Bouldern ist extremes Klettern – knapp über dem Boden. Mit bizarren Felsformationen ist der Odenwald eine Herausforderung für Kletterer und ein Erlebnis für Naturliebhaber. Ein gerade neu aufgelegtes Buch stellt nun die lohnendsten Ziele vor.
Sie haben ganz schön was angerichtet, die zwei Riesen, die vor langer Zeit im Odenwald gelebt haben – der eine auf dem Felsberg, der andere auf dem Hohenstein. Riesige Felsbrocken sollen sie sich im Streit um die Ohren gehauen und ein Chaos aus riesigen Granitblöcken zurückgelassen haben: das Felsenmeer bei Reichenbach im Lautertal.
Sascha Jung kennt die alte Sage, mit der man sich wohl noch zu Zeiten Merians, im 17. Jahrhundert, den gigantischen Steinhaufen mitten im Wald erklärte. Heute weiß er – wie die meisten Besucher des Felsenmeeres bei Lautertal-Reichenbach – dass hier vor 340 Millionen Jahren zwei Kontinente kollidierten und in großer Tiefe Gestein schmelzen ließen, das als flüssiges Magma aufstieg und zu Melaquarzdiorit erkaltete. Im Lauf von Jahrmillionen bildeten sich durch Erosion die dunkelgrauen Felsblöcke des Felsenmeeres: der Stoff, aus dem die Träume der Boulderer von heute sind.
Schon seit vielen Jahren durchstreift Sascha Jung den Odenwald und hat sein Glück gefunden. In Form von Felsen, die extremes Klettern weit entfernt von den Alpen direkt vor der Haustür möglich machen. Bombenfest, rau und griffig – dafür lieben Kletterer die Gesteinsformationen der Region. Mehrere hundert Felsen stellt Sascha Jung in seinem gerade neu aufgelegten Buch „Bouldern Odenwald“ vor, das die lohnendsten Ziele empfiehlt. Die Auswahl ist groß. Im nördlichen Teil des Odenwalds finden sich die großen „klassischen“ Granit-Gebiete und im südlichen badischen Teil lockt oberhalb der Heidelberger Altstadt der Riesenstein mit seinen bis zu 10 Meter hohen Wänden aus Buntsandstein. Hier kann man auf den Spuren des Heidelberger Bergsteiger-Idols Reinhard Karl klettern, der als erster Deutscher auf dem Everest stand und mit seinen Fotos, Büchern und Touren den modernen Alpinismus neu definierte. Die größte Herausforderung am Riesenstein ist heute die Extrem-Tour „Mensch und Maschine“ im Schwierigkeitsgrad 8b, was im alpinen Klettern dem irrwitzigen 11. Grad entspricht und nur von ganz wenigen, extrem trainierten Menschen geschafft werden kann.
Die meisten Boulderer sind in mittleren Schwierigkeitsgraden unterwegs, die aber ebenfalls intensives Training verlangen. Ein Boulder – englisch für „Felsblock“ – gilt als bestiegen, wenn kein Körperteil mehr den Boden berührt und der Kletterer auf dem Block steht. Die Wege hinauf sind kurz, aber technisch oft so schwierig, dass sie in einer großen Wand in den Alpen fast unkletterbar wären.