… eine zentrale Szene der Reformation abspielte?

Nahezu jedes Kind kennt die Geschichte von David gegen Goliath. Immerzu wird sie bemüht, wenn zwei ungleiche Gegner aufeinandertreffen – und sich am Ende der vermeintlich Schwächere durchsetzt. Seltsamerweise wird die alttestamentarische Erzählung nie in Verbindung mit Martin Luther gebracht. Denn im Grunde entspricht seine Biographie genau diesem Muster: Ein junger Augustinermönch aus dem unbedeutenden Wittenberg legt sich aus Überzeugung mit dem Establishment an. Eine entscheidende Szene dieser Auseinandersetzung spielte 1521 in Worms.

Vier Jahre zuvor hatte Luther mit den „95 Thesen“ seinen Unmut über die gängige Praxis des Ablass-Handels („Erkaufter Sündenerlass“) in der katholischen Kirche zum Ausdruck gebracht – der Beginn der Reformation. Seine Gedanken verbreiteten sich rasant und fanden viele Sympathisanten, was zunehmend für Unruhe bei der weltlichen und klerikalen Obrigkeit sorgte. Die Machthaber übten Druck aus. Doch Luther blieb bei seiner Position und bestärkte diese in den Folgejahren in über 80 Schriften. Nach einem offenen Disput sprach Papst Leo X. Anfang 1521 den Kirchenbann über ihn aus. Doch bevor Luther endgültig für vogelfrei erklärt werden konnte, stand ihm eine Anhörung vor dem Reichstag zu, der im April 1521 auf Geheiß von Kaiser Karl V. in Worms stattfand. Luther zeigte sich abermals kompromisslos und weigerte sich, seine Ansichten zu widerrufen. Sein Gewissen sei gefangen in dem Worte Gottes: „Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“.

Es folgte das „Wormser Edikt“, mit dem die Reichsacht über Luther verhängt wurde. Ausgestattet mit einem dreiwöchigen Schutzbrief machte sich Luther Anfang Mai 1521 zurück auf den Weg nach Wittenberg. Unterwegs kam es zu einer inszenierten Entführung. Bewaffnete brachten ihn auf Befehl seines Landesherrn, dem sächsischen Kurfürsten Friedrich, zur abgelegenen Wartburg nach Eisenach. Luther verschwand für ein Jahr von der Bildfläche, übersetzte in dieser Zeit das Neue Testament ins Deutsche. Die Reformation indes war nicht mehr aufzuhalten. Längst hatte die Erneuerungsbewegung weite Teile der Gesellschaft erfasst. Der Rest dieser „David gegen Goliath“-Story ist Weltgeschichte.

Noch heute gibt es in Worms viele Zeugnisse der Reformationszeit. In der Stadtbibliothek lagern zum Beispiel über 600 historische Druckschriften, die teilweise zum Weltdokumentenerbe der UNESCO zählen. Und am Lutherplatz steht eines der größten Reformationsdenkmäler der Welt.