Den Speyerer Dom kann man heute virtuell im Internet besuchen. Noch eindrucksvoller ist es aber, das mächtige Bauwerk selbst zu erleben. Friederike C. Walter und Bastian Hoffmann organisieren Führungen und Kultur und vermitteln, warum der Dom noch viel mehr ist als UNESCO-Kulturdenkmal und die größte erhaltene romanische Kirche der Welt: auch ein Rückzugsort für Menschen, die die Stille lieben.

Die Spitzen der höchsten Türme versinken an diesem kalten Wintertag im Nebel. Ein Straßenmusiker bläst leise und bedächtig Trompete – im Domgarten spielt ein Mann im Nikolauskostüm mit seinem Akkordeon gegen die eisige Kälte an. Im Rücken der Musiker: die mächtige Kulisse des Speyerer Kaiserdoms.

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Die markante Sandsteinfassade erzählt von der aufregenden, oft wilden Geschichte des Speyerer Doms, dessen Grundstein im Jahr 1030 gelegt worden ist. Wer genau hinschaut, erkennt verschiedene Bauabschnitte. Sieht, dass die Farbe der Steine ständig wechselt, ihre Größe, ihre Gleichmäßigkeit. Und doch braucht es, um zu verstehen, jemanden, der die Geschichte(n) hinter all diesen Steinen kennt und erzählt.

Jemanden wie Friederike C. Walter. Die 39-Jährige Kunsthistorikerin leitet das Kulturmanagement des Domkapitels. Sie organisiert Führungen, sorgt für Informationsmaterial, ist Ansprechpartnerin für Besucher – und schwärmt: von der Vielschichtigkeit des Doms, von seinen „beeindruckenden Dimensionen, von seiner theologischen, (kunst-)geschichtlichen und architektonischen Bedeutung“.

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Leitet das Kulturmanagement des Domkapitels: Friederike C. Walter

Im Mittelschiff sitzen einige Besucher auf den schlichten Holzbänken, in Stille vereint, und doch jeder in eigene Gedanken versunken. Blicke schweifen langsam umher, auch in die Höhe. Hier sind es volle 33 Meter bis zur Decke. Ein einzelner Mensch kann sich darunter plötzlich ganz klein fühlen. Die Flammen der Opferkerzen flackern im Windzug der Seitentür. Ein schwach-gelbes Licht schafft dennoch eine warme Atmosphäre in einem kalten, Ehrfurcht einflößenden Bauwerk, das Speyer im Mittelalter zu den bedeutendsten Städten des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zählen ließ.

Heute ist der Speyerer Dom nicht nur Bischofs-, sondern auch Pfarrkirche der Dompfarrei. Täglich finden Gottesdienste statt – über 450 pro Jahr – kleinere Anlässe wie Taufen oder Hochzeiten nicht eingerechnet. Der Kaiserdom ist Wallfahrtskirche und Touristenattraktion. Er zieht nach Schätzungen des Domkapitels jährlich rund eine Million Menschen an. Es gibt Führungen in Englisch, Französisch oder Spanisch, aber auch Polnisch, Niederländisch und Japanisch. Die meisten Besucher kommen jedoch aus dem deutschsprachigen Raum – und natürlich aus der Region.

„Ein Raum, der eine große Harmonie ausstrahlt“

Auch Friederike Walters Großeltern kommen von hier, und sie selbst ist in der Pfalz aufgewachsen. Bevor die Kunsthistorikerin 2013 in ihre Heimat zurückkehrte, arbeitete sie unter anderem am Theater in Basel. Sie, die Protestantin, war beeindruckt von der neuen Aufgabe. Von der Größe des Bauwerks, von seiner „Schlichtheit und Klarheit.“

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Denn wer den Speyerer Dom zum ersten Mal besucht und den Gold und Prunk anderer bekannter Dombauten erwartet, wird überrascht sein. Das Inventar ist tatsächlich schlicht und weitgehend schnörkellos: Es dominieren die hohen Decken, die kühnen Rundbögen, die mächtigen Säulen.

Der Freskenzyklus an den Wänden des Mittelschiffs stammt aus dem 19. Jahrhundert. Kirchenmaler Johann Schraudolph hat die 24 Fresken Maria gewidmet, sie zeigen Szenen aus dem Alten Testament. Über dem vorderen Altar, dem Volksaltar, thront eine riesige Krone von der Decke – als Symbol für die Herrschergräber: Alle salischen Kaiser, aber auch staufische und habsburgische Herrscher wurden hier bestattet. Hinter dem Hauptaltar, der in der Apsis steht, in einiger Entfernung zu den vordersten Kirchenbänken, zieht ein riesiges Kreuz alle Aufmerksamkeit auf sich, gerade weil nicht viel Anderes ablenkt.

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Die für ein katholisches Gotteshaus zurückhaltende Dekoration erzählt eine Geschichte, wie Friederike Walter erklärt: Im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 fingen Teile des Doms Feuer, das Langhaus stürzte zu großen Teilen ein. Im 18. Jahrhundert verbrannten französische Revolutionstruppen Teile der Ausstattung – und vieles blieb verschollen. Und so präsentiert sich der Dom heute mit einer Schlichtheit, die Raum lässt für wenige, aber umso markantere Kunstwerke: Reliefs, Grabplatten, Taufbecken, der Beichtstuhl und die Hauptorgel.

Friederike Walters Kollege Bastian Hoffmann kennt den Dom seit seiner Kindheit: Für den gebürtigen Speyerer ist er „ein schönes Stück Heimat“. Diese Kirche, sagt der Romanist und Betriebswirtschaftler, sei ein „fundamental europäisches Monument“. Mit seinem Lauf durch die Jahrhunderte stehe der Dom für etwas typisch Europäisches: „das Nebeneinander von Einheit und Zerrissenheit“.

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Bastian Hoffmann leitet das Besuchermanagement und er hat einen Lieblingsort im Dom, den er Besuchern besonders gerne zeigt: die Krypta mit den Kaisergräbern.

Die Krypta ist der älteste Bereich der Kirche, annähernd quadratische Räume sind durch mächtige Pfeiler und Rundstützen strukturiert. Rund sieben Meter reichen die Säulen in die Höhe. Das schwache Licht wirkt geheimnisvoll. Trotz der kalten Temperaturen draußen ist es erstaunlich mild, der Sandstein speichert Wärme. „Ein Raum, der eine große Harmonie ausstrahlt“, findet Bastian Hoffmann. Harmonisch ist es hier jedoch nicht immer zugegangen. Französische Truppen hatten die Herrschergräber im Erbfolgekrieg geplündert. Bei deren Öffnung im Jahr 1900 stellte sich heraus, dass wenigstens die Saliergräber weitgehend verschont geblieben waren. Experten vermuten, dass die Truppen die Kirche überstürzt verlassen mussten. Die Grabbeigaben sind heute im Historischen Museum der Pfalz nebenan zu bestaunen, die sterblichen Überreste der Herrscher liegen in der neu gebauten Kaisergruft.

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Der Dom lässt sich inzwischen auch digital erleben. Die Webseite kaiserdom-virtuell.de präsentiert das Bauwerk in einer 360-Grad-Ansicht. Eine Besonderheit, mit der die Initiative das UNESCO-Weltkulturerbe Menschen an ganz anderen Orten der Welt zugänglich macht. „Eindrucksvoller ist nur noch das Original“ heißt es dort. Und das trifft sehr genau den Punkt: nur wer wirklich mal da war weiß, wie eindrucksvoll Schlichtheit und Stille sein können – an einem einmalig geschichtsträchtigen Ort.


www.dom-zu-speyer.de

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