Rachsüchtige Königinnen, Drachenblut, ein Held mit Tarnkappe und alljährliche Festspiele: Für die Stadt Worms ist die Nibelungensage auch heute noch ein wichtiges Stück Identität. Doch rund um den Dom, dessen 1000-jähriges Jubiläum gerade gefeiert wurde, entwickelt Kulturkoordinator David Maier neue Ideen – jenseits von Kettenhemden und Walküren.

David Maier ist in Eile. Der Mann mit dem markanten Dutt ist wie fast jeden Tag auf dem Weg in sein neues Büro in der Wormser Altstadt. Seit September ist er gemeinsam mit Volker Gallé Kulturkoordinator der Stadt und sein Arbeitstempo – ist hoch! Damit es schneller geht, nimmt er morgens gern die Abkürzung über das „Ochsenklavier“; so nennt man die länglichen Steine, die auf Höhe des Karl-Bittel-Parks im Flussbett der Pfrimm liegen. Trockenen Fußes schafft man die Überquerung nur, wenn das Wetter heiß und der Pegel niedrig ist, so wie 2018 – das Jahr, in dem David Maier auch offizielldamit beginnt, in seiner Heimatstadt Kulturpolitik zu gestalten.

Kulturkoordinator David Maier.

„Das ist eine große Sache für mich“, bekennt der gebürtige Wormser. „Überregional bekannt sind wir als Nibelungenstadt, als Lutherstadt und als Jüdisches Warmaisa – aber Worms hat auch unabhängig davon viel zu bieten, gerade kulturell. Und das verdankt die Stadt nicht zuletzt meinem Kollegen und Vorgänger Volker Gallé, mit dem ich mir die Kulturkoordination in den nächsten Jahren teile.“

Der Autor und Liedermacher Volker Gallé, der für sein Kulturengagement schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, erarbeitete Ende der 1990er das Konzept der Wormser Nibelungenfestspiele. Heute sind sie aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Besucher aus der ganzen Welt kommen, um die Festspiele zu sehen und das Nibelungenmuseum, den Siegfriedsbrunnen oder das Hagendenkmal zu besichtigen. „Volker Gallé hat immer schon verstanden, dass man Kultur nicht monothematisch angehen sollte – das schätze ich sehr an ihm“, sagt David Maier. „Eine Stadtgesellschaft ist so vielfältig wie die Summe ihrer Einzelinteressen und von denen gibt es bei uns viele.“

Das beste Beispiel für diese Vielfalt ist das seit fast 30 Jahren alljährlich stattfindende Jazz & Joy Open-Air-Festival. Jedes Jahr im August schallt es von fünf Bühnen aus durch die gesamte Innenstadt. Auch wenn der Festivalname etwas Anderes erwarten lässt – Jazz & Joy ist ein Multi-Genre-Festival. An drei Tagen treten rund 40 Bands auf – Stars wie Joe Cocker oder die Fantastischen Vier waren hier ebenso zu Gast wie Newcomer-Bands aus der Region.

Mit seiner eigenen Band Mini Moustache stand der Sänger und Songschreiber David Maier auch schon selbst auf der Bühne, das war 2008. Für ihn war der Auftritt damals ein Gastspiel, denn nach dem Abitur war er nach Mannheim gezogen, um an der Popakademie zu studieren und jene notorisch frankophile Band zu gründen, die mit französischen Discomedy-Nummern für großes „Oh-la la“ sorgte. Vor sechs Jahren wechselte der Chanteur hinter die Kulissen, wo er seither als musikalischer Leiter von Jazz & Joy die Messlatte Jahr für Jahr höher legt.

Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um das auf die Beine zu stellen.

David Maier

Seit 2015 ruht das Bandprojekt und David Maier konnte die freie Zeit nutzen, um mit „Pop-Up Worms“ noch ein weiteres Kulturformat zu starten. „Wie fast alle Städte hat auch Worms in Folge des Strukturwandels ein Problem mit leerstehenden Ladenflächen. Gleichzeitig gibt es Kreative, die keine Ateliers finden, keine Galerien und keine Bühnen. Da kam uns die Idee, den ungenutzten Raum temporär mit Kulturangeboten zu füllen.“

Dank Pop-Up Worms können Wormser Kulturschaffende ihre Kunst nun alljährlich in Premiumlage präsentieren. „Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um das auf die Beine zu stellen“, erklärt David Maier. Immobilieneigentümer müssen ausfindig gemacht und überzeugt werden. Es gilt Versicherungsfragen zu klären, die Offiziellen ins Boot zu holen und die Finanzierung zu stemmen. Mittlerweile ist aus der anfänglichen Woche ein ganzer Festivalmonat geworden und der Verein Pop-Up-Worms e.V. lässt Fotografen, Musiker, Autoren und Künstler in immer mehr temporären Innenstadt-Locations ihre Werke präsentieren. Die Arbeit des jungen und komplett ehrenamtlichen Orga-Teams wird nicht nur durch stetig wachsende Besucherzahlen honoriert – zur Freude aller Beteiligten erhielt das Festival 2018 auch den Jurypreis „Ehrensache“ des Südwestrundfunks.

Über mangelnde Auslastung kann David Maier sich nicht beschweren. Zum Ausgleich liebt er Padeltennis – eine Mischung aus Squash und Tennis-Doppel – das man in einem Plexiglas-Käfig spielt. In Deutschland ist dieser Sport noch ein Nischenthema, aber in Worms gibt es dafür bereits einen eigenen Platz in der Pfrimmpark-Arena. Nach nur einer Saison rangierte David Maier bereits auf Platz 281 der deutschen Bestenliste und da bleibt zu hoffen, dass der Sport Nische bleibt. Worms kann seinen rastlosen Kulturmanager nicht nur auf dem Court gebrauchen, sondern vor allem hinter den Kulturkulissen rund um den Dom.


www.worms.de

www.jazzandjoy.de

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