Ein Pfälzer ist kein Elektroauto. Man hört ihn meistens schon von weitem – und auch in der Gipfelhütte des Deidesheimer Hausbergs Eckkopf geht es alles andere als leise zu. Jede Menge Pfälzer, aber auch urlaubende Niederländer, Franzosen, Amerikaner – und sogar Karlsruher erklimmen jedes Wochenende die über 500 Höhenmeter bis zum Gipfel, denn oben gibt es nicht Bratwurst und Woi, sondern auch eine unglaubliche Aussicht …

 

Gespannt tritt man näher, aus dem Walde heraus, und hat schon einiges hinter sich: 516 Höhenmeter, das ist oft mehr, als man es sich in Deidesheim drunten vorstellen kann. Aber dann ist man oben und tritt ein, und dann sind sie alle da: die Eckkopfgeschworenen, eng beieinander, am Fuße des Aussichtsturms, 1975 aus Stahl erbaut, das stolze Nachfolgemodell zweier Holztürme. Natürlich – das „Palzwei“-Lied wird angestimmt, die „Kampfkegler Iggelheim“ geben den „Lewwerworscht“-Song, und die Jungs vom Skatclub machen ‘ne Ansage: „Schnawwel zu, sonz fliecht dir was nei!“

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Und über den Wipfeln der Turm auf der Hütte.

Aber mal ehrlich: Wo gibt es das noch, dass die Menschheit friedlich singt und sich des Lebens freut? So muss das Beethoven gemeint haben, zumindest so ähnlich. Anderswo in Deutschland ist dergleichen fast ausgestorben. In der Pfalz handelt es sich nicht um Folklore, sondern um die ungefilterte Äußerung von Lebenslust. Die Stimmung auf der Eckkopfhütte ist volkstümlich und nicht völkisch. Sie ist basisdemokratisch wie einst beim Hambacher Fest, und klar: Alle sind hier per Du. Vereinsweise, zu zweit oder auch solo, zu Fuß oder per Bike – die unterschiedlichsten Waldwanderer lieben den Aufstieg hierher. Allein bleibt sowieso keiner lange – misanthropische Philosophen meiden diese Stätte der Spontanverschwisterung. Oder sie werden bekehrt.

Auf den Tischen: Dubbeglas an Dubbeglas und der Pfälzer Dreisatz: Grieweworscht, Lewwerworscht, Schwartemagen. Heute gibt es sogar Steak, der KCD ist dran, der Karnevalsclub Deidesheim. Wie das? Nun, seit über 40 Jahren wird die Eckkopfturmhütte jedes Wochenende ehrenamtlich bewirtschaftet: Von den Jungwinzern Niederkirchen, der TSG Deidesheim, den Marlachfohlen, Marlachfröschen, Feuerwehr, Trachtenvolkstanzgruppe, Schoppekickern, Pfadfindern, Handballern und wer noch alles Lust auf diesen wundervollen Wahnsinn hat.

Wie so etwas funktioniert, erfährt man drunten im Tal – von Walter Egersdörfer, Eckkopf-Koordinator und Top-Manager des KCD. Wir können hier nicht sämtliche Posten auflisten, die der Mann ausfüllt. Unablässig klingelt es bei ihm an. Und er hebt ab, immer.

Viele Wege führen auf den Eckkopf. Beliebt sind die Routen von Wachenheim, an der Burgruine vorbei und empor – aber die beliebtesten Wege starten im Weinstädtchen Deidesheim, das mit weltbekannten Gütern wie Reichsrat von Buhl, Bassermann-Jordan oder von Winning ein Gralsort für Weinfreunde ist. Rieslingweg, Bacchusweg, Portugieserweg. Man könnte aber auch über den Traminerweg in den Burgunderweg gelangen und von dort in den Küferweg abbiegen und von dort die Wanderung beginnen. Walter Egersdörfer ist das eher wurscht – er ist beschäftigt.

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Der KCD, die Deidesheimer Niederlassung von Prinz Karneval, ist seine Domäne. Zum Aufgabengebiet gehört unter anderem die Organisation der Fernseh-Fasnacht des SWR in Frankenthal. Allerhand wird der Jugend angeboten. Aber auch den Senioren. „Da steig ich selber in die Bütt und mach e bissel Blödsinn …“

Als der gebürtige Oppauer noch seinen Entsorgungsbetrieb innehatte, war die Bewirtschaftung der Eckkopfhütte einfacher. Mit dem LKW kam man besser rauf als jetzt im PKW, da die Waldwege holprig sind, aufgeweicht, vom Forstbetrieb in Anspruch genommen. „Da hoppelste, da tanzte, da eierste ‘rum. Alles müssen wir da hochfahren, wirklich alles, auch das Trinkwasser, am Wochenende 1.000 Liter am Tag.“ Welch’ ungeheuren Aufwand die Bewirtschaftung so einer Hütte mit sich bringt, das sehen die Wanderer nicht wirklich.

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In jeder ordentlichen Waldhütte ist Hausmacher Wurst des Pfälzers Gemüse.

Egersdöfer und sein Verein schwören auf Kooperationen – zum Beispiel mit der Ruppertsberger Winzergenossenschaft. „Da gibt es saubere, ordentliche Weine. Wir brauchen hier keinen Schnickschnack, wo die Schorle dann vier Euro fuffzisch kostet.“ Da geht es um Fairness und um das gemütliche Miteinander. Auf den Pfälzer Weinfesten funktioniert die Kommunikation auch noch direkt. Man starrt nicht ins Handy, sondern prostet sich zu.

„ … so e ganz spezielli Hausmannskoscht schmeckt erscht rischtisch zu ‘em federweiße Moscht …“

Die Bewirtschaftung der Eckkopfhütte will organisiert sein: Jedes Jahr im November treffen sich interessierte Vereine im Ratssaal der Verbandsgemeinde zur großen Verlosung.

Ein Partner des KCD sind die Meckenheimer Dorfplatzhexen. Klug gewählt, solch mystische Wesen sollte man immer auf seiner Seite haben. Ansonsten agieren die Vereine weitgehend autonom, auch kulinarisch. Ob sich die Gäste an Handballer- Rollbraten, Jungwinzer-Schnitzel oder Hexen-Haxen delektieren dürfen, das wird intern geklärt.

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Netzwerkarbeit nennt man das heute, was Egersdörfer von zu Hause aus leistet. Für den Karneval reist er viel herum, am liebsten weilt er natürlich daheim im Pfälzerwald, wobei er auch der rechten Rheinseite ihren Wert gern zubilligt.

Kehren wir zurück in die Höhe. In der Zwischenzeit haben sich auf dem Eckkopf ein paar Hausmusiker zusammengefunden. Gitarren schrabbeln, eine Geige wird gestreichelt, eine spontane Rhythmusgruppe bearbeitet die Gläser mit Gabeln und den Tisch mit den Fingerknochen. Im Liedgut hat man auf Anfang zurückgespult. Un’ noch emol:

„In de Keschdezeit fahr ich mol widder häm, un machmerrs mol widder värzeh Daach begwehm …“

Dringender Hinweis: Immer nach den Öffnungszeiten erkundigen! Das Entsetzen ist unaussprechlich, wenn man nach langer Bergtour statt Weißem Käs mit Rieslingschorle auf eine verschlossene Tür und ein paar vertrocknete Tannenzapfen stößt. Es soll schon zu Ehetrennungen gekommen sein, nach solchen Ereignissen. Und nicht vergessen wollen wir in dem Zusammenhang Hüttenwart Josef Reinhardt, der unter anderem dafür sorgt, dass im gastlichen Häuschen an jedem Wochenende 2.000 Liter Brauchwasser zur Verfügung stehen. Natürlich Ehrensache. Respekt!


www.deidesheim.de

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