im benachbarten Carl-Benz-Stadion herrscht. Das liegt nicht nur an der bisher eher überschaubaren Anzahl an Zuschauer:innen. Selbst bei den Spitzenspielen in der US-Profiliga herrscht im Publikum lockere Picknickstimmung.
Was Christian Schuler noch ganz wichtig ist: „In der Vergangenheit lag unser Fokus allein auf der ersten Herren-Mannschaft. Das haben wir inzwischen geändert. Wir wollen als Verein mit all unseren Teams wahrgenommen werden.“ Da gibt es viele: die Softball-Mannschaft als Baseball-Variante für Frauen spielt anders als die Männer noch in der Bundesliga. Hinzu kommen Schüler-, Jugend- und Junior:innen-Teams.
Das zweite Match gegen die Tübinger Hawks hat mittlerweile begonnen und jetzt sind es die Tornados, die leiden müssen. Pitcher Joshua Wyant, der jetzt für die Hawks wirft, stellt die Tornados-Schlagmänner vor unlösbare Probleme. Immer wieder schlagen sie Luftlöcher oder der Ball landet nach dem Schlag irgendwo im Aus. Nach dem vierten Inning greift wieder die „mercy rule“, allerdings mit dem schlechteren Ende für die Tornados: 0:11 lautet der Endstand. „Eins gewonnen, eins verloren“, zieht Christian Schuler ein Fazit des Spieltags. „Darauf lässt sich aufbauen. Ein Platz in der Mitte der Tabelle müsste am Ende schon drin sein.“
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