Auf und ab, Weinberge und Wald, Deutschland und Frankreich: Der Winzer Michael Gnägy erkundet seine südpfälzische Heimat am liebsten mit dem Mountainbike. Wanderern begegnet er stets mit Rücksicht – und mit einem Lachen im Gesicht.

Schon die erste Aussicht hat es in sich. Michael Gnägy hat sein Mountainbike den Weinberg hinaufgetreten, jetzt steht er am Waldrand und wirft den Blick zurück. In der Gegend rund um Bad Bergzabern und Schweigen-Rechtenbach geht der Pfälzerwald in sanften Wellen in die Ebene über. Die Blüten von Raps und Rotklee haben gelbe und dunkelrote Streifen zwischen die Weinstöcke getupft. Am Horizont sind die Umrisse des Schwarzwalds auszumachen. Michael Gnägy ist hier aufgewachsen. Sattgesehen hat er sich an diesem Anblick in fünf Jahrzehnten trotzdem nicht. „Ich bin auch schon in den Alpen gefahren. Aber diese Abwechslung hier – die ist schon etwas Besonderes.“

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Im Hauptberuf ist Michael Gnägy Winzer. Einige Stücke der buntgestreiften Weinberge zu seinen Füßen gehören zu seinem Bio-Betrieb Nauerth-Gnägy in Schweigen-Rechtenbach, auch das Dach des Weinkellers kann man zwischen den Hügeln erblicken. Wann immer es der Beruf erlaubt, steigt der Pfälzer aber aufs Mountainbike. Nur in den fünf, sechs Wochen der jährlichen Weinlese macht er notgedrungen Pause. Manchmal dreht der Winzer nach dem Feierabend eine „schnelle“ 45-Kilometer-Runde, manchmal ist er den ganzen Tag unterwegs. Und immer wieder schaut er dabei nach dem Rechten. Zusammen mit einem Freund betreut Gnägy eine Strecke des Mountainbikeparks Pfälzerwald im Bad Bergzaberner Land im Landkreis Südliche Weinstraße. Er prüft die Schilder, die die Strecken markieren. Er meldet es der Forstbehörde, wenn ein Baum den Weg versperrt. 

Michael Gnägy: Winzer und leidenschaftlicher Mountainbiker.

Unter dem Titel Mountainbikepark ist ein 900 Kilometer langes Streckennetz im Pfälzerwald für Mountainbiker:innen ausgewiesen. Mit seinem Hobby ist Michael Gnägy längst kein Außenseiter mehr: Der Sport boomt. Er verspricht schweißtreibende Aufstiege, atemberaubende Aussichten und holprige Abfahrten. Nervenkitzel inklusive. Alles im Grünen, alles an der frischen Luft. 20 Touren gehören zum Streckennetz des Mountainbikeparks. Die Tour 10 in Michael Gnägys Nachbarschaft gehört zu den anspruchsvolleren.

„Das Fahrradfahren ist ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben“, sagt Gnägy. Bis Anfang 30 hat er Fußball gespielt, dann kamen zwei Knie-Operationen dazwischen. Weil er ohne Bewegung nervös wurde, weil er die Muskulatur stärken und gleichzeitig die Knie schonen wollte, stieg er danach vermehrt aufs Rad. Auch der eine oder andere Sturz hat ihn nicht davon abgehalten. Michael Gnägy lacht. „Ich verausgabe mich gern.“

„Immer wenn ich Wanderern entgegenkomme, ist das Erste was ich mache: Ich lache und sage Hallo.“

Michael Gnägy

Der Waldboden knirscht unter den breiten Reifen. Selbst mit einem Elektroantrieb am eigenen Rad ist es nicht leicht, mit dem Winzer Schritt zu halten. Es geht empor zur Hohen Derst, zur höchsten Erhebung des Mundatwaldes, durch ein Spalier aus Kiefern, Buchen, Birken, Eichen – der Pfälzerwald präsentiert sich in mindestens 50 Schattierungen von Grün. Auch wenn es scheint, als würde er an ihm vorbeirauschen: Für Michael Gnägy sind Wald und Wingert nicht nur eine Sportkulisse. Wenn der Naturfreund mit seiner Familie unterwegs ist, sammelt er mit ihr den Müll auf den Wegen ein. Als am Aussichtspunkt seine Lieblingsbirke der Axt zum Opfer fiel, hat ihm das weggetan.

An einer Kreuzung meldet sich das Smartphone: Willkommen in Frankreich! Auch wenn die Grenze in Wirklichkeit noch ein paar Meter entfernt ist. Schilder weisen auf den „Mundatwald“ hin: ein Gebiet mit besonderer politischer Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb es zwar in deutscher Hoheitsgewalt, die Franzosen sicherten sich aber dauerhaft Wasser-, Holz- und Jagdrechte. Nicht nur dieser Kompromiss zeigt, dass die Staatsgrenze in der Region eher ein theoretisches Konstrukt geworden ist. Zum Weingut Nauert-Gnägy gehört inzwischen auch ein knapper Hektar Wingert auf französischer Seite. Deutsche und Franzosen feiern gemeinsam auf Weinfesten, besuchen sich gegenseitig beim Einkaufen. Michael Gnägy sagt, dass er „verliebt“ sei in Schweigen-Rechtenbachs französisches Nachbarstädtchen Wissembourg. „Es gibt einen engen Austausch. Genauso muss es sein.“ Umso härter war der Schock, als die Corona-Pandemie zwischenzeitig wieder für Barrieren entlang der Grenze sorgte.

Die Aussicht auf 560 Höhenmetern.

Inzwischen sind 560 Höhenmeter erreicht. Der Lohn ist der Blick durch eine Waldschneise in die Rheinebene. Ein Erinnerungsfoto können Wanderer und Mountainbikerinnen hier auf der Hohen Derst aber auch ein paar Meter entfernt am „Steinernen Tisch“ schießen, einer Formation aus übereinandergeschichteten roten Sandsteinen. Michael Gnägy kann sich nicht entscheiden, ob er lieber bergauf oder bergab fährt – beides gehört für ihn zusammen. „Ich freue mich auch, wenn ich aus eigener Kraft oben ankomme.“

Neben Fahrrad, Helm und Kleidung die wichtigste Ausrüstung für Michael Gnägy: Ein Lachen.

Jetzt geht es aber wieder runter ins Tal, auf verschlungenen Wegen über Erde, Stock und Stein. An diesem Tag wirkt es fast, als sei niemand sonst im Wald unterwegs. Doch das ist nicht immer der Fall. Nicht zuletzt in der Corona-Pandemie hatten immer mehr Menschen die Natur vor der Haustür entdeckt. Für Michael Gnägy ist daher klar: Mountainbiker sind in der Pflicht, Rücksicht zu nehmen. „Der Klügere gibt nach.“ Dann lassen sich Konflikte vermeiden. Er jedenfalls habe bisher praktisch nur freundliche Begegnungen mit Spaziergängern und Wanderern gehabt. „Immer wenn ich Wanderern entgegenkomme, ist das Erste was ich mache: Ich lache und sage Hallo.“


www.mountainbikepark-pfaelzerwald.de

Zur Strecke 10 des Mountainbikeparks Pfälzerwald: Tour 10

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